Dolmetschen im Medizintourismus. Katia Iacono

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Dolmetschen im Medizintourismus - Katia Iacono Translationswissenschaft

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mit nicht deutschsprachigen PatientInnen erfolgte bei 7% der Befragten ohne zusätzliche Hilfe, während 90% auf die Hilfe Dritter zurückgriffen. Bei den genannten Dritten handelte es sich meist um Begleitpersonen (häufig die Kinder der PatientInnen), gefolgt von fremdsprachigem Krankenhauspersonal – das häufig das Reinigungs- oder Pflegepersonal und nur selten ÄrztInnen umfasste. Der Einsatz von dolmetschenden Begleitpersonen wurde fast immer als problematisch eingestuft, da diese laut den Befragten keine medizinischen oder terminologischen Kenntnisse besaßen und aufgrund ihrer persönlichen Nähe zu den PatientInnen befangen waren. Hingegen wurde die Einbeziehung des Krankenhauspersonals als Dolmetschende von den Befragten als nicht so problematisch erachtet. Wie Pöchhacker ausführt, bergen diese drei Möglichkeiten zur Überbrückung der Sprachbarrieren einige Gefahren, für die in den Krankenhäusern häufig das Bewusstsein fehlt. Zu diesen Gefahren zählen laut Albrecht (2015: 4) Fehlinformationen bei PatientInnen, Fehldiagnosen aufseiten der ÄrztInnen, zusätzliche Untersuchungen und Wiederholungen der Therapie, längere Verweildauer und höhere Behandlungskosten.

      Sprachbarrieren gibt es nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in ärztlichen Praxen. So beschreibt Leitner (2013) anhand einer Fallstudie, die in einer ärztlichen Praxis in Wien durchgeführt wurde, die zur Überwindung von Sprachbarrieren angewendeten Strategien. Die Studie beleuchtet den Alltag in der Praxis von Dr. Daniela Kasparek in Wien, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, die einen hohen Anteil an PatientInnen mit Migrationshintergrund (60% der Eltern) aufweist (vgl. Leitner 2013: 144). In ihrer Praxis stellte die Fachärztin eine häufig fehlende adherence seitens der PatientInnen fest, die auf Sprachbarrieren zurückzuführen war. Darüber hinaus waren nicht selten organisatorische Probleme zu bewältigen: Zu viele PatientInnen suchten die Ärztin in den Abendstunden auf, da ihre dolmetschenden Begleitpersonen meist erst zu dieser Tageszeit zur Verfügung standen. Als Lösungsstrategie wurden Organisationsgehilfinnen mit Migrationshintergrund angestellt, die jene Fremdsprachen beherrschten, die von den PatientInnen der Praxis am häufigsten gesprochen wurden. Für die niedergelassene Ärztin erwies sich die Anstellung mehrsprachiger AssistentInnen ohne Dolmetschausbildung, die als Laiendolmetschende fungierten, als kostengünstiger als die Heranziehung ausgebildeter DolmetscherInnen. In ihren Schlussfolgerungen hält Leitner fest, dass diese Lösungsstrategie zwar zufriedenstellender sei als der Einsatz von dolmetschenden Angehörigen, sie könne aber nicht die Arbeit ausgebildeter DolmetscherInnen ersetzen. Parmakerli (2009) berichtet von einem ähnlichen Beispiel aus Mannheim. Der türkischstämmige Arzt konnte bereits in seiner Kindheit und dann in seiner Studienzeit Dolmetscherfahrung sammeln. Nach dem Abschluss des Medizinstudiums eröffnete er eine ärztliche Praxis in Mannheim, die er als „Migranten-Praxis“ (Parmakerli 2009: 160) bezeichnet, weil sie überwiegend von türkischsprachigen PatientInnen aufgesucht wird.2 Darüber hinaus ist das gesamte Team – bestehend aus einer Intensivkrankenschwester, einer Diätassistentin, einer Arzthelferin und einer Aushilfe – türkischer Herkunft. Dies ermöglicht eine kompetente Begleitung der ausländischen PatientInnen, für die auch „kultursensibel gedolmetscht“ (Parmakerli 2009: 162) wird. Wichtiger Entscheidungsfaktor für viele niedergelassene ÄrztInnen hinsichtlich der Konsultierung von ausgebildeten DolmetscherInnen bleiben aber nach wie vor deren hohe Kosten, die von den ÄrztInnen oder von den PatientInnen zu tragen wären (vgl. Leitner 2013: 154). Derzeit werden Dolmetschkosten in Deutschland und Österreich weder von gesetzlichen noch von privaten Krankenversicherungen übernommen (vgl. Spickhoff 2015: 14).

      Zwei weitere Lösungsstrategien zur Überwindung von Sprachbarrieren in der medizinischen Kommunikation, die häufig umgesetzt werden, sind das Ferndolmetschen und die Verwendung des Englischen als Lingua Franca. In Tab. 5 werden diese Lösungsstrategien zusammengefasst.

Dolmetschende Begleitpersonen der PatientInnen Verwandte (auch Kinder), FreundInnen, Bekannte usw.
Dolmetschendes mehrsprachiges medizinisches Personal ÄrztInnen, Krankenschwestern, Krankenpfleger usw.
Dolmetschendes mehrsprachiges nicht medizinisches Personal Reinigungspersonal, Küchenpersonal usw.
DolmetscherInnen vor Ort Angestellte oder selbstständig tätige DolmetscherInnen
DolmetscherInnen aus der Ferne Angestellte oder selbstständig tätige DolmetscherInnen
Lingua Franca Alle Gesprächsbeteiligten bedienen sich einer Lingua Franca (häufig Englisch)

      Tab. 5:

      Lösungsstrategien zur Überwindung von Sprachbarrieren im Gesundheitswesen

      Die Vor- und Nachteile der oben dargestellten Möglichkeiten werden in der medizinischen Literatur zur Kommunikation mit fremdsprachigen PatientInnen immer wieder thematisiert (vgl. u.a. Bischoff/Loutan 2004, Hoefert 2008, Bischoff/Hudelson 2010, Kaelin et al. 2013, Spickhoff 2015), wobei häufig Kostengründe und rechtliche Grundlagen im Vordergrund stehen. Hoefert (2008: 105ff.) argumentiert, dass der Einsatz von Begleitpersonen der PatientInnen als Dolmetschende als vorteilhaft zu sehen sei, da sie leicht verfügbar sind und mit den PatientInnen den kulturellen Hintergrund sowie die Kenntnis der Krankenbiografie teilen. Als nachteilig erweisen sich aber deren fehlendes medizinisches Know-how, etwaige Scham und ihr Involviertsein. Diese Einschränkungen oder Probleme aufgrund einer Dolmetschung durch Angehörige können dazu führen, dass gewisse Nachrichten abgeschwächt oder überhaupt nicht übermittelt werden. Das mehrsprachige medizinische Personal ist ebenso leicht verfügbar, verursacht keine zusätzlichen Kosten und besitzt das nötige medizinische Know-how. Allerdings ergibt sich für diese Personen, falls sie als Dolmetschende eingesetzt werden, ein Mehraufwand, und es kann sogar zu Loyalitätskonflikten zwischen dem dolmetschenden Personal, das mit den Landsleuten sympathisiert, und dem Krankenhaus als Arbeitsgeber kommen. Das nicht medizinische Personal ist laut Hoefert ebenso kostenneutral, verfügt allerdings weder über medizinisches Know-how, noch ist es stets loyal und in der Lage, die vollständige Wiedergabe des Gesagten zu gewährleisten. Obwohl der Einsatz von Begleitpersonen und nicht medizinischem Personal für den Aufbau einer Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen hilfreich sein kann, bleiben in beiden Szenarien die Probleme der Unparteilichkeit und der fehlenden Koordinationskompetenz der Kommunikation ungelöst. Neben Pöchhackers Studie (2000a) belegen weitere Untersuchungen (vgl. u.a. Kadrić/Pöchhacker 1999, Pöchhacker 2000b, Bührig/Meyer 2004, Valero-Garcés 2007, Menz et al. 2013), dass Menschen ohne formale Dolmetschausbildung Inhalt und Handlung der ÄrztInnen-PatientInnen-Kommunikation erheblich beeinflussen; dies betrifft sowohl Begleitpersonen als auch medizinisches und nicht medizinisches Personal.

      Ausgebildete DolmetscherInnen werden von Hoefert zwar als neutral, genau und pünktlich beschrieben, allerdings erweisen sich die durch sie entstehenden hohen Kosten als problematisch. Hoefert (2008: 125) und Reisewitz (2015: 3) führen als weitere Schwierigkeit das Beispiel von DolmetscherInnen an, die das notwendige Fachvokabular – d.h., die terminologische Kompetenz – nicht hinreichend beherrschen.3 Ebenso scheinen manche MedizintourismusexpertInnen wie Bialk-Wolf et al. (2017: 77) die Vorteile der von ausgebildeten DolmetscherInnen vermittelten Kommunikation nicht zur Gänze zu verstehen und heben neben dem hohen finanziellen Aufwand auch deren angeblich mangelnde Sachkompetenz hervor. Neben den Kosten und der Kompetenzfrage können die Verfügbarkeit und die Wahrnehmung der Dolmetschqualität weitere Kriterien bei der Wahl einer dolmetschenden Person darstellen. In ihrer Studie zur Verständigung mit anderssprachigen PatientInnen in den Genfer Universitätskrankenhäusern betonen Bischoff und Hudelson (2010: 18), dass das zweisprachige medizinische Personal in der Regel sofort verfügbar ist. Ausgebildete DolmetscherInnen würden erst dann beauftragt, wenn andere Lösungsstrategien (Dolmetschung durch Angehörige, nicht medizinisches oder medizinisches Krankenhauspersonal) fehlgeschlagen sind. Auch Bischoff und Hudelson weisen darauf hin, dass der Einsatz von zweisprachigem

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