Dolmetschen im Medizintourismus. Katia Iacono

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Dolmetschen im Medizintourismus - Katia Iacono Translationswissenschaft

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der/dem PatientIn das Zimmer bzw. das Bett sowie die Einrichtungsgegenstände, die während des Krankenhausaufenthaltes relevant sind, erklärt (vgl. Crezee 2013: 65).8 Das gleichfalls ritualisierte Visitengespräch besteht aus kurzen unidirektionalen und direktiven Fragen, die die ÄrztInnen den PatientInnen stellen, um den gesundheitlichen Zustand während eines stationären Aufenthaltes – möglicherweise nach einem operativen Eingriff – zu ergründen (vgl. Bechmann 2014: 172). Die Möglichkeiten der PatientInnen zur Redeinitiative sind hier sehr eingeschränkt: Meistens antworten sie auf die von den ÄrztInnen gestellten Fragen, „wobei ein Großteil dieser so gestellt wird, dass sie die Antworten bereits vorwegnehmen“ (vgl. Trubel 2004: 162). Bechmann beschreibt diese Gesprächsform als besonders intim und ärztInnenzentriert. Die Dauer der Visite ist häufig begrenzt, und das Gespräch kann durch Störungen und die Nichteinhaltung essenzieller Gesprächskonventionen wie Begrüßung, Vorstellung und Verabschiedung gekennzeichnet sein (vgl. Menz 2015: 81). Aufgrund der Planungsschwierigkeiten von Visitengesprächen ist es nicht immer möglich, eine/einen DolmetscherIn zur Visite beizuziehen. Im Entlassungsgespräch werden die PatientInnen von den ÄrztInnen verabschiedet. Im Rahmen dieses Gesprächs sollen wichtige Informationen zu Folgeuntersuchungen und Heimmedikationen vermittelt werden (vgl. Bechmann 2014: 173). Eine Art Entlassungsgespräch wird aber auch zwischen den Angestellten des Krankenhauses und den PatientInnen geführt, in denen neben organisatorischen auch finanzielle Angelegenheiten angesprochen werden können. Werden die operativen Eingriffe in privaten Einrichtungen durchgeführt, müssen bei der Entlassung die offenen Kosten beglichen sowie weitere Formalitäten erledigt werden.

      Unter den schriftlichen Textsorten der medizinischen Kommunikation finden sich unter anderem:

       der Aufnahmebogen

       der Aufklärungsbogen

       der Ernährungsplan

       der Beipackzettel

       der Behandlungsvertrag

       der Entlassungsbrief

       der ärztliche Brief

       der Laborbefund

       der Operationsbericht

       das FachärztInnengutachten

      Schriftliche Textsorten können für DolmetscherInnen eine große Herausforderung darstellen, da sie terminologisch komplex sind (vgl. Weinreich 2015: 400). Auf schriftliche Textsorten kann auch im Rahmen des ÄrztInnen-PatientInnen-Gesprächs zurückgegriffen werden, falls beispielsweise während des Aufklärungsgesprächs der Aufklärungsbogen oder während des Aufnahmegesprächs oder der Anamnese ein standardisierter PatientInnenfragebogen verwendet wird (vgl. Bechmann 2014: 174). Üblicherweise werden Fragebögen von den DolmetscherInnen vom Blatt gedolmetscht, können aber wie im Fall des Behandlungsvertrags oder des ärztlichen Briefs auch im Nachhinein auf Anfrage übersetzt werden. Aufnahmebögen dienen in der Regel dazu, die wichtigsten persönlichen und versicherungsbezogenen Daten der PatientInnen bei der Aufnahme ins Krankenhaus zu erfassen. Der Aufklärungsbogen – auf Englisch informed consent form oder agreement to treatment form (vgl. Crezee 2013: 89) – dient als Unterstützung während des Aufklärungsgesprächs sowie als schriftliche Bestätigung über die erfolgte Aufklärung und Einwilligung der PatientInnen. Abgesehen von einigen Ausnahmen (die/der PatientIn ist bewusstlos, ist nicht compos mentis oder steht unter Einfluss von Drogen) ist immer eine schriftliche Einwilligung auf dem Aufklärungsbogen notwendig (vgl. Crezee 2013: 89).9 Aufgrund seiner rechtlichen Natur ist der Aufklärungsbogen meistens standardisiert und wird den ÄrztInnen von Verlagshäusern zur Verfügung gestellt (vgl. Weinreich 2015: 400). Üblicherweise besteht er im deutschsprachigen Raum aus zwei Teilen, die sich über vier Seiten erstrecken. Der erste Teil dient der Beschreibung des Eingriffs und ist inhaltlich und sprachlich fachlich geprägt; Fachbegriffe werden meistens erklärt. Der zweite Teil besteht aus Fragen, welche die für die Behandlung relevanten Informationen über die PatientInnen erheben sollen, und deren Antworten von den PatientInnen anzukreuzen sind. Der Ernährungsplan (vgl. Weinreich 2015: 394) kann als Textsorte von Bedeutung sein, falls den PatientInnen eine spezielle Diät verschrieben wird, um die Therapie zu unterstützen. Beipackzettel sind eine weitere Textsorte, mit der DolmetscherInnen im Rahmen eines Beratungsgesprächs konfrontiert werden können, falls die ÄrztInnen gewisse Informationen zu Medikamenten, die die PatientInnen aktuell einnehmen, benötigen. In den Beipackzetteln finden sich Informationen zu „Anwendungsgebiet, Darreichungsform, Gegenanzeigen, Wechselwirkungen, Dosierungsanleitung, Nebenwirkungen, Gegenmaßnahmen zu Über-/Unterdosierung, Angaben zum Hersteller und Wirkstoff“ (Weinreich 2015: 400). Eine weitere selten thematisierte Textsorte ist der Behandlungsvertrag (vgl. Kletečka-Pulker 2013: 46), der zwischen den VertreterInnen der medizinischen Institution und den PatientInnen abgeschlossen wird und die rechtliche Grundlage für die Behandlung darstellt. Aus dem Behandlungsvertrag ergeben sich Rechte und Pflichten für alle Beteiligten, weshalb es von großer Relevanz ist, dass PatientInnen den Inhalt genau verstehen, bevor sie den Vertrag unterzeichnen. DolmetscherInnen können situationsabhängig den Behandlungsvertrag übersetzen oder vom Blatt dolmetschen. Der Entlassungsbrief wird in der Regel nach einem Krankenhausaufenthalt erstellt und enthält die Eckdaten zum Aufenthalt und zu den durchgeführten Behandlungen.

      Ärztlicher Brief, Laborbefund, Operationsbericht und FachärztInnengutachten richten sich in erster Linie an FachexpertInnen und fallen daher in den Bereich der internen Fachkommunikation (vgl. Crezee 2013: 53, Weinreich 2015: 394). Diese Textsorten enthalten Zusammenfassungen von medizinischen Gesprächen oder Eingriffen sowie von diagnostischen Untersuchungen und können wie beim ärztlichen Brief Therapievorschläge beinhalten. Sie werden zumeist von der medizinischen Institution nach Abschluss der Therapie bzw. der Behandlung übermittelt. Ebenso können ÄrztInnen nach einer ambulanten Untersuchung oder einem Beratungsgespräch einen ärztlichen Brief verfassen, obwohl dies in der Praxis in Deutschland und Österreich nicht immer der Fall ist (vgl. Möller/Makoski 2015).10 Der ärztliche Brief wird von Weinreich (2015: 397) als Kommunikationsmedium zwischen ÄrztInnen beschrieben, dessen Inhalt aus Diagnose und Therapieverlauf besteht. Laut Weinreich werden viel Zeit und strukturiertes Denken benötigt, um einen ärztlichen Brief zu verfassen, da die Informationen kurz, aber kohärent zusammengefasst werden sollen. Letztendlich kann der ärztliche Brief auch für die Kostenabrechnung von Bedeutung sein (vgl. Weinreich 2015: 398).

      2.1.4 Ethnomedizinische Aspekte

      Durch das Modell der partizipativen Entscheidung ist die medizinische Kommunikation in den vergangenen Jahren dialogischer und narrativer geworden (vgl. Koerfer/Albus 2015: 118). So können die von den ÄrztInnen gestellten offenen Fragen während der Gesprächsinitialisierung und der Informationsakquise den PatientInnen helfen, das eigene Krankheitsverständnis und die Schmerzwahrnehmung zu kommunizieren oder zu offenbaren. Diese Offenbarungen sind im Sinne der biopsychosozialen Medizin, die nicht nur die dichotomische Dimension von Gesundheit oder Krankheit, sondern auch die psychischen und sozialen Faktoren hervorhebt, von enormer Relevanz: „Krankheit und Gesundheit sind im biopsychosozialen Modell nicht als ein Zustand definiert, sondern als ein dynamisches Geschehen“ (Egger 2005: 3). Das Kranksein ist als dynamisch und in einem direkten sozialen und kulturellen Kontext eingebettet zu verstehen (vgl. Domenig 2003: 28). Der kulturelle Kontext kann darüber hinaus vorschreiben, wie sich Kranke zu verhalten haben. In manchen Kulturkreisen verhalten sich zum Beispiel PatientInnen als Kranke, da dies von ihnen erwartet wird: „They have to lie in bed, refuse to do anything for themselves, cry out in pain and so on“ (Crezee 2013: 27). Aus diesem Grund kann es sogar vorkommen, dass die Kranken bestimmten Empfehlungen zu Essgewohnheiten bzw. körperlicher Tätigkeit nicht nachkommen, obwohl ihnen nach einer Operation empfohlen wird, Sport zu treiben (vgl. Crezee 2013: 27f.). In einigen Kulturkreisen gilt darüber hinaus eine Krankheit als Angelegenheit der gesamten Familie: Die Krankheit besitzt eine intersubjektive Dimension und die Familie hat eine Beistandspflicht (vgl. Bechmann 2014: 222f.).

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