Dolmetschen im Medizintourismus. Katia Iacono

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Dolmetschen im Medizintourismus - Katia Iacono Translationswissenschaft

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      Ethical and development issues, at the intersection of political economy and care, have been linked to such activities as stem cell and transplant surgery, fertility treatment and surrogacy, where conventional notions of ‘tourism’ are steeped in irony, some procedures are innovative and risky and others almost literal pilgrimages of last resort. (Connell 2015: 400)

      1.9 Kapitelzusammenfassung

      In der vorliegenden Studie wird der Medizintourismus als Unterbegriff des Gesundheitstourismus verstanden. Er umfasst geplante, vorübergehende Verlegungen des Wohnortes ins Ausland, um dort gesundheitswiederherstellende ärztliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Der in der Bezeichnung Medizintourismus enthaltene Terminus Tourismus wird also in Anlehnung an die Definition der Welttourismusorganisation als rein temporärer Wohnortwechsel ausgelegt. Weitere relevante Bezeichnungen für den Medizintourismus sind länderübergreifende Gesundheitsversorgung und PatientInnenmobilität.

      Eine medizinische Reise kann aus verschiedenen Beweggründen unternommen werden. Meistens zählen dazu Engpässe in der nationalen Gesundheitsversorgung, die Unmöglichkeit, sich vor Ort einer bestimmten hoch spezialisierten Behandlung zu unterziehen, und das Vorhandensein renommierter ÄrztInnen im Ausland. Anders als in klassischen medizinischen Settings sind medizintouristische PatientInnen nicht am Behandlungsort ansässig und benötigen ein Gesamtpaket oder zumindest ein erweitertes Angebot an Dienstleistungen. Häufig treten PatientInnen im Medizintourismus als Privatzahlende auf und stellen hohe Erwartungen an die medizinische Behandlung. Die in Anspruch genommenen Behandlungen sind zumeist spezialisiert und weisen im medizinischen und rechtlichen Sinne eine gewisse „Schwere“ (Reisewitz 2015: 8) auf, da sie Eingriffe in die Unversehrtheit des Körpers bedeuten. Diese Behandlungen sind mit einer Reihe von PatientInnenrechten (u.a. Recht auf Unversehrtheit, Selbstbestimmungsrecht und Recht auf Aufklärung) und ÄrztInnenpflichten (u.a. Aufklärungspflicht) verbunden, die bei Kommunikationsbarrieren zwischen PatientInnen und ÄrztInnen eine Herausforderung darstellen.

      Der Medizintourismus hat in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend an wirtschaftlicher Relevanz gewonnen: Jedes Jahr treten Millionen Menschen internationale Reisen an, um sich einer Behandlung im Ausland zu unterziehen. Trotz einer steigenden Tendenz sind die Daten zum Medizintourismus in Deutschland und Österreich nur von begrenzter Aussagekraft: Einerseits fehlt in einigen Fällen nach wie vor eine zentrale Erfassung, andererseits basieren die in Auftrag gegebenen Studien nicht selten auf unterschiedlichen Definitionen des Medizintourismus und berücksichtigen somit auch PatientInnen, die vorwiegend gesundheitstouristische Reisen (z.B. Wellnessbehandlungen) unternehmen. Auch die Europäische Union hat mittlerweile auf das Phänomen des Medizintourismus reagiert. Durch die Einführung der Richtlinie 2011/24/EU, die eine Teilerstattung der medizinischen Kosten für die Auslandsbehandlung ermöglicht, wurde ein Instrument geschaffen, um die PatientInnenmobilität innerhalb der Europäischen Union einheitlich zu regeln.

      Am Medizintourismus können neben den AnbieterInnen medizinischer Dienstleistungen (z.B. ÄrztInnen und Kliniken) weitere Stakeholder wie Reise- oder Finanzdienstleistungsunternehmen beteiligt sein. Zu diesen zählen ebenso die sogenannten PatientInnenvermittlerInnen, deren Dienstleistung in der Vermittlung von internationalen PatientInnen an Kliniken besteht. Da sich die PatientInnenvermittlung in einer rechtlichen Grauzone bewegt, deklarieren VermittlerInnen ihre Tätigkeit zumeist als PatientInnenbetreuung. Sie übernehmen verschiedene Tätigkeiten, die für die PatientInnenanwerbung oder -betreuung notwendig sind – wie die Kontaktherstellung, die Sammlung der Dokumentation und die Zurverfügungstellung translatorischer Dienstleistungen –, falls die ÄrztInnen eine andere Sprache sprechen als die PatientInnen. So arbeiten PatientInnenvermittlerInnen zum Teil mit ausgebildeten DolmetscherInnen zusammen oder übernehmen selbst translatorische Aufgaben, obwohl sie nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen. Mangelt es an Verständigung, kann der Erfolg der Behandlung gefährdet sein und das Risiko für PatientInnen und ÄrztInnen steigen.

      2 Dolmetschen in medizinischen Settings unter Berücksichtigung des Medizintourismus

      Im vorliegenden Kapitel liegt das Augenmerk auf dem Stellenwert der Kommunikation in der Medizin. In diesem Zusammenhang werden zuerst allgemeine Aspekte behandelt, die für jede Art medizinischer Kommunikation von Relevanz sind: die Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen und die damit verbundenen Asymmetrien, die Struktur von medizinischen Gesprächen, die Gesprächsformen und Textsorten sowie einige ethnomedizinische Aspekte. Dieser Einleitung folgt eine Auseinandersetzung mit der Problematik der Sprachbarrieren im Gesundheitswesen sowie mit den Rollen und Aufgaben von DolmetscherInnen in der medizinischen Kommunikation. Nach diesem einleitenden Überblick, der für jedes medizinische Setting Gültigkeit besitzt, wird der eigentliche Gegenstand dieser Studie behandelt: der Medizintourismus. Der Vorstellung des aktuellen Forschungsstands zum Medizintourismus folgt die Verortung der Tätigkeit von DolmetscherInnen als ExpertInnen in medizintouristischen Settings im Theorierahmen des translatorischen Handelns.

      2.1 Medizin und Kommunikation

      Wie in allen medizinischen Settings findet medizinische Kommunikation in unterschiedlichen medizinischen Institutionen statt. Roat und Crezee (2015: 243) erwähnen folgende relevante Institutionen: private oder öffentliche Krankenhäuser, Labors für diagnostische Untersuchungen, ärztliche Praxen, Apotheken und Rehabilitationszentren. Alle Szenarien weisen folgende Triade als gemeinsamen Nenner auf: PatientIn, ÄrztIn oder Pflegepersonal und DolmetscherIn. Die Besonderheiten dieser Gespräche bestehen laut Roat und Crezee (2015: 243) in ihrer kollaborativen Natur: Alle Beteiligten möchten das gleiche Ziel erreichen – die Wiederherstellung der Gesundheit der/des PatientIn. Voraussetzung für die Zielerreichung ist die gegenseitige Verständigung, welche in einem mehrsprachigen und mehrkulturellen Kontext nur in jenen Fällen möglich ist, in denen Sprachbarrieren überwunden werden. Falls es zu keiner Verständigung kommt, können die Folgen von Missverständnissen fatal sein (vgl. Roat/Crezee 2015: 243).

      Weitere Gesprächsbeteiligte in den medizinischen Institutionen können das Empfangs- und das administrative Personal sein. In so einem Fall handelt es sich überwiegend um institutionelle Kommunikation, die ein gewisses Machtgefälle vom administrativen Personal in Richtung PatientInnen beinhaltet. Die Wirkung einer solchen asymmetrischen Ausgangsposition auf die nachfolgende medizinische Kommunikation wird oft unterschätzt (vgl. Bechmann 2014). Der Erstkontakt mit der medizinischen Institution erfolgt nämlich in den seltensten Fällen mit den ÄrztInnen, die letztendlich die Behandlung durchführen, sondern mit anderen VertreterInnen einer medizinischen Institution oder einer Vermittlungsinstanz. Auf selbst organisierten medizinischen Reisen kann der Erstkontakt durch eine/einen DolmetscherIn hergestellt werden. Auch diese Interaktionen üben Einfluss auf die medizinische Kommunikation aus, da „das Verhalten dieser Akteure immer zugleich als Spiegel des ärztlichen Verhaltens interpretiert wird“ (Bechmann 2014: 156). Werden die PatientInnen unfreundlich behandelt, wird im schlechtesten Fall auf die Behandlung verzichtet oder diese kein weiteres Mal in Anspruch genommen.

      Anders als in klassischen medizinischen Settings sind medizintouristische PatientInnen nicht am Behandlungsort ansässig. Sie müssen eine Reise auf sich nehmen, um die medizinische Leistung überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Die soziokulturelle Situation der PatientInnen im Medizintourismus entspricht daher nicht unbedingt jener der in der Literatur zum medizinischen Dolmetschen vergleichsweise häufig untersuchten PatientInnen mit Migrationshintergrund (vgl. u.a. Menz et al. 2013, Bührig/Meyer 2015). Im Medizintourismus genießen die PatientInnen zwar zumeist einen besseren Status (vgl. Juszczak 2017: 56), insbesondere wenn sie sich der Behandlung als PrivatpatientInnen unterziehen, dennoch bleibt die Kommunikation – unabhängig von Status und Sprache der PatientInnen – asymmetrisch. PatientInnen haben in den meisten Fällen sowohl inhaltlich als auch formal einen Nachteil gegenüber den behandelnden ÄrztInnen: Inhaltlich verfügen sie nicht über das benötigte medizinische Wissen (vgl. Bechmann 2014: 129), formal haben sie ein geringeres sprachliches Repertoire (vgl. Bechmann 2014: 211).1 Je nach

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