Dolmetschen im Medizintourismus. Katia Iacono

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Dolmetschen im Medizintourismus - Katia Iacono Translationswissenschaft

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(Meyer 2004: 52)

      In diesem Handlungsraum befinden sich verschiedene Pragmeme, die sprachliche und mentale Aktivitäten beinhalten und „zusammengefasst als funktionale Einheiten eines gesamten Handlungsablaufs, in die Handlungslinien einzelner Aktanten und in unterschiedliche Sphären eingebettet sind“ (Bührig/Durlanik/Meyer 2000: 15). Mehrere Pragmeme zusammen bilden Hyperpragmeme. Der Aufenthalt beginnt in Anlehnung an Abb. 2 mit der Aufnahme.1 Daran sind in der Regel keine ÄrztInnen, sondern die Verwaltung und das Pflegepersonal beteiligt. In diesem ersten Pragmem kann medizinische Kommunikation im Rahmen der Erledigung von Aufnahmeformalitäten, Zahlungen oder deren Überprüfungen (im Fall von privat versicherten PatientInnen) und der Begleitung in die Station oder Ambulanz erfolgen. Erst nach der Aufnahme findet die Anamnese statt, bei der die PatientInnen mit ÄrztInnen interagieren und die jeweilige Krankengeschichte erzählen. Es folgt der Verdacht, eine Art Prädiagnose der behandelnden ÄrztInnen, die sich in dieser Phase unter Umständen auch mit ihren KollegInnen konsultieren. Während der darauffolgenden Untersuchung kann das Pflegepersonal den ÄrztInnen assistieren. Gewisse Untersuchungen bedingen per Gesetz ein Aufklärungsgespräch, in dem über Risiken, Methoden und Alternativen informiert werden soll (vgl. Bührig/Meyer 2015: 307); zuweilen muss die Untersuchung wiederholt oder um weitere Abklärungen ergänzt werden. Danach wird ein Befund erstellt, an dem wiederum verschiedene ÄrztInnen (zum Beispiel RadiologInnen) mitwirken können (vgl. Bührig/Durlanik/Meyer 2000: 15ff.). Während der Diagnose – dem Ergebnis aus Verdacht, Untersuchung und Befund – werden die PatientInnen wieder stärker kommunikativ einbezogen. Der Diagnose folgt der Therapievorschlag, der zur Entscheidungsfindung eines Aufklärungsgesprächs bedarf. An der anschließenden Therapie sind neben den PatientInnen und ÄrztInnen auch das Pflegepersonal und etwaiges zusätzliches medizinisches Personal wie DiätassistentInnen und PhysiotherapeutInnen beteiligt. Vor der Entlassung, die inhaltlich ähnlich wie die Aufnahme verläuft, wird meist eine Erfolgskontrolle durchgeführt, in der ebenso das Pflegepersonal involviert sein kann (vgl. Bührig/Durlanik/Meyer 2000: 18ff.). Die ärztliche Praxis als medizinische Institution verfügt in der Regel nicht über dieselbe Komplexität wie die Institution Krankenhaus und weist aus diesem Grund nur wenige Pragmeme auf (vgl. Bührig/Meyer 2009: 181ff.). Dennoch kann es auch dort zu einer Kombination mehrerer Pragmeme kommen, falls vor oder nach dem Besuch der Praxis andere SpezialistInnen oder medizinische Institutionen konsultiert werden, die den institutionellen Handlungsraum erweitern.

      Die Struktur eines medizinischen Gesprächs folgt meist einem bestimmten institutionalisierten Kommunikationsmodell. Die sogenannten Calgary-Cambridge guides (vgl. vgl. Kurtz et al. 2003: 806, Bechmann 2014: 196ff.) stellen ein für ÄrztInnen entwickeltes Kommunikationsmodell dar, welches mittlerweile als internationaler Maßstab für die evidenzbasierte ärztliche Gesprächsführung gilt. Die Richtlinien beschreiben mehr als 70 Kommunikationsprozesse und sollen den ÄrztInnen insbesondere während der klinischen Ausbildung zeigen, wie die ärztliche Gesprächsführung unter Berücksichtigung der partizipativen Entscheidungsfindung erfolgen sollte (vgl. Kurtz et al. 2003: 805ff., Bechmann 2014: 196ff., Lahmann/Dinkel 2014). Kurtz et al. (2003: 806) schildern die in den Calgary-Cambridge guides definierten Empfehlungen zur Strukturierung des Gesprächsinhalts und Gesprächsablaufs. ÄrztInnen sollen der Kommunikation mit ihren PatientInnen auf der Basis der folgenden fünf Phasen Struktur verleihen, um eine Beziehung zu den PatientInnen aufzubauen:

       Gesprächsinitialisierung

       Informationsakquise

       körperliche Untersuchung

       Befunderklärung und Planung

       Gesprächsabschluss

      Im Zentrum der Kommunikation sollen immer die PatientInnen stehen, was nur durch ein angemessenes Kommunikationsverhalten der ÄrztInnen, das die PatientInnen involviert, gelingen kann. Je nach Phase variieren das kommunikative Verhalten und die Fragetechnik der ÄrztInnen (vgl. Bechmann 2014: 182ff., Klüber 2015, Spranz-Fogasy/Becker 2015: 101). Dabei bilden Fragen während der gesamten ÄrztInnen-PatientInnen-Kommunikation, insbesondere bei der Informationsgewinnung, das Hauptinstrument von ÄrztInnen, um zu gesundheitsrelevanten Informationen zu gelangen. In der Sprachwissenschaft finden sich verschiedene Klassifikationen von Fragen. Spranz-Fogasy und Becker (2015: 100ff.) unterscheiden zum Beispiel zwischen geschlossenen und offenen Fragen. Geschlossene Fragen ermöglichen nur Ja/Nein-Antworten und höchstens das Hinzufügen einer Begründung. Offene Fragen bieten hingegen den PatientInnen die Möglichkeit, ihr Wissen einzubringen und sich aktiv am Gespräch zu beteiligen. Sie können in syntaktische Fragen, die mit einem Verb an erster Stelle beginnen, Deklarativsatzfragen, die eine Präsupposition der ÄrztInnen beinhalten, sowie W-Fragen und Präzisierungs- oder Komplettierungsfragen unterteilt werden (vgl. Spranz-Fogasy/Becker 2015: 101). Präzisierungsfragen nehmen die Aussagen der PatientInnen in der Frage wieder auf, um zusätzliche Informationen zu erhalten und somit das Gesagte zu präzisieren. Bei Komplettierungsfragen verwenden die ÄrztInnen für die Fragestellung die im Gespräch gewonnenen Informationen und das eigene Fachwissen, um zu überprüfen, ob sie die Situation und den Beschwerdesachverhalt verstanden haben. Die effiziente Fragenformulierung vonseiten der ÄrztInnen ist entscheidend für den Erfolg der medizinischen Kommunikation sowie ihre Fähigkeit, eine partizipative Beziehung aufzubauen und aktiv und empathisch zuzuhören (vgl. Hale 2007: 37). Die erste Phase des medizinischen Gesprächs, die Gesprächsinitialisierung, dient dem Aufbau der Beziehung zwischen den AkteurInnen: Dabei werden erste Informationen zu den PatientInnen gesammelt und die institutionellen Rollen für die gesamte Interaktion definiert. Die ÄrztInnen stellen offene Fragen, unter anderem zum Grund für die Konsultation, und zeigen sich durch aktives Zuhören interessiert (vgl. Bechmann 2014: 199). In dieser Phase werden auch etwaige Familienmitglieder, die am Gespräch teilnehmen, involviert (Angelelli 2019: 52). Die zweite Phase ist die Informationsakquise, in der die biomedizinischen Daten, die PatientInnenperspektive und die Hintergrundinformationen erhoben werden. Dabei sollen das Problem und der Bedarf erkannt und die Gesamtsituation analysiert werden, wofür abermals die Technik des aktiven Zuhörens angewendet wird: Die ÄrztInnen konzentrieren sich ganz auf den Redebeitrag der PatientInnen und stellen zuerst offene Fragen, um Symptome und Erwartungen zu erheben, bevor sie zu geschlossenen Fragen übergehen, um „faktisch-objektive Hintergrundinformationen“ (Bechmann 2014: 200) zu erhalten und die Problematik einzugrenzen. „Der Arzt arbeitet in seinen Fragen an den Patienten einen mental gegebenen, aus Ausbildung und Erfahrung gespeisten Symptomkatalog ab und greift jeweils nur bestimmte Anteile der Patientenantworten auf“ (Bührig/Meyer 2009: 192). In dieser Phase werden darüber hinaus zahlreiche non- sowie paraverbale Kommunikationsmittel verwendet. Im Alltag werden PatientInnen in medizinischen Gesprächen allerdings relativ bald unterbrochen. Studien (vgl. u.a. Bechmann 2014: 148, Lahmann/Dinkel 2014: 12) zeigen, dass sie im Schnitt meist nur über 18 Sekunden freier Redezeit verfügen, bevor die ÄrztInnen das Wort ergreifen. In der dritten Phase des medizinischen Gesprächs folgt die körperliche Untersuchung anhand dieser Schritte: „Betrachtung des Patienten, Abtasten, Abklopfen oder Abhören von Körperpartien“ (Spranz-Fogasy/Becker 2015: 104). In dieser Phase verwenden ÄrztInnen zumeist Imperativsätze, mit denen die PatientInnen zur Ausführung bestimmter Handlungen aufgefordert werden (vgl. Crezee 2013: 48). Im Rahmen von Routine-Check-ups können nun einzelne Sub-Untersuchungen stattfinden: die Messung von Blut- und Pulswerten, die Auskultation, die Perkussion und die Palpation. Die körperliche Untersuchung stellt eine intime Phase dar, bei der die Diskretion aller Beteiligten wichtig ist. Die ÄrztInnen zeigen sich einfühlsam und führen möglicherweise ein zur Ablenkung dienendes Gespräch, um die Untersuchung angenehmer zu gestalten (vgl. Bechmann 2014: 200). In der vierten Phase erfolgen die Befunderklärung und Planung, in der im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung eine Wissensvermittlung unter Einbeziehung der PatientInnen vorgesehen ist (vgl. Bechmann 2014: 2004). Da Befunde so aufbereitet werden sollen, dass die PatientInnen die Ursachen und Folgen der Krankheit verstehen, wird oft auf unterstützende Medien zurückgegriffen, die den PatientInnen die Situation leichter verständlich machen. Die Informationen sind im Vergleich zu anderen Phasen reduziert, häufig gibt es aber Verständnisfragen seitens der Behandelnden, anhand derer überprüft wird, ob die PatientInnen

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