Dolmetschen im Medizintourismus. Katia Iacono

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Dolmetschen im Medizintourismus - Katia Iacono Translationswissenschaft

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auf Dritte, indirekte Ich-Fragen und Pausen beinhalten (vgl. Bechmann 2014: 205). Die Interaktion endet mit dem Gesprächsabschluss, bei dem eine für den institutionellen Kontext angemessene Verabschiedung erfolgt und eventuell die Therapieschritte oder die nächsten Schritte nochmals kurz zusammengefasst werden. Beim Gesprächsabschluss werden PatientInnenentscheidungen verbal bestärkt und möglicherweise schriftliche Therapieziele ausgehändigt, damit die PatientInnen diese später noch einmal nachschlagen können.

      2.1.3 Gesprächsformen und Textsorten der medizinischen Kommunikation

      Während ihrer Tätigkeit im Rahmen der dolmetschvermittelten medizinischen Kommunikation werden DolmetscherInnen mit verschiedenen Gesprächsformen und Textsorten konfrontiert, welche in den meisten Fällen der externen Fachkommunikation – der Kommunikation zwischen Fachpersonen und PatientInnen – zuzuschreiben sind (vgl. Bechmann 2014: 170ff., Weinreich 2015). Zu den mündlichen Textsorten gehören alle Gesprächsformen des ÄrztInnen-PatientInnen-Gesprächs (vgl. Weinreich 2015: 394) wie folgt:1

       das Anamnese- und Erstgespräch

       das Aufklärungsgespräch

       das Beratungsgespräch

       das Überbringen schlechter Nachrichten

       das Nachfolge- oder Kontrollgespräch

       das Aufnahme-, Visite- und Entlassungsgespräch

      Das Anamnesegespräch stellt in der Regel das Erstgespräch zwischen ÄrztInnen und PatientInnen dar und dient der Erhebung der wichtigsten Daten zur Krankengeschichte sowie zur sozialen Situation der PatientInnen (vgl. Bührig/Meyer 2015: 305). Im Anamnesegespräch wird in der Regel dem Grund für den ärztlichen Besuch nachgegangen (vgl. Crezee 2013: 44ff.).2 In der Anamnese kommt häufig eine sogenannte unidirektionale „Fragebatterie“ (Bührig/Meyer 2015: 306) zum Einsatz: Hierbei formulieren ÄrztInnen ihre Fragen nicht zufällig, sondern sie lenken durch diesen Fragekomplex das Gespräch in eine Richtung, die ihnen ermöglicht, die gewünschten Informationen vonseiten der PatientInnen zu erhalten.3 Durch diese Fragen sollen die Symptome ermittelt werden (vgl. Crezee 2013: 45). Der Präsentationsstil der PatientInnen während ihres Beschwerdevortrages im Anamnesegespräch (vgl. Spranz-Fogasy/Becker 2015) kann aufgrund von Sprach- und Kulturbarrieren die Normalitätserwartungen (vgl. Knapp 1999: 13) der ÄrztInnen enttäuschen. Genauso könnte das systematische Vorgehen der deutschsprachigen ÄrztInnen den Normalitätserwartungen mancher PatientInnen aus anderen Herkunftsländern nicht gerecht werden, da diese auf eine Gesprächseröffnung mittels Small Talk eingestellt sind (vgl. Bührig/Meyer 2015: 305). In die Beschwerdeschilderung fließen das Alltagswissen zu Körper, Krankheit und Gesundheit sowie das semiprofessionelle Wissen der PatientInnen (vor allem im Fall von chronischen Erkrankungen) ein (vgl. Spranz-Fogasy/Becker 2015: 96).

      Im Aufklärungsgespräch werden auf Basis der bereits erhobenen Befunde Therapievorschläge gemacht (vgl. Bechmann 2014: 172).4 Diese Gesprächsform ist aus rechtlichen Gründen sehr wichtig, da ÄrztInnen eine Aufklärungspflicht zu Risiken, Heilungschancen und Alternativen obliegt (vgl. auch 1.7). In der deutschen und österreichischen Rechtsprechung wird auf die Notwendigkeit einer „sprachkundigen Person“ (Bührig/Meyer 2015: 307) im Rahmen medizinischer Gespräche – ohne weiter auf diese Person einzugehen – hingewiesen. Nach dem Therapievorschlag werden Risiken und Komplikationen der Therapie erläutert, auf deren Basis die PatientInnen zu entscheiden haben, ob sie die Einverständniserklärung zu einer weiterführenden Therapie unterzeichnen. In dieser Situation ist die Beiziehung ausgebildeter DolmetscherInnen im Sinne der ärztlichen Haftung und der Zufriedenheit sowie des Schutzes der PatientInnen essenziell. Diese Gesprächsform ist geprägt von der Kommunikation über die Risiken der Behandlung. Wie Bührig (2001: 115) und Meyer (2005: 1605) aufzeigen, greifen ÄrztInnen auf bestimmte sprachliche Mittel zurück, die ihnen ermöglichen, Risiken zu thematisieren. So verwenden sie auf Deutsch das Verb „müssen“, um ein neues schwieriges Thema zur Sprache zu bringen: „Ich muss Ihnen sagen“ (Meyer 2005: 1605); das Verb „können“, um mögliche Komplikationen zu beschreiben, zu nennen oder zu erklären: „Sie können eine Lungenentzündung bekommen“ (Meyer 2005: 1605); Temporaladverbien wie „häufig“ oder „normalerweise“, um die Frequenz und die Ernsthaftigkeit zu bestimmen: „Das passiert nicht sehr häufig“ (Meyer 2005: 1605). Hinsichtlich der Dolmetschung ist diese Gesprächsform von fachkommunikativen und terminologischen Herausforderungen geprägt (vgl. Bührig/Meyer 2015: 307). Eine weitere Form des Aufklärungsgesprächs bildet das Gespräch zwischen PatientInnen und AnästhesistInnen (vgl. Klüber 2015). Das aus institutionellen und rechtlichen Gründen stark standardisierte Gespräch (vgl. Klüber 2015: 222) ist für die Wahl der richtigen Narkose entscheidend und dient dazu, vor der Verabreichung die Einverständniserklärung der PatientInnen zu erlangen. Auch in dieser Gesprächsform ist die Einwilligung aus rechtlichen Gründen relevant. Das Gespräch wird um einen standardisierten Fragebogen ergänzt, der entweder vor der Interaktion von den PatientInnen oder während der Interaktion von den ÄrztInnen ausgefüllt wird. Falls die PatientInnen den Fragebogen ausfüllen, helfen ihnen die DolmetscherInnen, indem sie den Inhalt vom Blatt dolmetschen.

      Das Beratungsgespräch ist meist ein zeitaufwändiger, gleichberechtigter Dialog (vgl. Bechmann 2014: 172), der dem Erstgespräch entsprechen kann. Bei dieser Gesprächsform agieren die ÄrztInnen im Sinne des partizipativen Modells und nehmen hauptsächlich eine beratende Rolle ein. Schließlich geht es darum, Wissenslücken durch die aktive Miteinbeziehung der PatientInnen zu füllen (vgl. Bührig/Meyer 2015: 309).

      Das Überbringen schlechter Nachrichten – in der medizinischen Literatur auch als bad news delivery bezeichnet – ist eine Gesprächsform, die durch einen hohen Grad an Emotionalität geprägt ist (vgl. Bührig/Meyer 2015: 308). Während des Überbringens schlechter Nachrichten können kulturell unterschiedliche Vortragsarten (vgl. Bührig/Meyer 2015: 308, Spranz-Fogasy/Becker 2015: 109) zu unerfüllten Normalitätserwartungen führen. Für ÄrztInnen stellt das Überbringen schlechter Nachrichten eine komplexe Gesprächsform dar: Die Mitteilung beginnt mit der Rekapitulation der vorigen Untersuchungen, damit die PatientInnen den Zusammenhang verstehen können: „Bad news werden also nicht expressis verbis mitgeteilt, sondern vor allem über eine stockende Formulierungsweise mit Zögern, Heckenausdrücken oder Pausen vermittelt“ (Spranz-Fogasy/Becker 2015: 109, Hervorhebungen nicht im Original). Darüber hinaus belegen diskursanalytische Untersuchungen von dolmetschvermittelten Interaktionen, dass DolmetscherInnen schlechte Nachrichten nicht immer konsequent dolmetschen.5 So weisen Butow et al. (2013: 251) in ihrer Studie darauf hin, dass schlechte Nachrichten von den DolmetscherInnen häufig getilgt oder abgeschwächt werden.

      Das Kontroll- und das Folgegespräch sind in der Regel kurze Gespräche, in denen die ÄrztInnen mit kurzen und prägnanten Fragen den aktuellen gesundheitlichen Zustand der PatientInnen eruieren (vgl. Menz 2015: 77). Zu Konflikten kann es kommen, wenn sich die Gesprächsbeteiligten unterschiedliche Zeitrahmen für das Gespräch erwarten; von ÄrztInnenseite wird bei einem Kontrollgespräch meist von einer kurzen Unterredung ausgegangen.

      Aufnahme-, Visite- und Entlassungsgespräche werden in der dolmetschwissenschaftlichen Literatur nur am Rande erwähnt.6 Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass diese seltener von ausgebildeten DolmetscherInnen verdolmetscht werden. Alle drei Gesprächsformen finden in der Regel innerhalb der Institution Krankenhaus statt,7 sind besonders stark institutionalisiert (vgl. Bechmann 2014: 172ff.) und haben vor allem bei geplanten stationären und ambulanten chirurgischen Eingriffen eine hohe Bedeutung. Im Fall von geplanten Behandlungen erfolgt das Aufnahmegespräch zu den vereinbarten Zeiten und ist für alle Beteiligten – inklusive DolmetscherInnen – mit weniger Stress verbunden als bei Notaufnahmen (vgl. Crezee 2013: 65). Im Aufnahmegespräch sollen die relevanten persönlichen, medizinischen und sozialen Informationen der PatientInnen erhoben werden: Es handelt sich hierbei um eine geplante, zielgerichtete Informationssammlung, bei der die PatientInnen

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