Dolmetschen im Medizintourismus. Katia Iacono

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Dolmetschen im Medizintourismus - Katia Iacono Translationswissenschaft

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höher als im Rahmen einer geplanten Behandlungsreise (vgl. Reisewitz 2015: 31ff.). Um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Aufklärungsfehlern zu reduzieren, muss gewährleistet sein, dass PatientInnen die Aufklärung zur Gänze verstehen. Dies kann in vielen Fällen nur durch die Beauftragung einer/eines DolmetscherIn erreicht werden.

      Eine weitere Gefahr stellen Behandlungsfehler dar. Ein Behandlungsfehler tritt auf, wenn nicht der gesamte „Behandlungsvorgang, dem auf die konkrete Maßnahme anzuwendenden fachlichen Standard genügt“ (Reisewitz 2015: 33). Als Behandlungsfehler werden nicht nur Fehler bei operativen Eingriffen, sondern auch falsche Maßnahmen und Entscheidungen seitens der/des ÄrztIn im Laufe der gesamten Behandlung – von der Anamnese über die Therapie und Prophylaxe bis zur Nachsorge – bezeichnet; dies schließt auch Fehler in der Koordinierung oder in der Befunderstellung ein (vgl. Reisewitz 2015: 33). Bei Eingriffen im Rahmen des Medizintourismus ist eine Berufung auf den minderwertigeren Standard der Behandlung am Behandlungsort nicht ausreichend. Ein Behandlungsfehler „liegt vielmehr erst vor, wenn die tatsächlich erbrachte medizinische Leistung hinter dem nach dem anzuwendenden Recht maßgebenden Standard zurückbleibt“ (Reisewitz 2015: 33ff.). Falls die Betroffenen sich noch auf keinen Behandlungsstandard berufen können, werden die Ergebnisse der Grundlagenforschung sowie der angewandten Forschung und die ärztliche Erfahrung herangezogen (vgl. Tanczos/Tanczos 2010: 61ff.). Im österreichischen Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte wird Folgendes festgehalten: Eine/ein ÄrztIn „begeht einen Behandlungsfehler – der aber noch nicht zu einem Schaden des Patienten führen muss –, wenn er gegen anerkannte Regeln der medizinischen Wissenschaft (§49 Abs. 1 ÄrzteG) und der ‚ärztlichen Kunst‘ verstößt“ (Tanczos/Tanczos 2010: 61ff.). Lassen sich PatientInnen in einem Krankenhaus behandeln, ergeben sich sowohl für die Einrichtung als auch für die behandelnden ÄrztInnen Pflichten. Die PatientInnen schließen im Vorfeld mit dem Krankenhaus einen Behandlungsvertrag ab, in dem der Umfang der medizinischen Leistung festgehalten ist. Für den Behandlungsfehler haften nicht nur ÄrztInnen, sondern auch das gesamte während der Behandlung tätige medizinische Personal sowie die PatientInnen, die zur Bezahlung der Leistung und Mitarbeit im Sinne eines Behandlungserfolgs verpflichtet sind (vgl. Proissl 2014, Abs. 6). Bei Behandlungsfehlern liegt die Besonderheit des Medizintourismus darin, dass die internationale Zuständigkeit des Gerichts im Falle einer Klage der PatientInnen gegen die ÄrztInnen oder das Krankenhaus nicht immer klar ist (vgl. Reisewitz 2015: 39ff.). So wurden im Fall des von Spickhoff (2010: 60) erwähnten Distanzdelikts einem deutschen Bürger, der sich einer medizinischen Behandlung in der Schweiz unterzogen hatte, von einem Arzt Medikamente verschrieben, ohne dass dieser ausreichend über diese aufgeklärt worden war. Als es zu starken Nebenwirkungen kam, reichte der Patient eine Klage gegen den Arzt vor deutschen Gerichten ein. Das Oberlandesgericht in Karlsruhe und der Bundesgerichtshof „bejahten die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte unter dem Aspekt der Tatortzuständigkeit“ (Spickhoff 2010: 60). Der Erfolgsort in der Schweiz galt demnach als Tatort, da der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dort erfolgt war.

      Missverständnisse, die sich in der Kommunikation mit den ausländischen PatientInnen ergeben, können rechtliche und medizinische Folgen haben. Wenn Basisdiagnose und Dokumentation der Krankengeschichte im Herkunftsland in einer anderen Sprache erstellt werden, besteht immer die Gefahr, dass diese z.B. während der Kontaktaufnahme mit dem medizinischen Personal im Ausland missverstanden werden (vgl. Reisewitz 2015: 28). Darüber hinaus nehmen PatientInnen nicht immer ihre gesamte Dokumentation auf die Reise mit, was sich aber in solch einem Fall als problematisch erweisen kann, da dem medizinischen Personal ein umfassender Überblick über die Krankengeschichte der PatientInnen fehlt (vgl. Reisewitz 2015: 28). In diesem Fall wird es schwierig, etwaige gesundheitliche Risiken der PatientInnen zu berücksichtigen und diese entsprechend in die Behandlung einzuplanen. Auch bezüglich der Nachsorge zu Hause oder im Fall eines enttäuschenden Verlaufs oder Misserfolges der Behandlung müssen medizintouristische PatientInnen und VertreterInnen der medizinischen Institution in der Lage sein, miteinander missverständnisfrei zu kommunizieren (vgl. Illing 2009: 98).

      1.8 Ethik und Medizintourismus

      In Zusammenhang mit dem Medizintourismus rücken auch ethische Fragen insbesondere aus den Bereichen der Sozialethik, der Umweltethik sowie der Medizinethik ins Blickfeld (vgl. Cassens 2013). In der Sozialethik stellt der Zugang zu medizinischer Versorgung ein wichtiges Thema dar. Aus deontologischer Sicht scheint es richtig zu sein, dass die nationalen Gesundheitssysteme sich vorwiegend auf die Versorgung der im Inland ansässigen PatientInnen konzentrieren und sozioökonomische Faktoren der PatientInnen keinen Einfluss auf die Qualität der Behandlung und den Zugang zur Behandlung haben sollen. Das steigende Lebensdurchschnittsalter und die Vorbeugung chronischer oder irreversibler Krankheiten verlangen auch aus utilitaristischer Sicht eine Schwerpunktsetzung auf die im Inland ansässigen PatientInnen (vgl. Cassens 2013: 131). Für die Umweltethik sollten wiederum negative Auswirkungen auf die Umwelt – insbesondere im Rahmen des kostenorientierten Medizintourismus –nicht außer Acht gelassen werden. So kann laut Cassens (2013: 58) der von PatientInnen produzierte infektiöse Müll nicht überall auf der Welt unter Erfüllung zentraleuropäischer Standards entsorgt werden. Im Bereich der Medizinethik gelten die ärztlichen Pflichten, die nicht nur rechtlicher Natur sind, sondern auch in den jeweiligen nationalen Berufsordnungen festgelegt sind:

      Ärztinnen und Ärzte üben ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Sie dürfen keine Grundsätze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit ihren Aufgaben nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können. (Deutscher Ärztetag 2015: 2)

      Auch der Einsatz etwaiger Werbemaßnahmen (beispielsweise für den Medizintourismus) unterliegt einer strengen Regulierung: „Berufswidrige Werbung ist ÄrztInnen untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung“ (Deutscher Ärztetag 2015: 8).

      Eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den ethischen Aspekten im Medizintourismus bedarf des Weiteren einer Diskussion zur Angemessenheit der Bezeichnung Medizintourismus. Wie bereits unter 1.1 thematisiert, lehnen einige insbesondere aus dem medizinischen Bereich stammende ForscherInnen (vgl. Connell 2015) bewusst die Verwendung des Terminus Medizintourismus ab, da für sie eine gewisse Komponente des Genusses und der Entspannung vorhanden sein soll, damit von Tourismus überhaupt die Rede sein kann. Viele PatientInnen reisen aufgrund ihrer Verzweiflung „with no thought of tourism in mind“:

      These and many similar movements are local and regional, centred on needs rather than wants, of the relatively poor, desperate and frustrated, with family support and loans, and through word of mouth rather than internet connections. These movements have nothing to do with tourism. (Connell 2015: 399)

      Die VertreterInnen dieser Position argumentieren, dass Forschende und PraktikerInnen im Bereich Tourismus das Phänomen fast ausschließlich als Marktentwicklung behandeln. Aus diesem Grund werde vorwiegend die Analyse des Angebots, des Vertriebs und der Zielgruppe bevorzugt, während eine Auseinandersetzung mit den daraus resultierenden Implikationen für die nationalen Gesundheitssysteme und deren BürgerInnen vernachlässigt werde. Kirsch (2017: 27) verweist in diesem Zusammenhang allerdings auch auf positive Beispiele wie jenes von Kuba, wo die Gewinne aus dem Medizintourismus in das öffentliche Gesundheitswesen investiert werden.1 Auch das Interesse der Forschenden aus dem medizinischen Bereich liege vielmehr auf der Qualität der Behandlung und auf ethischen Fragen (vgl. Kirsch 2017: 27) und weniger auf der Erarbeitung einer medizintouristischen Strategie. Als häufiger Vorwurf ist zu vernehmen, dass Medizintourismus die Entstehung einer Zwei-Klassen-Medizin fördere (vgl. Connell 2015). Manche KritikerInnen des Terminus Medizintourismus (vgl. u.a. Connell 2011 sowie 2015, Mainil 2012, Botterill et al. 2013) befürchten, dass sich nationale Gesundheitssysteme in Zukunft stärker auf ausländische TouristInnen konzentrieren, da diese eine lukrative Einnahmequelle darstellen. Auch ÄrztInnen könnten zunehmend versuchen, sich aufgrund der besseren Verdienstchancen in diesem hochpreisigen Marktsegment zu positionieren. Connell (2015: 400) vertritt die Meinung, dass im Rahmen der allgemeinen

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