Die Lady und der Admiral. Hans Leip

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Die Lady und der Admiral - Hans Leip

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Wir werden dem Verlangen Russlands nachgeben und ihn dem Zaren ausliefern, mit einem kleinen Hinweis auf den Anreger.

      Das brachte den Kapitänleutnant in russischen Diensten Capaci in Zwiespalt. Mit Petersburg war nicht zu spassen. Er schwieg und ging. Setzte aber den Kurs ein wenig querer gegen die See, so dass alle es spürten und des Jammerns und Stöhnens kein Ende war. Und auch dem Äffchen, dem Papagei und dem Hündchen ging es nicht gut; denn niemand dachte daran, sie zu füttern.

      Freunde.

      Mit Nelson im selben Verschlag lag Sir William; den überkam ein altes Gallenfieber, und die Ärzte, die Bootsmann Brace im wahrsten Sinne an den Haaren herbeizog, gaben alle Hoffnung auf. Und wieder erschien Capaci wie ein böser Geist und gemahnte Sir William an die Brüderlichkeit aller Wissenschaft, und wenn ein gewisser Hamilton über die Vesuvausbrüche und über die Entdeckungen zu Pompeji geschrieben habe, so habe ein ebenso gewisser Dolomieu über die kalabrischen Erdbeben und über die Arten der Gesteine geschrieben, und Sir William wie auch Lord Nelson sollten ihm versprechen, darauf hinzuwirken, dass der Mann freikomme und nicht wie Caracciolo unschuldig verrecken müsse.

      Sir William lag, da eine hinreichende Hängematte nicht aufzutreiben ging, mit hochgezogenen Knien in einer Art Bett, das genau so wenig für seine Länge berechnet war. Gaetano hatte es kurzerhand aus Nelsons Sarg zurechtgemacht. Und Nelson erspähte es in seinem Leiden und sagte auf englisch durch das Gewinsel des Schiffes: „Alter Junge, am Ende dieser Fahrt werden wir mager genug sein, gemeinsam Platz zu haben in meiner Totenkiste. Versprechen wir diesem räudigen Zuchthäusler was er will. Wir sterben für Gott, König und Vaterland.“

      „Und für unsre Lady!“ fügte der alte Kavalier hinzu: „Gut, wenn wir leben bleiben, soll das unser Dank sein!“ wandte er auf italienisch die schweren Lider an den verflucht jungen und munteren Capaci, der darauf wie ein Gespenst verschwand und die Vision einer gewissen Ausgrabung hinterliess, und jene Worte, die Sir William aufgeschrieben hatte, hingen deutlich in der dicken Luft: Auf der Strasse, gleich vor dem Tore der Villa kam ich eben dazu, als man ein Gerippe ausgrub. Auf mein Ersuchen, dass die Arbeiter den Hirnschädel und die Gebeine ganz sachte wegnehmen möchten, ward ich in der unten liegenden Masse recht deutlich der vollkommenen Abbildung aller Gesichtszüge dieser Person gewahr und sah, dass die Augen geschlossen gewesen waren.

      Und er bedauerte, nicht unter einem Aschenregen zu sterben. Aber weniger schön war, dass der Abdruck der Gesichtszüge dem Kopfe Caracciolos zu gleichen begann, wie er über dem Wasser aufgerichtet seegrasbärtig daherschwamm und den Stumpf einer von Fischen angefressenen Zunge gegen ihn ausstreckte. Womit gesagt werden soll, wie das Empfinden zweier Freunde zusammenhängen kann.

      Nelson seufzte hohl auf. Da lächelte Sir William mühsam in seinem Fieber und sagte in Abständen: Alter Seiler. Wir haben manches gemeinsam. Die Liebe, die Sünden, die Visionen und den Sarg. Aber für den König zu sterben, das überleg dir. Georg III., der unsre Abberufung zuliess, ist ein leeres Schwein und sein Sohn auch.

      Bootsmann Brace, aufrecht und treu, wischte ihm mit einer Hand den kalten Schweiss von der greisen Stirn, mit der andern aber stoppte er den schaurigen Schwung, in den die Hängematte seines Admirals geraten war.

      Und die Hamilton?

      Lady Hamilton vernahm einiges von den teuern Gesprächen, sie lag nebenan und sagte manches dazwischen, was keiner im Lärm auffasste, hörte auch den Arzt, schrie, flehte, aber sie war nicht fähig aufzustehen. Sie wimmerte den Namen der beiden Männer, die sie liebte; sie weinte, da sie fürchtete, beide zu verlieren, redete sich gut zu, hörte durch das Deck, wie die Königin nach ihr rief; und schwieg. Alles lag hier dicht an dicht, nichts blieb verborgen. Es war entsetzlich, schamlos, gemein, und ging doch unter im Getöse. Sie fluchte mit männlichem Organ auf die Russen, ein verzweifeltes höllisches Echo stimmte ein. Sie versank in sich, fühlte an sich umher, dachte an Romney, der sie so oft gemalt, als sie noch jung und dumm und schlank gewesen war, auch an Reynolds, Tischbein, Rehberg, Angelika Kauffmann. Ihre Schönheit würde der Nachwelt nicht verloren gehen.

      Zu ihren Füssen hockte Fatima, die kleine Mohrin, in sich gekrümmt, verhüllten Hauptes, zuckend unter den Schwingungen des Schiffes, doch ohne Laut. Sie stiess mit den Zehen nach ihr: „Fatme! Wasser! Zitronen!“ Fatme kroch davon, kam wieder. Nichts. Es gab nichts auf diesem Schiff.

      Die Hamilton biss die Zähne zusammen, presste den Nacken steif gegen eine gerollte Wagendecke, die das Kopfkissen ersetzen musste. Sie dämpfte ihre Übelkeit. Erbrechen würde ihr schaden. Sie war leer bis zur Galle. Ruhe! Schlaf, Kindchen schlaf! Die Nacht ihres Geburtstages im vergangenen April flog hin und her über ihre Seele. Damals schwebten sie zwischen Malta und Palermo, nicht weniger stürmisch, aber in einem schöneren Boot, in Nelsons Flaggschiff. Und Nelson war gekommen, sie zu trösten. Der tolle Knabe Horatio.

      O toller Held, o Ruhm, o weite Welt! Sie war erfahren genug. Zweimal hatte sie ein Kindchen gehabt. Verdorben, gestorben. War es denn wahr? Niemand wusste es. Niemand? Ihre Mutter kaum. Und ihre Mutter schwieg. Wo war sie? Jetzt wäre es Zeit; ein bisschen mütterliche Redensarten, das wäre vielleicht angenehm. Nichts! Nichts auf diesem Schiffe. Nur sie. Auf sie kam es an. In ihr wuchs der neue Knabe Horatio, mit zwei Armen, zwei Augen, o toller Heldenheld! O über alle Welt, sternenhoch gestellt.

      Es schien ihr fast so gut wie Cornelia Knights Gedichte. Die treue, sture, keusche, angejahrte Musenbonne Ellis Cornelia Knight. Doch das Geburtstagsgedicht war wunderschön. Cheer up, Delia! Hiess es nicht: Delila? Oder Emma? Ah, Nacken steif! Emma Hart! Alias Lion! Alias Lady Hamilton! Alias Herzogin von Bronte? Elias, Prophet, sage mir ... So Allah will, kleine Fatuma! —

      So und ähnlich sprach Lady Hamilton sich Mut zu auf dieser ungemütlichen Fahrt.

      Triest in Sicht.

      Doch eines sinkenden Tages erscholl der Ruf: „Triest in Sicht!“

      Das brachte die meisten wieder auf die Beine. Und die österreichische Fregatte La Bellona begleitete die Russen in den Hafen, teils zur Ehre, teils aus Argwohn. Es war schon gegen acht Uhr abend, auf einem Freitag, die Offiziere der Hafenbatterien waren fast alle zum Flanieren, so dass kein Salut gefeuert werden konnte.

      Auf Nebengärten und Kirchenkuppeln tupfte ein letztes Abendrot, helle flache Häuser waren in Hügelrücken gespickt, es machte Appetit, es räucherte auch Duft von Olivenöl, Rosen und staubiger Erde.

      Hoch auf einem Schlossturme bergoben flatterte steif eine grosse Fahne. Durchs Glas erkannte man deutlich den doppelköpfigen Adler, das Wappentier des altehrwürdigen, jetzo ein bisschen ins Wackeln geratenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

      Man geht an Land.

      Lady Emma entzog sich der judashaften Umarmung der Königin, die als erste ausbootete, und sah nach ihren Koffern. Auf dem Kajütgang schrie sie Fatme an, die wie ein dunkler Schatten auf sie gewartet hatte: „Lavendel, rasch, mir wird wieder übel!“ Sie übergoss ihr zerknülltes Taschentuch. Ein reines war nicht mehr vorhanden, diese schreckliche Reise hatte keine Zeit zum Waschen gelassen.

      Fatmes grinsende Zähne tickten aufeinander. Die Hamilton fragte: „Fürchtest du dich vor England?“ Die Schwarze antwortete zitternd: „Ich haben gehört, dort immer kalt sein und Nacht“ ... Ihre Herrin nickte tragisch: „Das kann verdammt stimmen.“

      Sie liess sich das Diamanthalsband umlegen, das ihr die Königin noch in Livorno geschenkt und schlang den kostbarsten indischen Schal um, so schön und geschickt wie keine in Europa. Wenn denn Karolina allein und zuerst fahren musste,

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