Die Lady und der Admiral. Hans Leip
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„Warum denn nicht?“ lachte sie, nicht wenig erbaut über ihre anatomische Anregung.
„Und wir sollen wie eine Laus über diese Leber kriechen?“ seufzte Nelson schwermütig. Und nahm den Stift aus Lady Emmas Hand und zeichnete den Reisekurs mit dicken Strichen hinein: Palermo — Livorno — Florenz — Ancona — Triest — Wien — Prag — Dresden — Magdeburg — Hamburg —Cuxhaven — Yarmouth. Die ganze Linie sah aus wie ein melancholisches Profil, dem Nelsons nicht unähnlich, Palermo als Halstuchperle, Livorno als Gurgel, der Mund in Triest, die Nase in Wien, das Auge in Dresden, bei Hamburg lag die Sorgenfalte der Stirn und in Yarmouth der kitzlige Scheitelpunkt.
Sir William darf nicht sterben.
Und immer blies noch der Wind, zäh brausend, nach Langusten und Lemonen duftend, Wind der Adria. Grund genug, die festliche Illumination der Stadt hinauszuschieben. Man glaubte schon, dass man die Kosten sparen wolle oder könne. Die Königin war jedoch noch nicht fort. Sie lag zu Bett — Nachwirkungen der Reise — und war so krank fast wie Sir William. Doch eher als er erhob sie sich und ging zu der San-Pietro-Kirche, um Gott für mancherlei zu danken und zu bitten. Und wie das Volk so ist, wenn Höhere noch Höheren sich neigen, es jubelte begeistert.
Doch der Hamilton schlug das Gewissen. Wie sollte es sein, wenn ihr Gemahl schon auf der Reise starb? Mit Trauerkleidern macht man schlecht Empfänge, der Rausch des Ruhmes verhält sich vor den Witwen, Festen hat man fernzubleiben, essen darf man wenig, trinken nichts, Attitüden, Gesang sind unmöglich, die freimütige Begleitung, die Vertrautheit, das enge Seite an Seite mit Nelson müsste sofort gegen jeden Ton sein und vorbei: „Mein Gott, du darfst nicht sterben!“ weinte sie an Sir Williams Lager.
„Du meinst, noch nicht!“ meinte er müde, aber das alte gepfefferte Lächeln ringelte schon wieder in wenigstens einem seiner Mundwinkel. Und da er Nelson zur andern Seite seines Bettes erkannte, griff es auch auf die andere Gesichtshälfte über, und er sagte mit Anstrengung, da die beim Sprechen sich notwendigerweise stoppende Luft auf seine geschwollene Galle drückte: „Ich werde mich bemühen, Kindlein! Haben wir den guten Jungen Horatio nun schon aufs Land geführt, so wäre es gemein, ihm die Freude zu versalzen, wo er doch kein Salz liebt ausser in der See.“
„Nein!“ lächelte sie unter Tränen: „Eine Verführung in Trauerkleidern können wir ihm nicht zumuten!“
Aber Nelson mochte nicht auf den leichtfertigen Schwung eingehen, obwohl er ihre Gefasstheit bewunderte. Ihm war höllenschwer. Er hatte immerhin eine Frau in London. Und sein Entschluss, Lady Emma gleich nach dem Tode ihres Mannes als sein Eigentum zu erklären, stand fest bei ihm wie ein Bugsprit bei Windstärke eins, mochte die Welt knistern wie sie wollte.
Aber es war ihm auch honigklar, dass dies Unterfangen, verbunden mit der bevorstehenden Landreise, etwa so verzwickt sein würde, wie mit einem Krokodil über den Vesuv zu reiten.
In den Zeitungen stand, Freunde Dolomieus, voran der amerikanische Konsul in Messina, hätten durchgesetzt, dass der arme Gelehrte zukünftig als Kriegsgefangener behandelt, aber nicht nach Russland ausgeliefert werden solle. Das Schicksal kam ihnen entgegen. Man hatte schon ganz vergessen, was man einem gewissen Capaci auf dem Schiffe versprochen hatte.
Ob Lord Nelson wisse, fragte Messer: dass man in Hamburg-Altona heimlich französische Kaper ausgerüstet habe, um die Postschiffe Yarmouth–Cuxhaven abzufangen und den ganzen, seit vier Jahren so hübsch laufenden England-Hamburg-Dienst zu unterbinden?
Das wäre der Satan! Er hoffe allerdings, von Hamburg mit einer anständigen Fregatte abgeholt zu werden.
Immer noch riefen am Hafen halbnackte Jollenführer: „Due grossi per vedere le Fregatte moscovite!“ Riefen sie nicht auch seinen Namen? Nein, dem Himmel sei Dank, nicht in Verbindung mit dieser russischen Sechs-Kreuzer-Fregatten-Besichtigung. Und dennoch schade! Keinen Kreuzer für Nelson! Für den Abtrünnigen des Meeres, der an der Mole umherstand wie ein Hosenmatz mit blausilbernen Schiffsjungenträumen.
Weiss Sir William?
Und wieder bei Sir William am Krankenlager, wieder, wieder in ihrer Nähe, die alles in ihm besänftigte und neu anfeuerte.
„Lieber alter Haifisch!“ lächelte Nelson dem armen Gesandten a. D. zu: „Du musst es verstehen, ich habe meine Mutter früh verloren, kam aufs Schiff, zwölfjährig, ein ungelenkes Kind. Emely hat die mütterliche Hand für mich. Und dann, du hast doch wenigstens mal ne Tochter gehabt, das ist sie mir auch. Das musst du nun mal anerkennen, mein Junge!“
Sir William erkannte es an. Da war nichts anderes zu wollen: „Du könntest mein Sohn sein, und das tröstet mich, du nicht unberühmter Meertiger und Schwerenöter!“ sagte er und sass schon im Bett, und sein Lächeln war bald das alte: Jawohl, er habe eine Tochter gehabt in erster Ehe, sie sei tot, er würde einen freundlichen Ersatz gern begrüssen.
Und da glaubten die beiden schon zutiefst erschreckten Herzens, dass er ahne, wie es bestellt sei und ein Ersatz ob so oder so nicht gar so ewig fern. Doch als sie ihm vorsichtig auf seine alten Zähne fühlte, stellte sich heraus, dass er entweder ein dreimal durchgegorener Fuchs sei oder aber wirklich nur Lady Emma gemeint habe, die ja seit langem nicht anders wie eine Tochter mit ihm lebte. Und da sie hinter der Tür erwogen, es ihm nun zu sagen, da wuchsen riesengross die englischen Gebäude ritterlicher Ehrbegriffe und die Begriffe der Freundschaft, wie sie ungeschrieben stehen in den europäischen Büchern der Anständigkeit, und sie wussten, dass die Pforten seiner Seele fest in diesen Angeln hingen und dass es grausam sein würde, sie anzusägen, und dass er auch noch zu krank dafür sei.
Und sie atmeten noch ein wenig auf.
Mutter Cadogan jedoch sah ihrer Tochter bekümmert und ergeben nach und hatte längst gemerkt, wie Tag um Tag das lange Kleid ein wenig mehr die Fussspitze freiliess. Nie aber würde sie wagen, in Klarheit das zu denken, geschweige denn auszusprechen, was ihr kundiger Waschfrauenblick von einst durchschaute.
Die berühmte Billington.
Eines Tages tauchte die Billington in Triest auf, aber nicht als die gefeierte Sängerin, sondern um Sir William, den alten wackeren Mäzen, anzupumpen. Als sie hörte, er sei krank, weinte sie der Lady Emma ellenlange Tränen vor. Sie war teuer aufgedonnert, doch nicht ohne Spuren eines ungeordneten Haushaltes. Ihre Laufbahn war kaum weniger sonderbar als die der Hamilton gewesen. Ihr Vater war Sachse, Theaterhornist, ihre Mutter kleine Soubrette, ihr erster Mann Kontrabassgeiger. Sie war geboren in London-Soho, begann in Dublin mit 16 Jahren, verdiente mit achtzehn am Convent Garden zu London 1000 Pfund, musste neidischem Skandal weichen, kam über Deutschland nach Neapel, jung, schön, war bei den Hamiltons gut aufgehoben, hatte in San Carlo unerhörten Erfolg. Als sie den zweiten Abend gerade ins Theater fahren will, trifft ihren Mann, der zuvor zu fett mit dem Bischof von Winchester gespeist hatte, der Schlag. Die Trauerpause verbringt sie im munteren Neapel, tritt dann unerhört erfolgreich auf in Florenz, Venedig, Triest, Mailand. Hier verheiratet sie sich mit einem Franzosen. Es war kein Jahr her.
Sie war immer noch hübsch, aber auch schon reichlich rund, ein tröstlicher Anblick für die Hamilton, die sogleich ungeziert fragte: „Kriegen Sie ein Kind, Beste?“
Elisabeth Billington schluchzte verzweifelt auf: „Natürlich, aber ich will keins von diesem Idioten! Und ich will weg, und es verdirbt mir die Laufbahn, und ich habe doch noch einen Haufen vor, man reisst sich um mich in London“.
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