Aufbruch in die Dunkelheit. Mark Stichler

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Aufbruch in die Dunkelheit - Mark Stichler

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er aus dem Judenviertel herausgekommen ist und mit seiner Firma Erfolg hat, verdankt er nicht zuletzt uns.“

      „Hm“, machte Eduard und schmunzelte. „Mandelbaum wurde uns doch immer als leuchtendes Beispiel dargestellt, wie man es trotz widrigster Umstände aus eigener Kraft zu etwas bringen kann.“

      Escher warf ihm einen scharfen Blick zu.

      „Das ist unser Geschäft“, sagte er. „Tu nicht so, als ginge dich das nichts mehr an.“

      Eduard hob abwehrend die Hände.

      „Das ist doch jetzt Hans’ Sache“, meinte er. „Nicht wahr?“

      „Ich … denke doch“, erwiderte Hans und blickte seinen Vater an.

      „Noch führe ich das Geschäft“, sagte der Alte barsch und sah an Hans vorbei aus dem Fenster. „Und ich möchte Mandelbaum klarmachen, dass er unsere Verträge nicht so einfach aufkündigen kann.“

      „Mit Drohungen?“, fragte Eduard vorsichtig.

      Escher winkte ab.

      „Ich rede nur mit ihm. Aber das Büro des Bürgermeisters ist nicht der schlechteste Platz, um ein bisschen Respekt einzufordern.“ Er lächelte.

      „Die Mandelbaums sind unsere Freunde“, warf Hans ein.

      „Umso schlimmer“, meinte der Alte. „Da sollte man doch mit ein bisschen mehr Loyalität rechnen. Nicht?“

      Maria kam herein und schenkte allen Kaffee nach.

      „Danke“, sagte Eduard und stürzte ihn nach einem Blick auf die Uhr mit zwei, drei hastigen Schlucken hinunter. „Ich muss los.“ Er schien nicht gerade traurig darüber zu sein.

      Sein Vater warf ihm einen interessierten Blick zu.

      „Zur Baustelle?“, fragte er.

      Eduard nickte.

      „Wie geht es denn voran?“

      „Gut, denke ich.“ Eduard erhob sich und zuckte leichthin mit den Schultern. „Ich kann noch nichts Genaues sagen, aber wir können nach dem strengen Frost endlich weitermachen. Und Eis und Schnee scheinen die Gerüste und Verschalungen nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen zu haben. Ich denke, wir bleiben einigermaßen im Zeitrahmen. Aber es ist natürlich noch zu früh, um das mit Sicherheit sagen zu können.“

      Der Alte blickte ihn spöttisch an, verzog ansonsten aber keine Miene.

      „Wann könnt ihr das denn mit Sicherheit sagen?“, fragte er. „Das Gleiche erzählt mir dein Chef auch immer wieder.“

      Eduard seufzte.

      „Der Bau einer Brücke ist eine komplexe Sache“, erwiderte er mit einer gewissen Ungehaltenheit in der Stimme. „Man kann bei einer geplanten Bauzeit von vier Jahren nicht nach einem Jahr auf den Tag genau sagen, wann die Brücke fertig sein wird. Dafür hast du hoffentlich Verständnis.“

      „Natürlich“, sagte sein Vater nach einer kleinen Pause. „Natürlich. Du kannst mir heute Abend etwas darüber erzählen.“

      „Heute Abend?“ Eduard schüttelte den Kopf. „Da wollte ich eigentlich in den Club. Alle reden davon und ich war noch nie dort.“

      Hans hatte die ganze Zeit schon mit einer gewissen Angespanntheit dagesessen und dem Gespräch gelauscht. Jetzt zuckte er zusammen.

      „Du willst in den Nationalen Club? Ist das dein Ernst?“, rief er erstaunt.

      Eduard presste kurz die Lippen zusammen.

      „Was ist schon dagegen einzuwenden?“, fragte er ungehalten. „Es ist ein Club, nichts weiter.“

      „Ich finde es eine sehr gute Idee, sich das einmal anzusehen“, unterbrach der alte Escher. „Das heißt doch noch lange nicht, dass man mit Leuten wie diesem … Wie heißt der Journalist gleich noch, der dich so in Rage bringt?“ Er blickte Hans fragend an.

      „Maarsen“, sagte Hans leise und kniff die Augen zusammen. „Michael Maarsen.“

      „Genau.“ Sein Vater nickte. „Das heißt noch nicht, mit Leuten wie Maarsen auf einer Stufe zu verkehren.“

      „Aber er hat diesen Nationalen Club ins Leben gerufen!“, rief Hans aufgebracht.

      „Maarsen ist lediglich ein Bekannter meines Chefs“, erwiderte Eduard. „Es verkehren dort ganz normale Leute.“

      „Mehr als das“, ergänzte sein Vater. „Viele der Männer, die sich dort treffen, gehören zur guten Gesellschaft der Stadt. Was man von Ava und Simon Mandelbaum nicht unbedingt behaupten kann.“

      „Weil sie Juden sind?“, ereiferte sich Hans. „Seit die Brücke gebaut wird, treiben sich hier eine Menge zwielichtiger Gestalten herum. Aber es sind sicher nicht die Mandelbaums.“

      „Das sind Arbeiter“, erwiderte Eduard ruhig. „Und seid nicht Simon und du eifrige Verfechter der neuen Arbeiterbewegung? Von uns bekommen sie Arbeit. Es sind manchmal eben etwas derbere Gesellen. Aber eigentlich aufrechte und ehrliche Männer.“

      „Die meine ich nicht“, rief Hans und wurde rot. „Ich meine Typen wie Maarsen, die im Gefolge deines Chefs hier aufgetaucht sind und jetzt über ihre Pamphlete und diesen Club ihr obskures Gedankengut streuen.“

      „Es reicht jetzt, Hans“, sagte sein Vater streng. „Das geht zu weit. Nimm dich zusammen. Ich selbst habe mit Dr. Köhning wegen des Brückenbaus verhandelt, wie du weißt. Und er ist ein sehr kompetenter und ehrenwerter Mann. Und er ist außerdem ein guter Bauingenieur mit viel Erfahrung und hervorragenden Referenzen. Es gibt keinen Grund, ihn wegen der Mandelbaums zu beleidigen.“ Er atmete tief ein. „Ich bin mit dem alten Mandelbaum schon lange befreundet. Aber wie er sich zurzeit verhält, zeigt einmal mehr, dass man sich nicht immer auf ihn verlassen kann.“ Er fixierte Hans scharf. „Du kannst mir sagen, was du willst. Das trifft auf die meisten seines Schlags zu. Und trotzdem habe ich mich um sie gekümmert und immer versucht, Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber sie sind nicht wie wir. Und der Club hat damit rein gar nichts zu tun.“

      „Aber Maarsen verbreitet unsägliche Pamphlete, in denen es genau darum geht …“, rief Hans.

      „Genug“, sagte sein Vater und warf seine Serviette auf den Tisch. „Ich will nichts mehr davon hören. Ich bin sicher, der Club wird eine Bereicherung für das gesellschaftliche Leben Waldbrüggs sein.“ Er erhob sich abrupt. „Ich glaube, es ist besser, wenn auch wir jetzt an unsere Arbeit gehen.“

      Hans verkniff sich den Kommentar, den er auf den Lippen gehabt hatte und starrte mit rotem Kopf auf den Tisch. Einen Moment herrschte Stille im Raum.

      „Komm schon“, meinte Eduard irgendwann versöhnlich. „Ich will mir den Club nur einmal ansehen. Dr. Köhning hat mich eingeladen. Ich habe nicht vor, regelmäßig dort zu verkehren oder gar Mitglied zu werden. Und selbst wenn dort niemand unsere Ansichten teilt, lohnt es sich doch, ein Bild davon zu bekommen. Meinst du nicht?“

      Hans überlegte einen Moment.

      „Du hast sicher recht“, sagte er dann ruhig

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