Die poetische Sprache der Hypnose. Agnes Kaiser Rekkas

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Die poetische Sprache der Hypnose - Agnes Kaiser Rekkas Hypnose und Hypnotherapie

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machte ich mich auf den 3 Kilometer langen Fußmarsch zur Schule – genug Zeit, in der diese Suggestion ihre volle Wirkung entfalten konnte. Später machte ich daraus: »Sie dürfen alles denken, Sie dürfen aber auch alles Denken Ihrem Unbewussten überlassen.«

      So wurde Sprache mein Interessengebiet und Hypnosesprache meine Bestimmung. In Trance die richtigen Worte zu sprechen, vor allem aber zu hören, bekommt eine andere Dimension in Bezug auf Nähe, Dichte, Resonanz. Hierfür bedarf die Sprache der Klarheit und Ausdruckskraft, aber auch der Fantasie und Poesie, will heißen: expressionistisch-klarer, suggestiver Momente sowie romantischer, ja mystischer Akzente.

      Erst eine stimmige Komposition der Worte mit sinnlicher Nuancierung und vielfältigen offenen Angeboten verleiht Hypnosetexten ihre außergewöhnliche therapeutische Tiefenwirkung. Unbewusste kreative Prozesse kommen dabei wie von selbst ins Fließen. Denn ebenso wie wir die schöne Sprache in Literatur, Kunst, Theater oder Film schätzen, tun wir dies in der hypnotischen Trance. Ja, wir genießen die kunstvoll formulierte Hypnosesprache sogar noch intensiver, sind wir doch in einem veränderten Bewusstseinszustand und somit offen und zugänglich für eine ganz neue Art des inneren Erlebens und Empfindens.

       Zum Aufbau dieses Buches

      Die 95 poetischen Hypnoseanleitungen in Teil 3 sind Therapieanleitungen für den unmittelbaren Gebrauch in der Praxis. Zugleich dienen sie als Lehrtexte. Denn hier finden sich mit jeweils unterschiedlicher Zielsetzung alle vorher beschriebenen Merkmale wieder: pittoreske Titel, einprägsame Reime, gezielte Wiederholungen, überraschende Wortschöpfungen, Bildmalereien, Doppeldeutigkeiten, Anspielungen und Suggestionen, die wie Geschenke verpackt sind. Märchenhafte Szenen, »verträumte Fragen« und magische Momente werden ebenso beispielhaft gezeichnet wie die Choreografie auf der hypnotischen Bühne und die hochwirksame Abschlusssuggestion mit Depoteffekt durch eine nochmalige Prise Hypnopower.

      Der Schluss schließlich ermutigt mit praktischen Tipps zur Entwicklung und Gestaltung eigener Hypnosetexte.

      Es liegt in der Natur des Lernens mit Hypnoseliteratur, dass diese ohne unser Zutun einen leichten Trancezustand evoziert, in dem sich Inhalte unbewusst abspeichern. Und erstaunlicherweise tauchen diese automatisch genau dann wieder auf, wenn sie nützlich sein können. Lassen Sie sich überraschen!

       Agnes Kaiser Rekkas München, im April 2020

Teil 1: Poetik im hypnotischen Raum

       Die Kraft der poetischen Hypnose

      Sobald wir in positive, therapeutische Trance gehen, betreten wir einen fantastischen Ort, den »hypnotischen Raum«. Dieser ist energetisch hoch aufgeladen und voll ungeahnter Freiheiten. Typisch ist das sich schnell einstellende Gefühl von Wohlbehagen, Geborgenheit und Angenommensein. Kaum entkrampft und innerlich zurückgelehnt, verändern sich, durch stimmige Suggestionen angeregt, Perspektiven und innere Muster. Wahrnehmungen entzerren sich, und rigide Strukturen werden elastisch. Zeit kann sich be- oder entschleunigen, rückwärts- oder vorwärtslaufen, in die Vergangenheit springen, um Ressourcen aufzutanken, und ebenso in die Zukunft, um dieselben auf der inneren Bühne gleich mal auszuprobieren.

      Die Trancelogik (Orne 1959) lässt, vordergründig harmlos wirkend und klug zugleich, Widersprüchliches friedlich nebeneinander existieren, und das typische Wörtlichnehmen lässt den Hörenden wortwörtlich jedes Wort einzeln auskosten. Ja, die innere Welt gerät angenehm aus den Fugen, mit dem insgeheim verpackten Ziel eines besseren Konzepts unseres Selbst und unserer Möglichkeiten. Innere Bewertungen und Einschätzungen sowie die Beurteilung unserer Erfahrungen und Geschichte vermögen sich zum Positiven zu verändern, immer im Sinn von Befähigung, Entwicklung, Meisterung und Heilung. Empfindet sich jemand als nicht liebenswert, unattraktiv und lebensuntüchtig, vermag er im Raum der Hypnose innere Zustände auf neue Weise zu betrachten und seine Ressourcen zu erkennen. Dabei spielt die Erwartungshaltung – auch des Therapeuten – eine große Rolle:

      »Nun seien Sie einfach erwartungsvoll …

      und legen schon mal ein feines Lächeln über Ihr Gesicht …

      denn … Sie werden … wenn Sie denn mögen …

      bald in angenehme Hypnose sinken …«

      »… und legen schon mal ein feines Lächeln über Ihr Gesicht!« Ja, da steigt die freudige Erwartung an Hypnose und erhöht sich die Motivation, während im Moment schon eine Veränderung erlebt wird, nämlich ein Lächeln im Gesicht. Erfolgreicher als die neutrale Aufforderung »Entspannen Sie bitte Ihr Gesicht!« löst dieses heiteroffene Angebot ein spontanes Lächeln aus und glättet angestrengte Gesichtszüge, ohne diese zu erwähnen.

      Eine »Hypnosewunderpille« war der ausdrückliche Wunsch eines Herrn mit einem psychosomatischen Leiden. Und da nicht nur der Kunde König ist, sondern auch der Patient, erhielt er diese – selbstverständlich gleich in der ersten Sitzung. Die zugehörige Audioaufnahme diente ihm für die Selbsthypnose zu Hause. Und, kein Wunder, die »Hypnosewunderpille« wirkte:

      »Ihre erste Hypnose … Ihre Wunschhypnose … Ihre Wunderhypnose …

      Ihre, wie Sie es sich ausdrücklich wünschen, ›Hypnosewunderpille‹ wird womöglich anders sein, als Sie es sich ausmalen …

      denn Sie werden immer wissen, wo Sie sind …

      Sie werden immer hören, was ich zu Ihnen spreche …

      Sie werden sicher meinen, alles zu hören, und hören jedes Mal doch etwas anderes … … und … vielleicht … nach geraumer Zeit …

      hören Sie mir nur noch mit einem Ohr zu … oder schalten einfach ab … und sind an einem wunderschönen Ort …«

      (Die Hypnosewunderpille)

      Je höher die sprachliche Kompetenz – natürlich auf der Basis fachlichen Wissens um Psychodynamik, neuronale Plastizität und hypnotische Prinzipien –, umso leichter lässt sich in Trance ein Höchstmaß an Wirkung erzielen. Im besten Falle bietet der hypnotische Raum dem Eintretenden – unter sorgfältiger Führung des Therapeuten – eine ungeahnte Fülle an offenen Angeboten von Bildern und Gefühlen, Möglichkeiten und Handlungsstrategien.

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