Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11. Inger Gammelgaard Madsen
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„Anne!“, wies der Nachrichtenchef sie zurecht. „Jetzt sei mal nicht so kleinkariert. Du kriegst es doch wohl hin, mit den Hinterbliebenen zu sprechen, ohne einen Skandal zu verursachen, oder?“
Anne zuckte bloß die Schultern und starrte Jytte weiter an, die tat, als ob sie es nicht mitbekäme, und wie eine Verrückte auf ihren Notizblock schrieb.
„Wenn du mit den Eltern sprichst und später zusammen mit Flash an dem Gedenkgottesdienst teilnimmst, können Noa Marie und Ninna zu Martha Bæk nach Hause fahren. Von ihren Kindern und Enkeln will niemand ins Fernsehen. Sie sind viel zu schockiert. Es ist noch nicht lange her, dass sie ihren Vater und Opa verloren haben, daher sind sie schwer getroffen, aber wir brauchen trotzdem einen Beitrag über den Mord. Denk auch daran zu erwähnen, dass ihr Hund vor ihren Augen getötet wurde. Ihr könnt auch an die Stelle beim Norsminde Fjord fahren, wo es passiert ist. Das kriegt ihr allein hin, oder, Noa Marie?“
Die Journalistin nickte.
„Okay, dann mal los.“
Anne sah sich nach Flash um. Er hatte es nicht mehr zum Meeting geschafft, nachdem er mit einem der anderen Journalisten nach Aarhus West gefahren war, wo es wieder Unruhen gab, und keiner der anderen Kameraleute war frei. Sie begann zu fürchten, dass Flash von einem Querschläger getroffen wurde. Der Bandenkonflikt da draußen schwelte unter der Oberfläche.
Als sie sich auf ihren Stuhl setzte, sah sie ihn aus dem Aufzug aus der Tiefgarage kommen. Er begab sich an seinen Platz und war mit dem Computer beschäftigt.
„Hast du Zeit, Flash?“, fragte sie.
Er antwortete, ohne sie anzusehen. „Ich muss erst noch diese Aufnahmen sichten. Die Lage in Gellerup eskaliert, wenn nicht eingegriffen wird. Da geht es bald zu wie im Wilden Westen.“
Anne wartete geduldig.
Zehn Minuten später stand er auf und war startklar.
„Was liegt an?“ „Wir sollen nach Malling. Mit Iris Bøgh Lykkegaards Eltern sprechen. Sie wollen gerne bei einer Reportage heute Abend dabei sein, wo wir auch über die Gedenkfeier für ihre Tochter berichten. Da kommen wohl richtig viele Menschen zu einem Fackelumzug.“
„Okay.“ Flash hatte in einen Apfel gebissen und kaute, als ob er fast vor Hunger stürbe. Er nickte mit vollem Mund. „Ich habe keine anderen Verpflichtungen“, nuschelte er.
Die Dämmerung war angebrochen, als sie nach etwas mehr als einer halben Stunde in Malling ankamen. Die Straßenverhältnisse waren nicht die besten wegen des frisch gefallenen Schnees, der sich auf die vereisten Wege gelegt hatte, sodass Anne sich nicht traute, das Gaspedal ganz durchzutreten. Flash beschwerte sich über die Zustände in Aarhus West, wo weichliche Politiker und die Polizei seiner Meinung nach nicht genug taten.
„Die sind wie Strauße“, wiederholte er mehrmals. „Aber es bringt nichts, den Kopf in eine Schneewehe zu stecken und so zu tun, als gäbe es da draußen keine Probleme. Irgendwann müssen sie zugeben, dass dieses Aarhus-Modell fehlgeschlagen ist. Aber dann müssen die sich natürlich auch eingestehen, dass ihre ganzen Initiativen nicht funktionieren, obwohl sie Milliarden unserer Steuergelder darauf verwendet haben, die Gegend zu sanieren. Als ob das was bringen würde!“
„Ist es echt so schlimm, Flash? War das nicht mittlerweile eine etwas ruhigere Gegend geworden? Sind das nicht bloß …“
„Doch, es sind bloß rivalisierende Banden, die gegeneinander Krieg führen, um sich das Vorrecht für die Drogen in der Stadt zu erkämpfen. Und wer hat gesagt, dass das gut läuft? Die Politiker und die Führung der Polizei, stimmt’s? Frag mal die normalen Beamten, die sich bald nicht mehr trauen, dort Streife zu fahren, und die Anwohner, die Todesangst haben, und ich sage dir, dass es nur noch schlimmer wird, wenn es niemand stoppt!“
Sie erreichten das schicke Haus des Augenarztes im Egeskellet, einem attraktiven Villenviertel in Malling. Anne machte die Wagentür auf und stieg aus. In diesem Viertel waren einem die Bandenkriege in Aarhus West sicher egal. Ein eiskalter Wind öffnete ihren Mantel, sie zog ihn sofort dichter an sich und blinzelte im Wind zur Villa, die dunkel und trist in einem großen, schneebedeckten Garten lag, als ob auch sie trauerte. In mehreren der Nachbargärten hingen immer noch Lichterketten in den Bäumen. Viele entfernten sie nicht bis weit in den Februar hinein. Anne hatte selbst ein paar Nachbarn, die auf ihren Balkonen Weihnachten immer noch am Leben hielten. Familie Lykkegaard hatte sicher gar nicht gefeiert. Konnte man das, wenn die Tochter seit zwei Monaten verschwunden war?
Vor der Haustür brannten zwei schwache Lampen mit einem gelblichen Licht. Anne drückte die Klingel und hörte leise die klassische Westminster-Melodie drinnen im Haus. Kurz darauf wurde die Tür von einer Frau in einem eleganten schwarzen Strickkleid geöffnet. Die Frisur war kurz und modern, die Haare strohblond wie die der Tochter, aber das Lächeln war aufgesetzt, als sie sie hineinbat.
Sie stellte sich als Iris’ Mutter, Kaja Bøgh Lykkegaard, vor und ging mit ihnen ins Wohnzimmer, wo die Einrichtung für Annes Geschmack viel zu schwarz-weiß war. Da fehlte etwas. Wärme. Gemütlichkeit.
Anne kondolierte zu ihrem Verlust.
„Wir machen uns gerade für die Gedenkfeier in der Kirche fertig, aber das hier dauert ja sicher nicht so lange?“, schätzte Kaja Lykkegaard und sah Anne mit einer perfekt geformten hochgezogenen Augenbraue fragend an.
Ihr Mann stellte ein Whiskyglas auf einen niedrigen Tisch neben dem schwarzen Ohrensessel aus Leder, in dem er saß, und stand auf. Er war groß und ebenfalls elegant gekleidet mit einem dunklen Jackett, schwarzem Hemd und dunkler Hose. Sie waren beide angezogen als gingen sie zu dem richtigen Begräbnis. Aber die Leiche ihrer Tochter war längst noch nicht freigegeben. Die Rechtsmedizin würde Iris sicher noch lange behalten.
August reichte ihnen die Hand und erst jetzt bemerkte Anne den jungen Mann auf dem Sofa dahinter. Er ähnelte August in einer jüngeren Ausgabe. Er stand nicht auf, grüßte jedoch mit einem Nicken. Auch vor ihm stand ein leeres Glas auf dem Tisch.
„Unser Sohn, Jakob“, erklärte Kaja, als ob er nicht selbst sprechen könnte.
„Ja, es hat keinen von unsverwundert, dass Iris tot ist. Darauf haben wir uns schon seit Langem vorbereitet“, eröffnete August und lieferte damit eine Erklärung für Annes Verwunderung darüber, wie unbeteiligt sie alle waren.
August richtete den Hemdkragen vor der Kamera.
„Aber dass sie ermordet worden sein soll, ist sehr schwer zu akzeptieren. Das Schwein, das unserer Tochter das angetan hat, muss geschnappt und auf die härteste Weise bestraft werden, die es gibt! Heute bin ich für die Todesstrafe!“
„Sie kann nicht ertrunken sein. Sie war eine fantastische Schwimmerin und Apnoetauchen war ihr großes Hobby. Sie konnte unnatürlich lange die Luft anhalten“, sagte Kaja und zupfte mit ausdruckslosem Gesicht an ihrer Silberkette.
„Was soll ich in die Kamera sagen? Wir haben es ein bisschen eilig“, bemerkte August ungeduldig, und wie auf Kommando erhob Jakob sich vom Sofa und verließ das Wohnzimmer. Anne sah ihn im Flur seinen Mantel anziehen.
„Das, was Sie gerade gesagt haben, zum Beispiel. Dass der Täter geschnappt und bestraft werden muss. Und dann könnten Sie ja noch an den Fackelumzug und die Gedenkfeier