Franken Reiseführer Michael Müller Verlag. Ralf Nestmeyer
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An der Wende zum 18. Jahrhundert entwickelte sich Ansbach zu einer imposanten Residenzstadt. Doch der Glanz währte keine hundert Jahre: 1791 dankte Karl Alexander, der letzte Markgraf, ab und wanderte nach England aus. Seine Fürstentümer Ansbach und Bayreuth übernahm der preußische König gegen eine Leibrente. Die vierzehn preußischen Jahre hinterließen dank der fortschrittlichen Verwaltung Hardenbergs ein positives Echo. Napoleon schanzte Ansbach im Jahre 1806 den Bayern zu, die fast 500-jährige Hohenzollernzeit war dadurch endgültig beendet. Viel Lob erhielt die Stadt wenige Jahre zuvor von dem Schriftsteller Wilhelm Heinrich Wackenroder: „Ansbach an sich, die eigentliche Stadt nämlich, ist alt und winkelig, hat aber feste Häuser. Die großen Vorstädte aber haben schnurgerade, breite, wohlgepflasterte Straßen und zierliche weiße Häuser, die ein heitereres Aussehen geben als die besten Straßen in Bayreuth.“
Sehenswertes
Altstadt: Die eigenwilligen, fast strengen Fassaden des im Protestantismus wurzelnden markgräflichen Barocks haben die Straßen bis auf den heutigen Tag geprägt; zahlreiche mittelalterliche Fachwerkhäuser wurden im 18. Jahrhundert barockisiert. Aber auch andere Epochen haben in der verwinkelten Altstadt ihre Spuren hinterlassen, so bei der spätgotischen Johanniskirche mit ihren ungleichen Türmen und der Hofkanzlei im Stil der Spätrenaissance. Das Stadthaus am Johann-Sebastian-Bach-Platz lässt schön den Übergang von der Gotik zur Renaissance erkennen, während das Rathaus ein Beispiel für die gotisierende Renaissance darstellt. Das mittelalterliche Zentrum Ansbachs befand sich rund um den breiten Straßenmarkt zwischen St. Johannis und St. Gumbert; seit 1532 ist der Markt durch das Stadthaus in zwei Teile getrennt. Vor dem barocken Herrieder Tor entstand im 18. Jahrhundert ein neuer, nach geometrischen Richtlinien konzipierter Stadtteil, denn der Glanz des markgräflichen Hofes zog viele Adelige und einfache Leute an.
Das Herriedener Tor
Markgrafenschloss: Das Markgrafenschloss entstand in Nachfolge einer spätmittelalterlichen Wasserburg (die Gräben im Nord- und Südosten lassen den Vorgängerbau noch erahnen) und eines Renaissanceschlosses. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erteilte Markgraf Wilhelm Friedrich dem aus Wien kommenden Italiener Gabriel de Gabrieli den Auftrag zur Errichtung eines glanzvollen vierflügeligen Barockschlosses. Gabrieli gab dem Bauwerk durch die monumentale Schaufassade mit ihren 21 Fensterachsen ein bestechendes Äußeres, um das Repräsentationsbestreben des absolutistischen Markgrafen zu befriedigen. Nachdem Gabrieli vom Eichstätter Bischof abgeworben worden war, führten die ortsansässigen Gebrüder Zocha und der Italiener Leopoldo Retti das Bauvorhaben zu Ende. Retti und sein Künstlerstab schufen von 1735-1745 die (hervorragend erhaltenen) Innenräume, deren Stil den Begriff des „Ansbacher Rokokos“ geprägt hat. Fachleute bezeichnen sie als bedeutendstes Rokokointerieur Frankens. Insgesamt 27 dieser Prunkräume sind im Rahmen einer empfehlenswerten Führung zugänglich. Zu den Höhepunkten zählen der doppelgeschossige Festsaal mit einem Deckenfresko von Carlo Carlone, das virtuose Spiegelkabinett, das Marmorkabinett, der Kachelsaal mit seinen rund 2800 Fayenceplättchen aus der Ansbacher Fayencemanufaktur und das Audienzzimmer der Markgrafen mit dem Porzellanlüster, einem Geschenk Friedrichs des Großen. Während der Führung durch das Schloss sind mehr als 50 Gemälde aus dem 17. und 18. Jahrhundert zu bestaunen, darunter Werke von Rubens und van Dyck; sie stammen aus dem Besitz der Bayerischen Staatsgalerie. Die ebenfalls im Schloss untergebrachte Sammlung Adolf Bayer zeigt einen reichhaltigen Querschnitt von Erzeugnissen der Ansbacher Fayence- und Porzellanmanufakturen.
Die etwas ungewöhnliche und umstrittene Pferdeplastik vor dem Schloss trägt den Namen „Anscavallo“ und stammt von Jürgen Goertz, der in Nürnberg mit seinem modernen Dürerhasen ebenfalls Kritik erntete.
♦ Eine Besichtigung ist nur mit Führung möglich: im Sommer tgl. außer Mo von 9 bis 17 Uhr stündlich, im Winter von 10 bis 15 Uhr stündlich. Eintritt 5 €, erm. 4 €. Die gotische Halle mit Bayerischer Staatssammlung „Ansbacher Fayence und Porzellan“ ist Di-So 9-12 und 14-17 Uhr (Sommer) sowie 10-12 und 14-16 Uhr (Winter) geöffnet. Eintritt frei!
Sehenswert: Orangerie und Hofgarten
Orangerie und Hofgarten: Der ab 1723 von Karl Friedrich von Zocha angelegte barocke Hofgarten zeichnet sich durch seine eher ungewöhnliche Lage aus; er hat nämlich keinen direkten räumlichen Bezug zum markgräflichen Schloss. Zwanzig Jahre später war der Bau der Orangerie vollendet. Mit einer Länge von mehr als 100 Metern zählt sie zu den größten Gartenschlössern Frankens. Die Gartenfassade mit ihren 29 Achsen ist streng nach Süden ausgerichtet und mündet in eine breite, 250 Jahre alte und über 500 Meter lange Lindenallee. Am Rande des Parks erinnert eine neugotische, achteckige Sandsteinsäule an den geheimnisumwitterten Kaspar Hauser, der am 14. Dezember 1833 hier von einem Unbekannten niedergestochen wurde: „Hic occultus occulto occisus est“ (hier wurde ein Unbekannter unter geheimnisvollen Umständen ermordet). Die Orangerie wurde übrigens im April 1945 fast vollständig zerstört und bis 1950 wiederaufgebaut. Sie ist jedermann jederzeit zugänglich.
St. Gumbertus: Die charakteristische Dreiturmfassade der evangelischen Pfarrkirche gilt als Wahrzeichen Ansbachs; zwischen zwei zierlichen Türmen steht ein mächtiger Mittelturm. St. Gumbert ist zudem auch das älteste Baudenkmal der Stadt, da die unter dem Chor gelegene romanische Krypta noch aus dem 11. Jahrhundert stammt. Die vor der Krypta gelegene Markgrafengruft birgt 25 Sarkophage der 1975 von der Johanniskirche hierher verlegten Grablege der Ansbacher Markgrafen. Der große nüchterne Saalbau der Kirche ist wesentlich jüngeren Datums: er wurde 1736-38 von Leopoldo Retti geschaffen. Eindrucksvoll ist der einstige Ostchor mit der spätgotischen Schwanenritterkapelle. Zahlreiche Epitaphien und Totenschilde sowie der Ordensaltar erinnern an den Schwanenritterorden, einen adeligen Tugend- und Freundschaftsbund.
♦ Im Sommer sind Fürstengruft und Krypta Fr-So 15-17 Uhr, So auch von 11-12 Uhr geöffnet. Eintritt 1 €.
Unterhose mit Blutfleck
„Genforscher lüften ein Jahrhundertgeheimnis“ schlagzeilte der Spiegel und behauptete vollmundig, Kaspar Hauser sei kein unerwünschter Prinz aus dem Hause Baden-Zähringen. Der Spiegel stützte seine Behauptung auf die Untersuchungen zweier Genforscher, die die Blutflecken auf der im Markgrafenmuseum verwahrten Hose mit dem Blut von Angehörigen des Hauses Baden-Zähringen verglichen und festgestellt hatten, dass keine Verwandtschaftsverhältnisse bestehen. Richtig ist, dass die Gentests dies eindeutig bewiesen haben; allerdings ist nicht geklärt, ob die blutbefleckte Unterhose wirklich von Kaspar Hauser stammt. Da die Unterhose an verschiedenen Örtlichkeiten aufbewahrt worden war, bevor sie 1961 ins Markgrafenmuseum gelangte, könnte durchaus jemand seiner Phantasie freien Lauf gelassen und ein altes Kleidungsstück publikumsträchtig präpariert haben. Seltsamerweise wurde aus dem bis dato ungeöffneten Grab Kaspar Hausers keine DNA-Probe entnommen,