These Girls. Группа авторов

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die Kassette an Radio Fritz. Die meldeten sich Monate später, dass sie dafür leider keine Verwendung hatten, uns aber viel Erfolg für die Zukunft wünschten.

      Ich möchte nun im Nachhinein auf keinen Fall das patriarchale Musikbusiness für den ausbleibenden Erfolg des »Klo-Lieds« von toff verantwortlich machen. Doch weiß ich von jungen Mädchen, die tatsächlich was drauf hatten, aber nie in einen Proberaum mitgenommen wurden, weil die Boys nur die Boys fragten. Oder von jungen Mädchen, die ein Instrument lernten, aber nie auf einer Bühne landeten, weil ihnen keiner sagte, wie gut sie waren. Oder von jungen Mädchen, die sich einfach nicht trauten. »Ich hätte früher gern gewusst, dass es nicht daran lag, dass ich schüchtern war, sondern an strukturellen Problemen«, sagt Sängerin, Keyboarderin und Bassistin Julie Miess (Half Girl, Britta, Mutter) in einem Interview für dieses Buch über frühere Zweifel.

      Auch ich kann im Rückblick durchaus Strukturen erkennen, die mir als Teenagerin nicht bewusst waren. Da meine Karriere als Musikerin nicht erfolgversprechend schien – ein anderes Anzeichen dafür war, dass mein Chorleiter mich vor Auftritten bat, etwas leiser zu singen, später dann sogar, einfach nur so zu tun, als würde ich mitsingen –, begann ich mir Coolness durch Musikhören und Musikwissen zuzulegen. Ich hörte abends immer die Musikspezialsendungen im Radio, nahm alle Musikzeitschriften, die es umsonst gab, mit (vom Wom-Heft bis zur Intro), kaufte mir dazu regelmäßig den Musikexpress und später schummelten wir uns nicht volljährig regelmäßig in den Dolmen Club zur Indieparty. Doch, und das fiel mir damals überhaupt nicht auf, hörte ich kaum Musik von Frauen. Ich hörte alle coolen Britpopbands, ich hörte Punk, Indierock, ein bisschen HipHop. Ich wusste nichts von Riot Grrrls, ich kannte Tocotronic, Die Sterne, Tomte, aber nicht die Lassie Singers, Die Braut Haut ins Auge oder Parole Trixie. Gute Musik machten in meiner Welt die Jungs. Die Musikerinnen, die ich kannte, waren Nena, Tic Tac Toe und die Spice Girls – laut den Musikzeitschriften alle eher uncool. Bis ich Bandits sah und von einer Knastband-Karriere träumte (die glücklicherweise auch nie in Erfüllung ging) und bis dann endlich doch in irgendeiner Radiosendung mal Hole lief, ich mir Celebrity Skin kaufte und sofort liebte.

      So langsam öffnete sich also eine Welt, in der auch Frauen Musik machten. Le Tigre, Peaches, Chicks On Speed gingen nicht mehr an mir vorbei, dank ihnen hörte ich auch endlich von Riot Grrrl und holte sehr viel nach an Wissen über Musik. Bis heute. Selbst in diesem Buch tauchen Musikerinnen auf, die ich bislang nicht kannte oder von deren großen Werken ich noch nie etwas gehört habe. Dabei sind Information heute um einiges einfacher zu bekommen als damals. Wenn ich Hole bei Spotify eingebe, liefert mir der Streamingdienst gleich eine ganze Playlist voller Riot Grrrls mit. Das Internet ist voller Insider-Wissen, es liefert zu jeder coolen Band noch fünf andere und dazu die feministische Theorie, die dahinter steht. (Die Schattenseiten des Netzes – der ganze Hass, der Tod des Prints, die Selbstausbeutung – muss an anderer Stelle besprochen werden.) Auch in Gesellschaft und Kultur ist viel passiert, seitdem die Bandits 1997 auf großer Leinwand aus dem Knast ausbrachen. Frauen spielen auch in Blockbustern die Hauptrolle, die großen Popstars der letzten Jahre sind weiblich, Feminismus ist cool bei jungen Mädchen und viele Menschen wurden durch die mediale Aufmerksamkeit von MeToo tatsächlich sensibilisiert.

      Eine hoch erfreuliche Entwicklung, doch findet gleichzeitig ein Backlash statt, der sich in konservativen Leitartikeln zeigt oder in lauthals geäußerten Vergewaltigungsfantasien gegenüber fast jeder öffentlichen Frau im Internet und der bis zum US-Präsidenten, dem mächtigsten Mensch der Welt also, reicht. Wir müssen uns aber gar nicht in die Abgründe vulgärer rechter Politiker oder gestörter Hetzer begeben, sondern können den Blick auch in der liberalen Musikszene schweifen lassen. Auf vielen großen Festivalbühnen sind trotz jahrelanger Diskussionen um eine Frauenquote weibliche Acts so selten vertreten, dass sie fast übersehen werden. Musikerinnen, die auf Tour sind, haben immer noch mit alltäglicher Diskriminierung zu tun, oft wird ihnen nicht zugetraut, ihre Songs selber zu schreiben, sich mit Technik auszukennen oder den Laden vollzukriegen. Auch der Musikjournalismus, in dem mir schon vor 20 Jahren fast nur Männer fast nur Männer vorstellten, ist weiterhin männlich geprägt, wenn nicht wie zum Beispiel beim hervorragenden Missy Magazine explizit eine feministische Haltung als Alleinstellungsmerkmal dient.

      Nun kann man darüber streiten, wie sinnvoll es ist, den Fokus auf Frauen zu legen, als wäre »Frauenmusik« ein eigenes Genre, und ob es nicht viel besser wäre, in Zeitschriften, Büchern und anderen Publikationen weibliche Künstlerinnen ganz selbstverständlich mitzubehandeln. Klar! Sowieso immer! Hier geht’s aber nun um Einträge in die feministische Geschichte, und die erzählen wir mit Beispielen von Frauen.

      Journalistinnen und Journalisten, Musikerinnen und Musiker, Fans und Freunde schreiben über Bands, die sie prägten, über Künstlerinnen, die den Feminismus eine neue Facette gaben, über Lieblingsplatten, Lebenswerke und Lieder, die sie mitgrölen – vom Klassiker bis zum Außenseitertipp. Manche schreiben über ihre persönliche Liebe zur Band, andere über die weltweite Wirkung der Künstlerinnen. Manche Texte sind amüsant, andere lehrreich, viele beides. Manche Autor*innen schreiben mit Gender-Sternchen, andere mit Unterstrich, wieder andere mit Binnen-I. Die einen verstehen Feminismus als private Selbstermächtigung, die anderen als politische Bewegung, die dritten als Support für LQBTs. Und alles ist richtig. Denn die Frau in der Musik, sie ist so vielfältig wie die Musik an sich.

      Übrigens: Unter »these girls. der soundtrack zum buch« gibts auf Spotify die Playlist zu den folgenden Seiten.

       Juliane Streich

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      JENNIFER RESSEL

       Édith Piaf

      • ERSTE LP 1949

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      Édith Piaf, 1962

      Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass Édith Piafs Textzeilen und Refrains, etwa von »Non, je ne regrette rien« oder »La vie en rose«, den Passiv-Wortschatz vieler Nicht-Franzosen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus bestimmt haben. Der »Spatz von Paris« gehört längst zum kulturellen Erbe Frankreichs; Édith Piafs Lebensgeschichte ist mit ihren Werken zum Mythos verschmolzen, mit Klischees beladen ist dieses prototypische Bild des Mädchens aus der Gosse, das zur berühmten Sängerin wird, wir sehnen uns nach diesen schmutzigen Pariser Straßen aus ihren Liedern, in denen man sich so schmerzhaft-schön verlieben und wieder trennen kann.

      Paris war in der Literatur und Kunst schon lange vor der Piaf ein Mythos, Walter Benjamins Hauptstadt des 19. Jahrhunderts ein untergehender Stern, als Édith Giovanna Gassion anfing in ihren Straßen zu singen und dem Mythos von Paris ein neues Thema gab – und eine Stimme. Viele ihrer Lieder sind nah an ihr dran, aber rein autobiografisch ist natürlich keines. Glaubwürdigkeit konnte sie vor allem dadurch vermitteln, dass sie von Protagonisten ihres Milieus sang, Schicksalsgefährten, deren innerliche Zerrissenheit sie in ihren Auftritten mit kongenialer Gestik zum Leben erweckte. »Ein ganzes Volk, das von der Straße nämlich, erkannte sich in ihr wieder«, schrieb Paris-Match. »Sie gehörte genauso zu den Pflastersteinen von Paris wie das Ruckedigu der Tauben, der Heidenlärm der Müllmänner, die Schritte der Arbeiter bei Tagesanbruch und die unentschiedene Gehweise eines Passanten, der erst um zwei Uhr in der Frühe nach Hause geht.«

      Unsterblich machte sie sich – auf der Grundlage ihrer unverwechselbaren Stimme und Performance – aber vor allem durch Legendenbildung, die erfolgreiche Verschmelzung von Person und Persona: Ihre Lebensgeschichte mag zweifelsohne eine Erzählung wert sein, aber die Boulevardpresse, Bewunderer, Neider und Édith Piaf selbst haben wohl zu ähnlichen Teilen dazu beigetragen, dass im Nachhinein

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