These Girls. Группа авторов

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Baez auf Geheiß des Folkmusikers Bob Gibson mit zitternden Knien beim Newport Folk Festival auf der Bühne und steigt infolgedessen schlagartig zur Folk-Queen mit glasklarer Stimme auf.

      In den 1960er-Jahren wird Joan Baez zur Repräsentantin einer ganzen Protestgeneration. Auch wenn sie selbst kaum eigene Protestsongs schreibt, gilt sie als wichtigste Interpretin genau dieser Lieder. Ihr Name steht gleichbedeutend mit Civil Rights, Aktivismus und Antikriegsbewegung. Als bei ihrer ersten Tour durch die US-Südstaaten nur Weiße im Publikum sitzen, wirkt sie dem bei der darauffolgenden Tour entgegen, indem sie ausschließlich an schwarzen Universitäten auftritt. Sie lernt den noch unbekannten Bob Dylan kennen und entdeckt sofort das aufrührerische Potential seiner Lieder. Sie schleift ihn mit auf die Bühne, um seine Karriere anzukurbeln, und beansprucht seine Songs oftmals noch, bevor er sie selbst performt oder einspielt. An der Seite von Martin Luther King marschiert sie 1963 nach Washington und singt vor einer Viertelmillion Menschen »We Shall Overcome«, bevor King seine berühmte »I have a dream«-Rede hält. In den Jahren danach gründet sie eine Schule für Gewaltfreiheit und lässt kaum mehr eine Möglichkeit zum Protest aus. Nach ihren eigenen Bedingungen setzt sie sich unermüdlich für ein Amerika ein, das sich gegen Rassismus, Chancenungleichheit und Kriegspolitik stellt. Selbst ihren Auftritt bei Woodstock nutzt sie, um über den Vietnamkrieg zu sprechen.

      Als sich ihre Schallplatten millionenfach verkaufen, investiert sie einen Großteil ihrer Einnahmen in gute Zwecke wie Amnesty International und behält einen Teil ihrer Steuern ein, um damit nicht die Rüstungsindustrie zu finanzieren. In Grenada, Mississippi, nimmt sie schwarze Schulkinder an die Hand und bringt diese durch den aufgebrachten weißen Mob sicher zur Schule. Bei einem Besuch in der ehemaligen DDR trifft sie sich heimlich mit dem Liedermacher Wolf Biermann und schleust ihn in ein nur für Stasifunktionäre vorgesehenes Konzert. Weihnachten 1972 reist sie als Friedensbotschafterin nach Hanoi und wird dort Zeugin der schwersten Bombenangriffe der US-amerikanischen Luftwaffe im Vietnamkrieg. Tagelang sitzt die damals 31-Jährige in einem Luftschutzbunker fest und singt für die Anwesenden Friedenslieder. Die Grenzen zwischen der Folksängerin Baez und der Aktivistin Baez sind zu diesem Zeitpunkt längst verschwommen: Sie ist der Inbegriff für musikalischen Aktivismus.

      »If you are committed to singing meaningful songs, you also have to be committed to leading a life that backs that up«, sagt Baez in einem Interview. Die Lieder, die sie singt, erzählen getreu dem Motto »Music that matters« von Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und rücken politischen Schieflagen weltweit zu Leibe. Mit Hilfe ihres Bekanntheitsgrades verschafft sich Baez immer wieder Zugang zur politischen Prominenz – und tatsächlich zeigen ihre mitunter riskanten Auftritte auch Wirkung: 1977 singt sie bei ihrem ersten Liveauftritt in Spanien »No nos moverán« (»We Shall Not Be Moved«), ein jahrelang verbotener Protestsong gegen das faschistische Regime Francos, und verändert damit nachhaltig die Stimmung in der Bevölkerung. Vor einem Auftritt in Brasilien wird ihr einmal ein Zettel mit der Aufforderung zugesteckt, dass sie am Abend in der Konzerthalle auf keinen Fall ans Mikro treten dürfe, sonst würde man sie verhaften. Baez tritt stattdessen in der Mitte der Halle auf, ganz ohne Mikrofon – und singt gemeinsam mit den Menschen im Publikum. Die Polizei schreitet nicht ein.

      Auch wenn sich Joan Baez in den 2000er-Jahren zunehmend ins Private zurückzieht, tritt sie weiter regelmäßig bei Protestaktionen wie der Occupy-Bewegung oder gegen die Dakota Pipeline im Standing Rock in North Dakota auf. Sie spielt bei Mahnwachen vor US-Gefängnissen, setzt sich gegen Todesstrafe und Folter ein und unterstützt Kampagnen für die Rechte von Homosexuellen. Jahrzehnte nach ihrem Durchbruch auf dem Newport Folk Festival hat sich an ihrer Grundüberzeugung nichts geändert: »Der Glaube an Gewaltlosigkeit als Lösungsweg für politische, soziale und persönliche Probleme. Ich bin im Moment nicht an vorderster Front. In gewisser Hinsicht ist das nicht mehr mein Platz.« Eine jüngere Generation soll für sie übernehmen.

      Klaus Walter

       Aretha Franklin

      • ERSTE LP 1961

      Mit dem Tod von Aretha Franklin ging etwas zu Ende, sagen wir, minimal übertrieben: die Soul-Moderne. Während David Bowie, Prince, Leonard Cohen und George Michael, die alle zwei Jahre vorher starben, jeder auf seine Art bereits Protagonisten der Pop-Postmoderne waren, ist mit der Frau, die alle nur beim Vornamen nennen – eine (Un-)Sitte mit rassistischem Background, Sklaven hatten keinen Nachnamen – die letzte Symbolfigur einer linearen, analogen Erzählung von uns gegangen: die Erzählung von Pop als Motor der Veränderung zum Besseren, als Soundtrack zu Befreiung und Emanzipation. Eine 50 Jahre umspannende Geschichte, die man von ihrem Ende her erzählen kann.

      18 Millionen Leute haben das bei YouTube gesehen. 2015, Kennedy Center, Washington D.C., eine Gala zu Ehren der großen Singer-Songwriterin Carole King. Die Schauspielerin Chilina Kennedy schlüpft in die Rolle Kings und erzählt aus ihrem Leben. Vom letzten Song, den sie mit ihrem Partner Gerry Goffin schrieb. »Ich habe ihn später selbst aufgenommen, allerdings anders als die Frau, für die ich ihn komponiert hatte. Warum? Well, there’s only one Aretha Franklin.« Auftritt Queen Of Soul, majestätisch mit Pelzrobe über dem tiefausgeschnittenen, strassbesetzten Kleid. Schnitt auf die echte Carole King in der Loge, sie wirft Aretha Kusshände zu. Die Königin küsst zurück und nimmt am Klavier Platz, die ersten Akkorde, King schaut ungläubig, »lookin out in the morning rain«, King verliert die Fassung, »I used to feel so uninspired«, Schnitt, ein attraktives afroamerikanisches Paar, sie im schulterfreien schwarzen Abendkleid wiegt sich im Rhythmus, er, schwarzer Anzug mit Fliege, wischt sich eine Träne aus dem linken Auge, es ist das letzte Jahr ihrer Präsidentschaft. Aretha Franklin erreicht den Refrain, »You make me feel«, Schnitt zu Carole King, die laut mitsingt, Tränen in den Augen, »like a natural woman«. »Wahrscheinlich der größte Song über weibliche Sexualität, der jemals aufgenommen wurde«, schrieb der weiße Kritiker Dave Marsh, getrieben von den eigenen Projektionen, klar, aber wer wollte ihm darüber böse sein? Der nächste Refrain, Carole King rastet aus, die Obamas stimmen ein, die Königin greift das Mikrofon, steht auf und geht ein paar Schritte zum Bühnenrand, »you make me feel like a natural woman«, die 73 Jahre alte Frau greift sich an die Schulter und lässt den Pelz zu Boden gleiten, der Saal tobt, Standing Ovations, die Königin extemporiert im ärmellosen Kleid (ärmellose Kleider wusste auch die First Lady Michelle zu tragen, und es gab Ärger). Der größte Song über weibliche Sexualität, der jemals aufgenommen wurde, in dem die Sängerin ihren ersten Orgasmus feiert – so Dave Marsh –, endet mit einem mehrfach wiederholten, ekstatischen »A Woman! A Woman! A Woman!« Ein orgiastischer Moment, aber eben auch ein kleiner Tod. Die schwarze Baptistentochter singt das Lied einer weißen Jüdin aus Manhattan, die als Carol Joan Klein zur Welt kam, 1942, wie Aretha Franklin. Das Lied von der sexuellen Erweckung wird zum Hit in einer Zeit, als Juden und Afroamerikaner gemeinsam in der Bürgerrechtsbewegung kämpfen und Frauen um ihre Befreiung. Aretha Franklin wird zur Queen of Soul mit einem Lied von der King, Königinnen unter sich. Wie sie den Pelz abwirft und dasteht mit den nackten Armen und ihrem mächtigen Körper, ist das auch eine Zurückeroberung ihrer Sexualität wider Ageism und Lookism. Ein Jahr nach diesem letzten grandiosen Auftritt wird Agent Orange (so hat ihn Spike Lee getauft) gewählt, wer sang noch mal bei seiner Inauguration? Keine Ahnung, bei den Obamas sang Aretha Franklin. Sie habe Songs anderer Leute nicht gecovert, sondern sie erobert, stand in einem Nachruf. 1967 erobert sie Kings »Natural Woman« und einen Song von Otis Redding. Das Lied eines gekränkten Mannes, der von seiner Frau, die ihn betrügt, etwas mehr Respekt verlangt, ein kleiner Hit 1965. Zwei Jahre nach Redding macht sich Franklin das Lied zu eigen und gibt ihm neuen Sinn. Sie fordert Respekt von ihrem Mann, und damit der auch kapiert, was sie meint, buchstabiert sie ihre Forderung: »R.E.S.P.E.C.T, find out what it means to me!«

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      Aretha Franklin, 1960

      Die Idee mit dem Buchstabieren erweist sich als genial. Das R.E.S.P.E.C.T. verleiht dem

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