These Girls. Группа авторов

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In einer Zeit, in der es noch keinen #aufschrei gab, wenn Cliff Richard das N-Wort nutzte, um sie anzusagen, riss Springfield die Scheuklappen von den Augen des weißen Spießbürgertums. Sie brachte Soul und Funk ins Swinging London, moderierte das The Sound of Motown-Special der Ready, Steady, Go!-Show. In diesem Rahmen stelle sie dem Vereinigten Königreich ihre Idole wie The Supremes, Stevie Wonder und The Temptations vor. Sie ging sogar so weit, zusammen mit Martha Reeves and the Vandellas ihren aktuellen Hit »Wishin’ and Hopin’« zu singen. In dieser Paarung 1965, als in Amerika die Rassenunruhen in vollem Gange waren, alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zudem trat sie 1964 als erster Act überhaupt bei Top of the Pops auf, sang ihren aktuellen Track »I Only Want To Be with You«.

      Doch auch die Rockmusik sähe ohne sie wohl anders aus. Damit ist nicht einmal der gemeinsame Auftritt mit Jimi Hendrix gemeint, bei dem sie in ihrer Show It Must Be Dusty den Song »Mockingbird« sang. Während der Aufnahmen zum Album Dusty … Definitly arbeitete sie 1968 mit dem Studiomusiker und Bassisten John Paul Jones zusammen, der sich auch für die Arrangements zuständig zeigte. Abends besuchte sie dann ein Konzert seiner neuen Band Led Zeppelin. Begeistert schlägt sie diese Jerry Wexler vor, dem Chef von Atlantic Records. Nur aufgrund ihrer Empfehlung und ohne sie je gesehen zu haben, nehmen er und Ahmet Ertegun die Band unter Vertrag.

      Mit all diesen Verdiensten zeigte Dusty Springfield dem Musikbusiness der 1960er immer wieder deutlich seine Grenzen auf – und umgekehrt: Hinter der von ihren eigenen Dämonen getriebenen Idealistin verbarg sich auch eine schüchterne, zweifelnde und zurückhaltende Person. Die meisten ihrer Alben produzierte sie selbst, tauschte die Musiker nach Belieben von einem Tag auf den nächsten aus, doch ließ sie dies erst viel später in den Credits vermerken. »Ich dachte, Credits in Anspruch zu nehmen, sei nicht förderlich für meine Glaubwürdigkeit als kleine, unschuldige Sängerin.«

      In einem noch weit homophoberen Umfeld als heute hatte Dusty Springfield 1970 ihr Coming-out als Bisexuelle. Ein Skandal. Ihre Plattenverkäufe brachen ein, sie zog sich mehr und mehr zurück. »Sie wollte von dem Rummel um sie herum nichts wissen. Sie wollte eigentlich straight sein. Sie wollte eine gute Katholikin sein und sie wollte schwarz sein«, erklärte ihre damalige Lebensgefährtin Norma Tanega später. Dusty griff zu Alkohol und Drogen. Immer labiler werdend unternahm sie einen Selbstmordversuch.

      Ihr Comeback kam zu einem Zeitpunkt, an dem niemand mehr damit rechnete. 1987 holten sie die Pet Shop Boys für den Hit »What Have I Done to Deserve This?« zurück ins Studio, nahmen danach mit ihr das Album Reputation auf. »Dusty hat eine der wunderbarsten Stimmen der Pop- und Soulmusik. Sie hat diese verletzliche Qualität in ihrer Stimme und diese fantastische Phrasierung. Sie verwandelt jeden Song in einen Dusty-Springfield-Song«, erinnerte sich Neil Tennant an diese Zeit. Doch während der Produktion zum Nachfolger A Very Fine Love erkrankte sie an Brustkrebs. Am 3. März 1999 sollte sie von Queen Elisabeth II. den Order Of The British Empire erhalten, doch sie starb einen Tag zuvor mit 59 Jahren. Keine zwei Wochen später wurde Dusty Springfield in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen.

      HOLGER ADAM

       Delia Derbyshire

      • WHITE NOISE

      • ERSTE AUFNAHMEN 1963

      Der Einfluss, den Delia Derbyshire und das BBC Radiophonic Workshop auf die vor allem britische elektronische Popmusik der wenigstens letzten dreißig Jahre ausgeübt hat und bis in die jüngst vergangene Gegenwart hinein ausübt, ist nicht zu überschätzen. Von Peter Kember (Sonic Boom, Spacemen 3) über Stereolab, Broadcast und Pram bis hin zu The Focus Group, Pye Corner Audio oder The Caretaker – sie alle wissen um die Pionierleistung von Delia Derbyshire.

      Als Angestellte des schon erwähnten BBC Radiophonic Workshops war sie, wenn auch nicht im Alleingang, maßgeblich mitverantwortlich für die Erfindung einer zwanzig Jahre später einsetzenden musikalisch retrofuturistischen bzw. nostalgischen Bewegung, die von Kulturtheoretiker Mark Fisher unter dem Oberbegriff Hauntology zusammengefasst wurde, und die, gerne unter Zuhilfenahme von Vintage-Equipment (analoge Synthesizer etc.), eine musikalische (und auch gesellschaftlich verklärte) Vergangenheit in die Gegenwart hereinholen wollte. Der Rückgriff dieser ästhetisch nicht nur rückwärtsgewandten sondern auch vergangenheitsbewussten Avantgarde-Bewegung (die bereits in den 1990er-Jahren einsetzte und zuweilen mit dem hilflosen Begriff Postrock apostrophiert wurde) auf die Library Music der 1960er-Jahre kommt nicht von ungefähr. Zum einen verhieß die Zukunft zum damaligen Zeitpunkt irgendwie noch mehr als abschmelzende Polkappen; heute, so weiß man längst, ist die Zukunft eben nicht mehr, was sie früher einmal war. Zum anderen stellt das Londoner Radiophonic Workshop neben den Studios für elektronische Musik in Paris und Köln einen der europäischen Geburtsorte für elektronische Musik dar – Musik, ohne die heute kein Ton, der aus einem Laptop, Synthesizer oder einer Loop-Station heraus erklingt, vorstellbar ist. Die Groupe de recherches musicales um Pierre Schaeffer erfand die Musique concrète während auf der anderen Seite des Rheins Karlheinz Stockhausen Werke wie »Kontakte« oder »Hymnen« komponierte.

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      White Noise, An Electric Storm (Island Records, 1996)

      Jenseits des Ärmelkanals, in London, saß derweil Delia Derbyshire als Angestellte des Workshops an der Erstellung von Klangminiaturen zur Vertonung fantastischer, unwirklicher oder zumindest unsichtbarer Welten: Mond- und Seelenlandschaften fanden ihr akustisches Äquivalent mithilfe der handwerklichen Fähigkeiten von Delia, die in akribischer Arbeit am Detail eine oft nur wenige Sekunden andauernde synthetische Funktions- und Gebrauchsmusik anfertigte. Sounddesigns und Geräusche zur akustischen Untermalung fliegender Untertassen oder durch die Zeit reisender Telefonzellen. Die elektronische Realisierung der Titelmelodie zur britischen TV-Serie Doctor Who ist wahrscheinlich ihr popkulturell bekanntester Beitrag. Elektronische Realisierung deshalb, weil die Komposition des Themas aus der Feder des australischen Komponisten Ron Grainer stammt – Derbyshire oblag es, im Angestelltenverhältnis die Umsetzung der notierten Musik in ein futuristisches und zeitloses Klangabenteuer zu bewerkstelligen. Zum selben Zeitpunkt also, als Pierre Schaeffer, Karlheinz Stockhausen & Co. als große Komponisten elektronischer Musik galten und gefeiert wurden, leistete Derbyshire im Angestelltenverhältnis dieselbe Arbeit – allerdings ohne dafür als Komponistin Ruhm, Urheberrechte und Tantiemen in Anspruch nehmen zu können. Während ihrer Zeit bei der BBC arbeitete sie auch an anderen Projekten und, um arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, dies zumeist unter dem Pseudonym Li de la Russe. Mit ihrem BBC-Kollegen Brian Hodgson (Nikki St. George) und dem amerikanischen Musiker David Vorhaus produzierte sie 1969 Standard Music Library: Electronic Music, ein Album mit Klangexperimenten. Im selben Jahr erschien in derselben Besetzung, aber unter dem Projektnamen White Noise das Album An Electric Strom, eine surreal-verdrehte Klangcollage, ein musikalischer Trip, ein Klassiker der elektronischen Popmusik. Die Reichweite ihrer Musik blieb jedoch überwiegend auf einen kleinen Kreis begrenzt. So stand Derbyshire während dieser Jahre mit Künstler*innen wie Paul McCartney oder Yoko Ono in Kontakt oder arbeitete mit ihnen zusammen – eine breite, öffentliche (und zu Lebzeiten auch finanzielle) Anerkennung für ihre bahnbrechenden Arbeiten blieb ihr aber versagt. 1973 kehrte Derbyshire den Tonstudios der BBC frustriert den Rücken, wandte sich anderen Aufgaben zu und lebte jahrzehntelang zurückgezogen, bis Peter Kember sie Ende der 1990er-Jahre kontaktierte und in einen intensiven kreativen Dialog mit ihr trat. Doch bevor es zum Comeback der mittlerweile kultisch verehrten Künstlerin kommen konnte, verstarb Delia Derbyshire nach kurzer Krankheit 2001. Einen Einblick in die tragische Lebensgeschichte von Delia Derbyshire vermittelt die fünfundzwanzig Minuten kurze Dokumentation The Delian Mode von Kara Blake aus dem Jahr 2009.

      Zurück bleiben nicht nur im historischen Kontext, sondern darüber hinaus abenteuerliche und herausfordernde musikalische

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