These Girls. Группа авторов

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der Brill-Building-Ära.

      HANNAH ZIPFEL

       Jackie Shane

      • ERSTE SINGLE 1963

      »This is the closest to Jesus Christ some of you will ever get!« Mit gesundem Selbstwertgefühl richtet die Sängerin auf der Bühne des legendären Clubs Sapphire Tavern ihre Stimme an das aufgepeitschte Publikum, während die Rhythmus-Fraktion im Hintergrund den Beat aufrecht erhält. Frenetischer Jubel, der die gesamte Live-Aufnahme aus dem Jahr 1967 durchzieht, gilt nicht nur dem ekstatischen, an James Brown erinnernden funky Gesangsgestus, sondern auch dem preaching zwischen den Parts. Der Song »Money (That’s What I Want)«, dem das oben genannte Zitat entstammt, wird dabei zur Musik gewordenen Überlegenheitsgeste, die Jackie Shane mit schnippendem Finger an all ihre hater adressiert: »You know, when I’m walking down Youngstreet you won’t believe this, but some of this funny people have alert to put a favor in me and grin and smile and whisper. But, you know, that don’t worry Jackie because, I know I look good. And every Sunday morning I laugh and grin on my way to the bank, because I look good, I got money and everything else that I need. You know what my slogan is: Baby, do what you want, just know what you’re doing.«

      Eingelassen in die poptypischen Anführungszeichen eines Flirts mit Glamour und Kapital ist letzterer Satz durchaus paradigmatisch für das selbstbestimmte Leben der späten Soul- und R&B-Ikone zu lesen, deren wahrer Fame an dieser Stelle noch ein halbes Jahrhundert auf sich warten lässt.

      Am 15. Mai 1940 in der Country-Hochburg Nashville im US-Bundesstaat Tennessee geboren, wächst Jackie Shane im zutiefst rassistischen Klima der Jim-Crow-Gesetze auf, die Diskriminierungen von Schwarzen im öffentlichen Raum und an staatlichen Institutionen rechtfertigen und deren Abschaffung erst im Zuge des Civil Rights Acts 1964 erfolgt. Das Mädchen, das damals noch als Junge gelesen wird, kommt in dem Haushalt ihrer Kindheit nicht nur mit der Gospelmusik der Großeltern in Kontakt, sondern auch mit dem Rouge ihrer Mutter, das sie mit 13 Jahren selbstbewusst in der Öffentlichkeit zu tragen beginnt. Zunächst ist sie in der lokalen Musikszene Tennessees aktiv, bis sie sich Anfang der 1950er-Jahre einer Gruppe Schausteller anschließt, mit denen sie nach Kanada reist, wo sie einen Job als Leadsängerin der Band Frank Motley and his Motley Crew antritt. Sie wird zeitlebens in der Musikszene Torontos walten und dort als Solokünstlerin neben dem oben genannten Album Jackie Shane Live aus dem Jahr 1967 mehrere Singles veröffentlichen, von denen das William Bell-Cover »Any Other Way« 1962 den zweiten Platz der Hitparade erklimmt – eine Broken-Heart-Ballade, in der ein Mann seine Ex-Freundin mit einem neuen Liebhaber auf der Straße trifft und die eigene Verletzlichkeit mittels toughness camoufliert. Shane performt in diesem Song zwar ein heterosexuelles Begehren aus männlicher Perspektive, die doppelt codierte Line »tell her that I’m happy, tell her, that I’m gay« verführt aber zu subversiverer Lesart: »gay« kann im US-amerikanischem Mainstreamsprachgebrauch der 1960er-Jahre zwar noch mit »fröhlich« übersetzt werden, ist aber in der schwulen Community längst zur Selbstbezeichnung avanciert. Die Schriftstellerin Susan Sontag, die in ihrem berühmten Aufsatz aus dem Jahr 1964, Notes on Camp, auf die schwule Aneignungsstrategie des Camping Bezug nimmt, hält etwa bereits 1949 in ihrem Tagebuch fest: »Heterosexual = jam (West Coast), straight (East); Homosexual = gay«.

      Auf Fragen bezüglich ihrer damaligen Orientierung wird Jackie Shane später antworten: »I was just being me, I never tried to explain myself to anyone – they never explained themselves to me.« Lange bevor sich dabei Begriffe wie queer oder trans durchsetzen, lebt sie praktisch eine Identität, die das Feuilleton erst Jahre später mit Worten umschreiben wird, die sie aber – und den Restriktionen einer (hetero-)normativen Gesellschaft im Großen und einem Pop-Business der 1960er-Jahre im Kleinen zum Trotz – weitestgehend selbstbewusst vertritt. Die Zeile »I just won’t have it baby, any other way« macht »Any Other Way« vor dieser Folie auch zu einem Manifest, das mit universellem Anspruch auf Selbstbestimmung und Kompromisslosigkeit pocht: Eine Anfrage von Ed Sullivan, dessen Late Night Show als Karriereschub von Pop-Größen wie Elvis Presley, den Supremes oder den Beatles fungierte, wird sie etwa ausschlagen, da man von ihr verlangt, das Make-up abzulegen und ein Herrenoutfit auf der Bühne zu tragen. Der einzige TV-Mitschnitt einer Live-Performance bei Night Train aus dem Jahr 1965 zeigt die Musikerin, nachdem diese vom Showmaster unbeholfen und nur in aller Kürze anmoderiert wird, anders als in den gesanglich extrovertierten Tonaufnahmen mit wenigen delikaten, fast zurückhaltenden Gesten.

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      LP-Cover zu Jackie Shane, Any Other Way (Numero Group, 2017)

      Nach relativ kurzer Karriere, bereits in den 1970er-Jahren, kehrt sie schließlich dem Showbiz den Rücken und geht zurück nach Tennessee, um ihre kranke Mutter zu pflegen.

      Eine gute Dekade später, im Jahr 2018, veröffentlicht das Label Numero Group im Einverständnis mit Jackie Shane eine umfangreiche Reissue, die nicht nur eine Grammy-Nominierung für den Musikjournalisten Rob Bowman nach sich zieht, sondern einen wahren Jackie-Hype auslöst: Bekannte Zeitungen überschlagen sich, um die Person sichtbar zu machen, für deren Stimme zumindest bereits die Ohren der 1960er-Jahre offen waren. Gerade das Format der Reissue, das als »Box-Set, dessen vierte CD du niemals abspielen wirst« bei Simon Reynolds den faden Beigeschmack einer Pop-Aporie im Zeitalter der Retromania hat – schreibt sie doch nur allzu oft einen Pop-Kanon fest, der dann wieder in Plattenkisten landet, über die sich hauptsächlich alte weiße Herren beugen –, entfaltet in diesem Kontext ein politisches Potential. Von der Künstlerin wird die Aufmerksamkeit, die ihr bis dato nur seitens klandestiner Stilgemeinschaften von Soul-Afficionados zuteil wurde, jedoch eher mit einem Schulterzucken hingenommen. So richtig kann die ältere Lady, die mit ihrer Katze Sweetie in einer kleinen Wohnung lebt und nur mit Kopftuch und Sonnenbrille auf die Straße geht, die Euphorie um ihre Person nicht nachvollziehen. Im Februar 2019, kein Jahr nach ihrer Wiederentdeckung, stirbt sie im Alter von 79 Jahren.

      Mittlerweile verfügt Jackie Shane über einen posthumen Twitter-Account, der ihre Zitate etwas cheesy im Stil von Kalendersprüchen zirkulieren lässt. Ein empowerndes Potential büßen die Aussagen, die vor allem aus den raren Interviews stammen, damit aber keinesfalls ein. In einem der letzten Gespräche mit dem CBC erteilte die Sängerin etwa gegenwärtigen Musiker*innen einen Rat, der sich auch jenseits des Pop-Business zu Herzen genommen werden kann: »Most people are planted in someone else’s soil, which means they’re a carbon copy, I say to them: ›Uproot yourself. Get into your own soil. You may be surprised who you really are.‹« Miss Shane hat gesprochen.

      ELKE WITTICH

       Marianne Faithful

      • ERSTE SINGLE 1964

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      Marianne Faithful, 1966

      Ein Rock-Urgestein! Ein Überlebenskünstler! In fast jedem Artikel über Keith Richards klingt Bewunderung darüber durch, was dieser Mann in seinem nun mehr als 70 Jahre dauernden Leben alles erlebt hat. So viele Drogen, so viele Affären, so viele Freundschaften mit anderen Promis, so viele Schlagzeilen, Auftritte, Fans, so ein wildes Leben. Wie anders klingt es dagegen oft, wenn es um Marianne Faithfull, nur drei Jahre jünger als der Stones-Gitarrist, geht. Bedauernswertes Drogen- und irgendwie auch Mick-Jagger-Opfer, mittlerweile geplagt von diversen Krankheiten, im Alter noch mal etwas Erfolg gehabt, ist ja auch schön.

      Dabei hatte sie etwas geschafft, was Frauen noch nicht allzu lange gelingt: Sie hat sich trotz vieler

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