Zurück auf Gestern. Katrin Lankers
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»Immer wieder gern«, erwiderte ich.
Lulu ist eine waschechte Drama-Queen! Und eigentlich finde ich das meistens liebenswert und amüsant.
»Okay, vergessen wir die Klamottenfrage für einen Moment.« Lulu ist nicht nur eine Drama-Queen, sie wechselt auch schneller zwischen zwei Gemütszuständen hin und her, als ein normaler Mensch das Wort Gemütszustand aussprechen kann. »Es gibt doch wirklich Wichtigeres! Geschenke zum Beispiel.«
Lulu sprang vom Bett und drei weitere Kissen gingen zu Boden. Ohne darauf zu achten, fing sie an, in ihrem Schreibtisch herumzuwühlen, wobei sie fortwährend Wo ist es denn nur? murmelte. Lulu hat viele besondere Talente. Sie ist witzig und nie lange schlecht drauf, sie kann bühnenreif tanzen und sich mit dem dicken Zeh hinterm Ohr kratzen. Sie schafft es, in nur fünf Minuten einen Schokokuchen in der Mikrowelle zu backen, in den man sich reinlegen möchte. Und sie ist immer, wirklich immer, für mich da.
Ordnung zu halten, zählt allerdings nicht zu Lulus Stärken. Zum Glück besitzen ihre Sachen die Fähigkeit, an den erstaunlichsten Orten von selbst wieder aufzutauchen. Ihr Haustürschlüssel zum Beispiel, den wir einen ganzen Nachmittag lang gesucht hatten, lag unbekümmert in ihrer Sockenschublade, die Lulu eigentlich nur öffnete, weil sie ihre Lieblingsohrringe darin vermutete, die sie völlig überraschend drei Tage später im Vorratsschrank hinter den Schoko-Pops entdeckte, wo sie eigentlich ihr Hausaufgabenheft zu finden hoffte, das jedoch irgendwie den Weg zwischen die Schminksachen ihrer Mutter gefunden hatte, wo Lulu vermutlich niemals danach geschaut hätte, wenn sie nicht auf der Suche nach ihrem Lipgloss gewesen wäre …
»Ha!«, machte Lulu zufrieden und holte ein kleines Päckchen aus der Tonne mit der schmutzigen Wäsche. »Bitte schön!«
Das Geschenk war flach, in mattgoldenes Papier gewickelt und mit einer überdimensionalen schwarzen Schleife geschmückt. Ich grinste, als sie es mir hinhielt, angelte neben dem Bett nach meinem Rucksack und zog ein identisch verpacktes Geschenk heraus.
»Zwei Blöde, ein Gedanke.« Lulu grinste ebenfalls.
»Happy Birthday«, sagten wir gleichzeitig und tauschten die Geschenke aus.
»Von Schnick-Schnack?«, erkundigte sich meine Freundin und hielt das Geschenk hoch, das ich ihr überreicht hatte.
»Klar«, erwiderte ich und hob meins hoch. »Das auch?«
»Klar.«
Schnick-Schnack-Schmuck war unser Lieblingsgeschäft für Schmuck und jede Menge Schnickschnack, den man eigentlich nicht brauchte, der aber viel zu schön war, um ihn nicht zu haben. Der Laden gehörte Alexa, der besten Freundin meiner Großmutter, und bereits als ich noch klein war, hatten wir dort viele Stunden verbracht. Bei Alexa zu sein, erinnerte mich an meine Omili, und schon deshalb ging ich gern dorthin. Dass Lulu das Geschäft genauso mochte wie ich, machte es nur umso besonderer für mich.
»Also auf drei«, schlug Lulu vor.
»Einverstanden. Eins. Zwei …«
Und schon riss Lulu das Papier auseinander. Geduld gehört auch nicht unbedingt zu ihren Stärken.
»Das ist nicht wahr …« Lulu lachte erneut, als sie das Geschenk hervorholte, das ich für sie ausgesucht hatte. Es war eine lange Kette oder besser gesagt zwei, die fest umeinander gedreht waren. Zwillingskette hatte Alexa das Schmuckstück genannt, als sie es mir gezeigt hatte, und erzählt, dass sie davon gerade erst zwei Stück angefertigt hatte.
Mir war sofort klar gewesen, dass ich diese Kette für Lulu kaufen wollte. Aber jetzt fragte ich mich, ob Lulu sie nicht doch zu schlicht fand.
»Gefällt sie dir nicht?«, fragte ich unsicher. »Ich dachte, es wäre passend, weil wir auch Zwillinge sind, als Sternzeichen meine ich, und irgendwie auch Herzenszwillinge … oder?«
Doch meine Freundin schüttelte bloß den Kopf. »Pack einfach aus.«
Also entfernte ich vorsichtig das Papier von meinem Päckchen … und hielt schließlich die exakt gleiche Kette in der Hand wie Lulu.
»Zwei Blöde, ein Gedanke«, wiederholte ich und lachte nun ebenfalls.
»Als Alexa sie mir gezeigt hat, wusste ich sofort, dass es das perfekte Geschenk für dich ist.«
Gegenseitig hängten wir uns die Ketten um den Hals und nahmen uns dann fest in den Arm.
»Witzig, dass Alexa uns beiden die gleiche Kette empfohlen hat«, meinte Lulu, als wir uns schließlich wieder losließen.
»Na ja, aber auch irgendwie logisch, oder?«, erwiderte ich. »Sie weiß doch, dass wir allerbeste Freundinnen sind.«
»Stimmt natürlich.«
»Ich muss dir übrigens unbedingt noch etwas zeigen.« Wieder wühlte ich in meinem Rucksack, bis ich das kleine Säckchen aus rotem Samt fand. Vorsichtig knotete ich das Band auseinander, mit dem es oben zusammengehalten wurde, und ließ den Inhalt in meine Hand gleiten.
»Was ist das?« Lulu beugte sich über die Kugel, die ich ihr entgegenstreckte.
»Ein Geschenk von meiner Großmutter«, sagte ich und spürte augenblicklich die gleiche Mischung aus Traurigkeit und Freude mit einem Hauch von Ehrfurcht wie am Morgen, als ich das Päckchen ausgepackt hatte.
»Von deiner Großmutter«, echote Lulu verwundert. »Aber die ist …«
»… tot, ich weiß«, beendete ich den Satz für sie. »Mein Paps hat mir das Geschenk von ihr gegeben. Er hat gesagt, sie hätte darauf bestanden, dass ich es an meinem fünfzehnten Geburtstag bekomme.«
»Das ist ja toll«, sagte Lulu. »Und was ist es?«
»Es ist ein Anhänger«, erklärte ich. »Ein Kettenanhänger.«
»Sieht uralt aus.« Lulu rutschte ein Stück näher an mich heran, um ihn genauer betrachten zu können. »Und irgendwie … seltsam.« Erneut schlug sie sich die Hand vor den Mund. »Hätte ich das jetzt nicht sagen sollen?«
»Quatsch«, beruhigte ich sie und strich mit dem Daumen über die verschlungenen Gravuren, die sich über die kugelige Oberfläche des Anhängers wanden. Er war etwa so groß wie ein Tischtennisball und das Metall fühlte sich kühl an. »Du hast ja recht, er sieht tatsächlich eigenartig aus.«
»Aber warum vermacht deine Großmutter dir ausgerechnet dieses Schmuckstück? Und warum zum fünfzehnten Geburtstag? Warum nicht zum sechzehnten oder zum achtzehnten?«
»Ich habe keine Ahnung.« Als ob ich mir diese Fragen nicht auch schon gestellt hätte! »Ich habe den Anhänger jedenfalls noch nie zuvor gesehen.«
Meine Großmutter hatte Schmuck geliebt, große Ketten mit farbigen Steinen, zu denen sie immer die passenden Armreifen und Ohrringe trug. Als Kind hatte ich ganze Nachmittage damit verbracht, in ihren Schatullen zu stöbern. Aber an diesen Anhänger konnte ich mich nicht erinnern.
»Das ist alles billiger Modeschmuck«, hatte das abfällige Urteil meiner Stiefmutter Sylvia gelautet.