Emma schreibt. Armand Amapolas
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![Emma schreibt - Armand Amapolas Emma schreibt - Armand Amapolas Emma auf Teneriffa](/cover_pre911273.jpg)
Wenig später war er gekommen, hatte das Präservativ beseitigt, lag neben ihr. Sie hatten kein Wort mehr gewechselt seit ihrer Begegnung vor der Badezimmertür. Sie schwiegen auch jetzt. Bis Mike schließlich wortlos aufstand und im Bad verschwand. Und kurz darauf aus ihrem Zimmer. Emma tat, als schlafe sie. Sie weinte, lautlos, ohne Tränen zu vergießen. Dabei ließ sie die Frage nicht los: woher hatte er eigentlich das Kondom?
7
Gut, dass sie eine Verabredung hatte. Pflichterfüllung ist die große Schwester des Verdrängens. Emma stand auf, duschte, zog sich an. Sie hatte definitiv zu wenig Wäsche mitgebracht! Ein Irrsinn zu denken, sie könne sich mit dem Rucksack begnügen. Schließlich war sie nicht auf dem Campingplatz. Sie verkroch sich auch nicht in Oma Ilses Apartment – in ihrem Kopf gehörte es noch immer Oma Ilse, auch wenn im spanischen Kataster inzwischen ihr Name stehen sollte. Gab es hier eigentlich so etwas wie ein Kataster? Egal. Sich im La Palma zu verkriechen, das hätte ihr jetzt gefallen. Niemanden sehen zu müssen, einfach das Meer zu beobachten. Aus ihrem Zimmer im Victoria sah sie, über den Balkon hinweg, den Innenhof mit dem Pool, eine weiße Villa, Palmen und dahinter den wild gezackten Bergrücken. Anders als am Abend zuvor konnte sie nichts davon entzücken.
Zu ihrer Beruhigung war Emma im Frühstücks-Restaurant nicht die Einzige in Jeans und T-Shirt. Sie ließ sich ein Omelett mit Tomatenwürfeln, Chorizo- und Chilistücken zubereiten. Auch der Café con Leche war vorzüglich. Das Personal behandelte sie genauso freundlich und zuvorkommend wie alle anderen Gäste, ob sie nun Business-Kostüme, Anzüge oder Designerkluft trugen. Das half ihr erheblich, sich nicht deplatziert vorzukommen. Oder derangiert.
Um zehn Uhr sollte sie zu ihm ins Candela II kommen, hatte Horst Hanisch gesagt. Sie möge einfach ein Taxi nehmen. Lieber wäre sie gelaufen, aber dazu reichte jetzt die Zeit nicht mehr. Emma nahm sich das für den Rückweg vor.
Das Hochhaus kam Emma, als sie davorstand, vor wie eine uneinnehmbare Burg. Nirgends Vorsprünge, an denen Eroberer hätten hochklettern können. Es erwartete sie auch keine weitgeöffnete Pforte, sondern eine bündig in die kühle Fassade aus mattem Stahl und dunklem Glas eingelassene, relativ unscheinbare Tür. Daneben kein Namensschild, sondern eine leicht zu übersehende Tastatur. Nur Ziffern, keine Buchstaben. Hanisch hatte ihr eine gut merkbare Ziffernfolge genannt. Als hätte sie ein Zauberwort ausgesprochen, ertönte ein sonores Summen. Emma drückte nur leicht gegen die Tür, den Rest erledigte ein gut verborgener Elektromotor. In der Eingangshalle saß ein junger Mann hinter einem niedrigen Schreibtisch und blickte ihr freundlich entgegen. Emma sagte, sie wolle zu Señor Hanisch. Der junge Mann telefonierte, wobei er nicht aufhörte, sie freundlich anzulächeln, nickte, legte den Hörer wieder auf und deutete auf die Wand mit den Aufzügen. Er trug einen Knopf im Ohr und keine Uniform, wie Emma erwartet hätte, sondern Jeans und T-Shirt, wie sie. Er sprach sie auf Englisch an: »Please take Elevator Number 3. It will bring you to the 22nd Floor. Apartment 2203. You will be expected«.
Hanisch erwartete sie vor der Aufzugtür. Auch er in Jeans und T-Shirt. Heute war offenbar der Jeans- und T-Shirt-Tag, dachte Emma und belobigte sich: alles richtig gemacht! Irgendwie half ihr das, sich besser zu fühlen.
Bevor Emma Zeit hatte sich umzusehen, noch auf dem Weg vom Aufzug zur Apartmenttür, ließ Hanisch wie nebenbei fallen: »Gestern war von 50.000 Euro die Rede. Ich zahle Ihnen 60.000. Wie gefällt Ihnen das?«
Emma zog überrascht die Augenbrauen hoch. Das war wahnsinnig viel Geld. Für sie. Tanja hatte ihr bei der Lippe Revue 2.000 Euro brutto im Monat gezahlt. Plus Fahrtkosten. Emma erschien es am klügsten, erst mal gar nichts zu sagen und unbeeindruckt zu tun.
»Plus Spesen natürlich. Ein Drittel bekommen Sie sofort. Nachdem wir einen Vertrag unterschrieben haben. Der ist schon vorbereitet. Er liegt beim Notar. Es fehlen nur noch Angaben zu Ihrer Person. Das zweite Drittel, wenn Ihre Recherchen beendet sind und eine Erstschrift des Manuskripts vorliegt. Das letzte Drittel, wenn Sie die Endfassung abliefern und wir alle zwei zufrieden sind. Das Geld wartet beim Notar auf Sie. Früher hätte man gesagt, auf einem Anderkonto. Klingt das fair?«
War das fair? Emma schalt sich naiv. Sie hätte sich beraten lassen sollen, vor ihrem Flug nach Teneriffa. Aber von wem? Sie kannte niemanden, der schon mal als Ghostwriter für einen Prominenten gearbeitet hat. Vom Journalistenverband? Ob es Tarifempfehlungen für Ghostwriter gab? Wohl eher nicht.
Hanisch deutete Emmas Zögern falsch. »Wenn Ihnen das nicht ausreichend scheint und sich alles länger hinzieht als, sagen wir, ein Jahr, können wir über eine Zulage reden. Aber momentan kann ich Ihnen einfach nicht mehr bieten. Mehr Bares habe ich nicht. Oder ich müsste noch einen Kredit auf mein Apartment hier aufnehmen. Übrigens, vielleicht sollten wir hineingehen.« Hanisch deutete auf eine offen stehende Tür aus dunklem Holz. »Ich weiß nicht, was die Leute Ihnen über mich gesagt sagen, Frau Schneider, aber ich bin nicht reich – auch wenn die Aussicht aus dem Fenster hier Ihnen etwas anderes suggerieren sollte. Vielleicht hätten wir uns, so gesehen, lieber in einer schäbigen Tapas-Bar zusammensetzen sollen. Aber hier habe ich nun einmal meine Akten.«
Die Aussicht aus dem Panoramafenster in Hanischs spärlich möbliertem Apartment hatte Emma sich grandioser vorgestellt. Zwar lag ihr Santa Cruz zu Füßen – oder besser, als hielte ihr jemand einen mit Häusern und Straßen bestickten Teppich entgegen. Dank des ansteigenden Geländes musste sie den Blick nicht senken, um auf Häuser zu sehen. Aber wo war das Meer? Und auch der Teide hielt sich versteckt. Die Möbel kamen Emma vertraut vor. Der schwedische Elch ließ grüßen.
»Die Summe ist schon okay. Aber ich bin mir noch gar nicht sicher, ob ich Ihr Angebot überhaupt annehmen sollte. Ich habe keine Erfahrung als Ghostwriterin. Bisher habe ich immer unter meinem eigenen Namen geschrieben. So, wie es mir richtig erschien. Klar wurden meine Texte lektoriert, korrigiert, redigiert. Aber Zensur fand nicht statt. Hier geht es jetzt aber gar nicht um meine Meinung oder meinen Stil, sondern um Sie. Ich weiß nicht, ob ich Ihren Stil treffen kann…«
Hanisch schüttelte energisch den Kopf. »Das sollen Sie gar nicht. Das haben Sie missverstanden. Oder ich habe mich nicht klar ausgedrückt. Oder Paul Bärkamp hat mich falsch wiedergegeben. Ich habe gar kein Interesse daran, in den PEN-Club aufgenommen zu werden. Ich will mich nicht lächerlich machen. Nicht lächerlicher jedenfalls, als ich ohnehin schon wirke: als abgehalfterter Politiker, der nicht spürte, wie der Boden unter ihm zu wanken begann. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht schreiben kann. Also Briefe schon, natürlich, auch Aktenvermerke. Ich bin gut in Aktenvermerken. Das werden Sie feststellen. Auch, wie hilfreich es ist, sich beizeiten Notizen zu machen. Aber ein Buch zu schreiben, das traue ich mir nicht zu. Übrigens engagiere ich Sie auch gerade deshalb, damit Sie Ihre Sicht der Dinge zwischen Buchdeckel bringen, nicht meine. Wobei ich natürlich hoffe, dass sich Ihre Sicht der Dinge, um die es hier geht, mit meiner decken wird, jedenfalls weitgehend, sobald Sie erst mal alle Akten und Fakten kennen und mit Leuten gesprochen haben. Ich verspreche Ihnen: ich werde keine Zensur ausüben. Deshalb die Drittelregelung. Wenn wir nach zwei Dritteln des Weges nicht übereinstimmen, dann steige ich aus. Sie haben 40.000 Euro und können mit dem Manuskript machen, was sie wollen. Vorausgesetzt, ich habe alle Zitate autorisiert, also alles, was Sie mir in den Mund zu legen gedenken. Sonst bleiben Sie auf 20.000 Euro sitzen. Die sind Ihnen in jedem Fall sicher. Na?«
»Okay. Das klingt fair. Ich würde mich aber gern mit Paul Bärkamp beraten, bevor wir irgendetwas unterschreiben. Geht das in Ordnung?«
»Sicher. Meinen Vorschlag habe ich übrigens mit Bärkamp zusammen entwickelt. Ich würde mich sehr wundern, wenn er Ihnen raten würde, ihn nicht anzunehmen.«
Dieser