Emma schreibt. Armand Amapolas

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Emma schreibt - Armand Amapolas Emma auf Teneriffa

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sollte sie mehr nachdenken und weniger plappern. Sie räusperte sich und verabreichte sich mental eine kalte Dusche. »Es tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe. Es ist natürlich schon spät. Wir könnten uns morgen oder übermorgen treffen. Morgen früh allerdings bin ich mit Horst Hanisch verabredet.«

      »Schon wieder? Darüber müssen wir sprechen. Noch mal: wo bist du?«

      »Nicht im La Palma, sondern in Santa Cruz im Hotel Victoria. In Puerto de la Cruz war nich noch gar nicht.«

      Im La Palma, dem Apartmenthaus aus den 1970ern in Puerto, hatte Emma die Wohnung ihrer Großmutter geerbt. Dort hatte sie gewohnt, zwischen den alten Möbeln ihrer Oma, während ihres ›Inselabenteuers‹ vor einem guten halben Jahr.

      »Boah ey, wie ihr in Wanne-Eickel sagt: ein ziemlicher Aufstieg. Madame verkehren also jetzt im ersten Haus am Platze.«

      »Mademoiselle bitte. Und das mit dem Verkehr verbitte ich mir.«

      »Schade eigentlich. In einer Stunde bin ich bei dir. Und dann können wir ausführlich über Hanisch und das Candela-Projekt reden.«

      »Gut. Ich erwarte Sie dann in der Lobby, Herr Dorenbeck. Ich hoffe, Sie werden mich erkennen.«

      Frisch geduscht, in gewechselter Jeans und zu ihrem Bedauern arg verknitterter Bluse – Blusen sind für den Transport in Rucksäcken einfach nicht geeignet – blätterte Emma damenhaft-gelangweilt, auf einem weißen Ledersessel thronend, die Beine übereinandergeschlagen, in einem Lifestyle-Magazin, als Dorenbeck suchend die Lobby des Victoria betrat – oder besser: erstürmte. Emma konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte sich so platziert, dass sie den Eingang im Auge behielt. Ein interessantes Publikum hatte das Victoria, fand Emma. Hier schienen keineswegs nur Geschäftsleute zu verkehren – oder Geschäftsleute sahen auf Teneriffa anders aus als in Deutschland. Weniger uniform. Jünger. Besser. Und weiblicher.

      Dass Mike erschienen war, fühlte sie schon, bevor ihre Augen ihn wahrnahmen. Er sah genau so aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Lässig-souverän. Keines seiner Kleidungsstücke wirkte an ihm gewollt oder deplatziert – verblasste Jeans, dunkles Poloshirt, eine dünne braune Wildlederjacke am Zeigefinger über der Schulter hängend. Struwweliges dunkelblondes Haar. Suchender Blick. Der suchende Blick gefiel ihr am besten.

      Emma musste nicht winken. Mike hatte sie sofort erspäht und kam schnurstracks auf sie zu. Sie legte das Magazin beiseite und stand auf. Wie sollten sie sich begrüßen? Die Hände schütteln, bevor sie ihm einen Platz anbot? Bevor Emma eine Antwort darauf fand, hatte Mike sie schon umstandslos in die Arme genommen. Emma war ihm dankbar dafür, ließ sich drücken. Drückte sich an ihn. Dann stieß sie ihn fort: »Herr Dorenbeck, was nehmen Sie sich heraus? Pflegen Sie so über Ihre Interviewpartnerinnen herzufallen? Lernt man das in der Freien und Hansestadt Hamburg so?«

      »Ach, das Interview! Jetzt habe ich glatt mein Aufnahmegerät vergessen. In der Aufregung. Wer interviewt eigentlich wen? Lass mich anfangen: Wie geht es dir? Gut siehst du aus.«

      »Danke. Das täuscht. Auch die Umgebung hier dient nur der Tarnung. Ich bin arbeitslos, gefeuert, des sexual harassment verdächtig und im Begriff, mich für Geld zu verkaufen.«

      Mike hatte die Jacke locker über eine Stuhllehne gelegt und griff mit seiner Rechten zur Gesäßtasche. »Ich habe höchstens fünfzig Euro bei mir. Nimmst du auch Karten?«

      »Ferkel! Ich bin im Begriff, meine Prinzipien zu verkaufen. Ich schreibe PR-Artikel und werde womöglich Ghostwriterin. Mietschreiberin. Ansonsten bin ich für Geld nicht zu haben. Für leckeres Essen schon eher.«

      »Ich weiß nicht, ob Jeansträger hier überhaupt ins Restaurant gelassen werden. Aber man kann auch am Pool was zu kauen bekommen. Ich hoffe, dass es schmeckt.«

      Es gelang den beiden einfach nicht, ihrem Gespräch eine Wendung ins Ernste zu geben. Auch nicht, als sie an einem der Tische auf einer Empore neben der Poolbar Platz genommen und Weißwein und Tapas bestellt hatten. Immer wenn sie auf Hanisch oder das Candela oder auf Emmas Abgang von der Revue oder auch auf Mikes aktuelle Lebensumstände zu sprechen kamen, gab einer von ihnen dem Gespräch sofort wieder eine Wendung ins Anzügliche, Verspielte. Sie genossen das Spiel. Beide. Und waren sich dessen beide bewusst.

      Irgendwann war alles aufgegessen, die Flasche Wein geleert, eine zweite angebrochen, Kaffee genommen, und Emma hatte die Frage gestellt, ihrer inneren Stimme zum Trotz.

      Dann hatte alles eigentlich ganz gut begonnen, fand Emma. Im Aufzug waren sie allein und haben sich geküsst. Erst vorsichtig, dann leidenschaftlich. Nur Mikes Jacke war im Weg gewesen.

      Auf dem Weg zu Emmas Zimmer haben sie Händchen gehalten. Ganz fest. Es fiel Emma schwer, den Griff zu lösen, was sie aber musste, um ihre Zimmerkarte aus der Hosentasche zu nesteln.

      Aber dann, als sich die schwere Zimmertür hinter ihnen schloss, war es Emma, als hätte sich das Wetter urplötzlich gedreht. Ihr war kalt und heiß zugleich. Sie ließ es zu, dass Mike sie wieder in den Arm nahm. Sie erwiderte seinen Kuss, aber sie nahm dabei sehr bewusst wahr, wie sich seine Zunge zwischen ihre Zähne schob. Aus Unwohlsein und Verlegenheit schob sie ihn von sich und knöpfte ihre Bluse auf. Mike zog sich das Poloshirt über den Kopf und nestelte an seiner Jeans. Die Jacke hatte er achtlos auf den Boden fallen lassen. Emma drehte sich um und verschwand im Bad, zog die Tür hinter sich zu, atmete tief durch.

      Emma, was ist los mit dir? fragte sie sich. Sie mochte diesen Mann, sehr sogar – und ja, sie wollte Sex mit ihm. Es war höchste Zeit für Sex, fand sie, richtigen, bewussten, willentlichen, guten, ehrlichen Sex. Wann hatte sie zuletzt mit einem Mann geschlafen? Wie lange lag das zurück? Viel länger jedenfalls als ihr ›Abenteuer‹ auf Teneriffa. Es war an der Zeit, auch die Erinnerung daran endlich zu verarbeiten. Zu überwinden. Durch Sex. Mit Mike. Das war richtig! Und jetzt war die Gelegenheit dafür, jetzt! Emma atmete tief durch und zog ihre Jeans aus. Dann streifte sie auch Socken und Slip ab. Sie besah sich im übergroßen Badezimmerspiegel. Hatte sie zugenommen? Wie würde Mike sie ansehen, wenn sie jetzt so, nackt, mit leicht durchhängenden Brüsten und wabbeligen Hüften, wie sie fand, das Bad verließe? Vielleicht wäre es das Beste, sie würde sich wieder anziehen.

      Es klopfte an der Badezimmertür, sachte. »Darf ich duschen?«, hörte sie Mikes Stimme und war ihm dankbar. Sie musste keine Entscheidung fällen.

      Emma öffnete zaghaft die Tür. Mike, mit nacktem Oberkörper, aber noch immer in Jeans, trat einen Schritt zurück und starrte sie bewundernd an. »Wow! Dafür würde ich jede Foie Gras stehen lassen!«

      »Heißt das, ich bin fett wie eine Gans?« Emma schnüffelte. »Kann es sein, dass hier jemand müffelt? Ab ins Bad!« Sie hielt Mike die Badezimmertür auf und trat zur Seite. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, eilte Emma zum Balkonfenster und zog die Vorhänge zu. Dann schaltete sie das Licht im Eingangsbereich aus und eine kleine Nachttischleuchte an. Als sie das Wasser rauschen hörte, fragte sie sich einen Moment, ob sie vielleicht einfach zu Mike unter die Dusche steigen sollte. Stattdessen schlüpfte sie eilig zwischen die kühlen, seidigen Laken des Bettes. Jetzt sollte sie entspannt sein, fröhlich, erwartungsvoll. Stattdessen fühlte sie sich steif wie ein Brett, verkrampft.

      Nichts fühlte sich richtig an, als Mike schließlich neben ihr lag, Emma auf dem Rücken, er auf der Seite, ihr zugewandt. Niemand sprach. Mike streichelte erst ihren Arm, dann ihre Brüste. Er küsste sie. Sie küsste ihn, griff nach seinem Nacken, mechanisch, gegen ihren Willen, zog ihn an sich. Kurz darauf war er in ihr. Er gab sich Mühe, war vorsichtig und zärtlich; das musste Emma anerkennen, aber sie fühlte: nichts. Oder anders: eine Mischung aus Apathie, Ärger, Lust und Angst. Sie wusste nicht, was mit ihr los war. Sie verstand nur eines: sie hatte einen Fehler

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