Emma schreibt. Armand Amapolas
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![Emma schreibt - Armand Amapolas Emma schreibt - Armand Amapolas Emma auf Teneriffa](/cover_pre911273.jpg)
Wollte sie Mike wiedersehen? Ja, definitiv wollte sie das. Wenn etwas gut gewesen war an ihrem letzten Inselaufenthalt, dann, gestand sie sich ein, trug das den Namen Michael Dorenbeck. Wenn sie daran dachte, wie sie neben ihm gesessen hatte in Bruno Bautenmeisters Scheune…, richteten sich ihre Nackenhärchen auf. Sonst war ja nichts passiert zwischen ihnen, aber es hätte… Wenn sie nicht den Abschiedsbrief geschrieben hätte und fluchtartig die Insel verlassen. Hätte, wäre, könnte…
Ja, sie wollte Mike wiedersehen, auf jeden Fall. Aber wie könnte sie das anstellen, ohne daraus ein großes Drama zu machen? Jetzt einfach zu simsen: Juhu, ich bin wieder da, aber nur für ein paar Tage, das erschien ihr kindisch. Jedenfalls irgendwie unangemessen. Aufdringlich? Zu viel versprechend? Oder zu läppisch? Es musste sich ein anderer Weg finden lassen. Vielleicht sollte sie sich erst einmal die aktuelle Ausgabe der Inselzeitung besorgen.
Das erwies sich als gute Idee. Denn was fand sie in dem Blatt, neben den obligatorischen Urlaubs- und Anlagetipps? Einen größeren Beitrag über ein offenbar umstrittenes Bauprojekt in Santa Cruz. Ein deutsch-spanisches Firmenkonsortium wollte dort einen spektakulären Büro- und Apartment-Turm hochziehen, mit 32 Stockwerken, gleich neben zwei anderen Türmen, die dort schon standen, landeinwärts vom Auditorio aus gesehen, und die Emma sofort aufgefallen waren, natürlich. Sie überragten alles auf der Insel sonst Gebaute bei weitem. Sie wirkten wie zwei kantige Ausrufezeichen aus Stahl und Glas inmitten eines Waldes aus Kleinbuchstaben und Kommata. Dem Artikel entnahm sie, die Türme – La Candela I und II – sollten um einen dritten ergänzt werden – La Candela III –, diesmal einen runden. Es gab Befürworter und Gegner des Baus. Vom Ausverkauf der Kulturmeile war die Rede, von einem Ghetto für Reiche, von irreversiblen Eingriffen ins Mikroklima. Was Emma aber vor allem elektrisierte, neben dem Namens des Autors, war ein anderer Name, auf den sie in dem Text stieß: Horst Hanisch. Er wurde zitiert, in doppelter Funktion. Er wohnte im Candela, und offenbar war er irgendwie an dem Bauprojekt beteiligt. Es hieß, er sei ein »Berater« der Investoren.
Der Autor des Artikels hieß Mike Dorenbeck. Jetzt hatte sie einen geradezu zwingenden, nämlich einen journalistischen Grund, sich bei ihm zu melden, rein aus professioneller Neugier heraus, natürlich.
6
Sag das jetzt nicht! Du begehst einen Fehler! Du wirst es bereuen. Emma hielt sonst nichts von inneren Stimmen. Sie hatte es nicht so mit Esoterik und ähnlichem Gedöns. Aber jetzt hörte sie es klar und deutlich: Nein! Sag es nicht!
Sie hatte es dann doch gesagt: »Willst du noch mit hochkommen?« Sie hätte auf die Stimme hören sollen.
Jetzt lag sie in ihrem extra breiten und extra hohen King-Size-Hotelbett und war allein. Sie fühlte sich alleiner – wenn es das Wort gäbe – als an irgendeinem Morgen zuvor, an den sie sich erinnern konnte. Sie fühlte sich alleingelassen. Von der ganzen Welt. Schlimmer: von sich selbst. Und von Mike. Aber dem konnte sie das am wenigsten verübeln.
Mike war gegangen. Im Dunkeln. Es mochte um drei oder vier Uhr gewesen sein. Sie hatte nicht auf die Uhr gesehen. Sie hatte nichts gesehen, nichts sehen wollen, nichts hören, nichts schmecken. Sie hätte sich wegbeamen wollen. Irgendwohin, nur weg aus diesem Bett, diesem Zimmer, dieser Situation.
Dabei hatte der Abend wunderbar begonnen. Emma hatte gedacht, sie schwebe, nach ihrem Telefonat mit Mike. Sie war stolz auf sich. Sie fühlte sich gut. Sie freute sich aufs Wiedersehen. Sie stieg unter die Dusche und trällerte, ganz gegen ihre Gewohnheit, ein Lied. War sie glücklich? Vermutlich.
»Ich hätte gern Herrn Dorenbeck gesprochen.« Sie hatte in der Redaktion der Inselzeitung angerufen. Schließlich ging’s ums Geschäft. Ein business call. »Herr Dorenbeck ist unterwegs«, meldete sich eine Frauenstimme. Sie klang jung. Emma fühlte einen imaginären Stich, empfand einen Anflug von Übelkeit. »Aber ich kann ihm gern eine Nachricht zukommen lassen, wenn Sie mir Ihr Anliegen nennen. Wie war noch gleich Ihr Name?«
Keine fünf Minuten später rief Mike Dorenbeck zurück. »Emma? Ich kann es nicht fassen. Wie oft habe ich gedacht, wenn mein Telefon klingelte, du wärst dran. Und jetzt, wo ich die Hoffnung fast aufgegeben hatte – aber nur fast –, da rufst du an. Wo bist du? Und was soll der Quatsch mit ›Candela III‹?«
Emma hatte der Zicke in der Redaktion neben ihrem Namen das Stichwort »Candela III« hinterlassen. Bei der Zicke kam das gut an. Sie wirkte beflissen: »Ach, es geht um den Artikel?«
»Genau.«
»Deine Kollegin in der Redaktion schien ganz beruhigt zu sein, dass ich nur wegen des Artikels hinter dir her bin.«
»Ach, du bist hinter mir her! Schön. Ich dachte, es sei umgekehrt. Aber so gefällt es mir noch besser. Die ›Kollegin‹ ist übrigens eine Teilzeitkraft im Sekretariat und glücklich verheiratet.«
»Schade für dich.«
»Wieso schade? Ich liebe verheiratete Frauen. Da weiß man wenigstens, woran man ist.«
»Apropos Candela III: ich interessiere mich wirklich für das Bauprojekt in Santa Cruz. Deshalb bin ich hier.«
»Hier? Du bist auf der Insel? Das ist nicht dein Ernst. Seit wann?«
Emma glaubte, einen Hauch von Verstimmung aus Mikes Tonlagenwechsel herauszuhören: »Seit vier Stunden etwa. Ich bin am frühen Nachmittag gelandet. Und ich wollte mich erst etwas frisch machen, bevor ich dich anrufe. Das ist dir doch recht? Ach so: zwischendurch hat mich noch ein charmanter Mann zum Essen eingeladen. Du weißt ja, wenn es Leckeres zu essen gibt, kann ich nicht widerstehen.«
»Nein, das wusste ich bisher nicht. Ich habe jedenfalls ein ziemlich schallendes Nein im Ohr. Obwohl meine Kochkünste von den meisten Frauen gerühmt werden.«
»Wie gut mein neuer Bekannter kochen kann, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Wir haben im Bistro des Auditorio gegessen. Ein schöner Platz. Gutes Essen, guter Wein, wenn die Musik auch so gut ist… Hanisch heißt mein neuer Bekannter übrigens, Horst Hanisch. Freunde nennen ihn Hotte. Aber so weit bin ich mit ihm noch nicht.«
»Hanisch? Was hast du mit Hanisch zu tun? Bist du wirklich beruflich hier?«
»Was denn sonst? Würde ich sonst in der Redaktion angerufen haben? Warum sollte ich?«
»Stimmt. Du hast schließlich meine Handynummer. Die hat sich nicht geändert. Bei mir hat sich überhaupt nicht viel geändert.«
»Gut. Überwiegend. Du weißt ja: ich bin ein bisschen schüchtern. Und altmodisch. Ich werde gerne aufgefordert. Und eingeladen.«
»Okay. Was hast du heute Abend noch vor? Wo genau steckst du? Im La Palma? Dann würde ich dich von dort erretten, vielleicht. Zu mir in die Cabaña kann ich dich allerdings nicht einladen. Da gibt’s nichts zu essen, und es sieht ziemlich unaufgeräumt aus. Junggesellenhaft eben.«
»Mir scheint, du lässt dich gehen.«
»Mir fehlt die Frau im Haus.«
»Im Haus, soso. Ich hätte lieber gehört: im Leben.«
Emma