Emma schreibt. Armand Amapolas

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Emma schreibt - Armand Amapolas Emma auf Teneriffa

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weiß, vielleicht vernaschte er regelmäßig junge Reporterinnen oder Praktikantinnen und Sekretärinnen? Hier, auf seinem Schieferplateau. Womöglich hatte er tatsächlich einen Hang zu sado-masochistischen Sexspielen? Und vermutete nun in ihr, Emma Schneider, eine Gleichgesinnte, eine willige Gespielin. Höchste Zeit, das Theater zu beenden.

      Oder vielleicht doch noch nicht sofort? Emma war hin- und hergerissen zwischen dem Drang aufzuspringen und das Reifenhaus Schulte-Bückendorf fluchtartig hinter sich zu lassen – und professioneller Neugier: wie würde das weitergehen? Als was würde sich der Reifenprinz entlarven? Dass sie eigentlich hier war, um eine öde Auftragsgeschichte zu schreiben und Geld zu verdienen, endlich wieder, verdrängte sie. Auch wenn ihr, auf einer tieferen Ebene ihres Bewusstseins, sonnenklar war, dass sich für »Die Sado-Maso-Träume des Reifenprinzen« allenfalls die Bildzeitung oder irgendwelche Skandalblogs interessieren würden – für die sie, Emma Schneider, niemals schreiben würde –, aber sicher nicht Tanja Dückers und die Lippe Revue. Sie wäre ihren ersten Auftraggeber als freie Journalistin schon wieder los, bevor sie auch nur einen Euro zurückgelegt hätte.

      Fast ein halbes Jahr war es jetzt her, dass Emma ihren Job als Redakteurin der Halterner Post verloren hatte. Das Blatt wurde eingestellt, von jetzt auf gleich. Im Sinne einer »leider unvermeidlichen Kostenminimierung« des Verlages. Emmas journalistische Karriere war abrupt beendet, kaum dass sie sich warmgeschrieben hatte.

      »Es ist Ihnen doch recht, dass wir für eine Weile unter uns bleiben, Emma? Anastasia?«

      Aha, Mr. Gräulich vergewissert sich. Er geht auf Nummer Sicher, das Schwein, dachte Emma. Sie entschloss sich zu schweigen und sah Schulte-Bückendorf nur herausfordernd an. Der nahm das offensichtlich als Bestätigung. »Dann sollten wir jetzt ein bisschen Spaß miteinander haben.« Er erhob sich und tigerte um den Schiefertisch herum auf Emma zu. Dabei nestelte er an seinem Hosenlatz.

      Das durfte nicht wahr sein! Emma war viel zu verblüfft, um irgendeine Reaktion zu zeigen. Sie hatte das Gefühl, auf ihrem Stuhl zu kleben und lehnte sich angewidert so weit wie möglich zurück.

      »Gefällt er dir? Mach ihn hart! Mit deinem wunderschönen Mund! Damit ich dich danach belohnen kann.« Lambert Schulte-Bückendorf lehnte sich an den Schreibtisch und streckte Emma doch tatsächlich sein zweites Ich entgegen, mephistophelisch grinsend. Mit einer energischen Kopfbewegung schien er ihr bedeuten zu wollen, dass Emma jetzt aufstehen und vor ihm niederknien dürfe.

      Emma befreite sich aus ihrer Schreckstarre, steckte Block und Bleistift in ihre leinene Umhängetasche, die sie neben dem Stuhl abgestellt hatte, und machte Anstalten, sich zu erheben. Was sie jetzt tat, geschah ohne Plan und Überlegung. Sie konnte gar nicht anders. Sie zögerte gespielt und griff zu ihrem Smartphone, das sie zu Beginn dessen, was ein Interview hätte werden sollen, auf dem Schreibtisch abgelegt hatte. »Das Mikrofon sollte ich jetzt wohl besser ausschalten«, schnurrte sie lächelnd. Schulte-Bückendorf nickte überrascht – er hatte offenbar völlig vergessen, dass die Reporterin seine Erlaubnis eingeholt hatte, das Gespräch aufzeichnen zu dürfen. »Ja, das ist wohl besser so. Obwohl: schade eigentlich, wenn ich daran denke, was nachher zu hören sein wird.« Schulte-Bückendorf klatschte einmal kräftig in die Hände.

      In diesem Moment klickte Emmas Smartphone. Und gleich darauf noch einmal. Emma beschloss, ausnahmsweise keinen prüfenden Blick mehr auf die zwei Fotos zu werfen, die sie vom klatschenden Reifenprinz und seinem Allerheiligsten gemacht hatte. Das Smartphone einstecken, die Tasche umhängen, sich vollends vom Stuhl erheben, Lambert Schulte-Bückendorf freundlich zunicken und zügig der Bürotür zueilen: das war eins. Die Tür ließ sich öffnen. Emma atmete kraftvoll aus. Während der fünf Schritte auf die schwarzlackierte Tür hatte sie die Angst durchzuckt, die Tür könnte verriegelt sein. Was dann?

       2

      »Du hast was?« Tanja von Dückers beugte sich so weit und so energisch über ihren massiven Eichenschreibtisch, dass einer der Bücherstapel, von denen die komplette Schreibfläche umrandet war, wie eine mittelalterliche Stadt von Burggräben und Mauern, gefährlich ins Wanken geriet. »Zeig her!«

      Emma war froh, dass sie nicht auf einem der beiden 50er-Jahre-Cocktailsessel Platz genommen hatte, die Tanja von Dückers anstelle von Stühlen vor ihrem Schreibtisch platziert hatte, zusammen mit einem Beistelltischchen aus dunkel gefärbtem Glas auf gertenartig geschwungenen Messingbeinchen. Einer der Sessel war algengrün, der andere orange. Emma setzte sich grundsätzlich nicht vor Tanjas Schreibtisch. Erstens konnte sie sich niemals entscheiden, welche Farbe sie provozierender fand – das deprimierende Algengrün oder das schreiend optimistische Orange – und zweitens wäre sie sich lächerlich vorgekommen, auf so einem Partysesselchen hingelümmelt vor dem Eichenholzmonster von Schreibtisch, der vermutlich in seinem ersten und eigentlichen Büromöbelleben irgendein weitläufiges, dunkel getäfeltes Bergwerksdirektorenzimmer dominiert hatte. Dort hatte er bestimmt jenseits eines Perserteppichs von den Ausmaßen eines mittleren Vorgartenrasens residiert. Ein Cheftisch par excellence, signalisierend: mach dich klein, du Zwerg, vor deinem Chef und Gott!

      Das Imponiermöbelstück passte eigentlich ganz und gar nicht zu Tanja von Dückers, oder allenfalls zum »von« in ihrem Namen, aber das war angeheiratet. Die Verlegerin und Chefredakteurin der Lippe Revue war die personifizierte Freundlichkeit und Unmittelbarkeit. Sie liebte es, ihre Gesprächspartner, gleich ob Mann oder Frau, Volontärin oder Anzeigenkunde, Bürgermeister oder Ministerin, ohne Vorwarnung in den Arm zu nehmen, unterzuhaken, links, rechts und wieder links abzubusseln, vertraut zu zwicken, neckisch zu stoßen. Das tat sie mit einer solch burschikos-eleganten und immer heiteren Selbstverständlichkeit, dass, soweit Emma dies beurteilen konnte, noch niemand abwehrend zurückgewichen war oder sich gestört gefühlt hatte, wenn Tanja von Dückers zu einer ihrer Charme-Offensiven angesetzt hatte. Diese Frau stellte Nähe her, schuf blitzschnell eine Aura der Vertrautheit – die es ihr immens erleichterte, dreiste Fragen zu stellen oder eine teure Anzeigenschaltung vorzuschlagen. Emma bewunderte sie sehr dafür. Tanja von Dückers gäbe eine glänzende TalkshowGastgeberin ab, dachte Emma oft – wenn sie für das heute gängige Infantil-TV nicht gut zwanzig Kilo zu viel auf den Hüften hätte und dreißig Jahre zu alt wäre. Außerdem trug sie gern wallende, ihre Hüften sanft umspielende Leinengewänder und behängte sich mit langen Ketten voller dunkel glitzernder Halbedelsteine: Geschenke ihres sie anbetenden Gatten, die aber alles andere als telegen wirkten.

      Hauke von Dückers, ihr Ehemann, war von Beruf Erbe. Er war der letzte aus einer längst von anonymen Investoren abgelösten Dynastie von Bohrhammer-Herstellern. Da ihm das zwar ein Auskommen sicherte, ihn aber in keiner Weise beschäftigte, war er von Beruf eigentlich Gatte. Er selbst nannte sich: Verleger. Er war Verleger an der Seite der Verlegerin. Eine für beide Partner erquickliche Kombination: Der Name von Dückers öffnete Tanja alle Türen, jedenfalls im nördlichen Ruhrgebiet. Und Hauke musste sich auf Partys und bei Premieren niemals wie abgestellt und ausgemustert vorkommen. Der Name von Dückers zierte jede bessere Einladungsliste, die zwischen Düsseldorf, Münster und Dortmund zusammengestellt wurde. Und die Lippe Revue wurde zwar von niemandem journalistisch ernst genommen, lag aber auf Tischchen und Sideboards in beinahe jeder Chefetage aus, in Arztpraxen und Anwaltskanzleien. Das Heft glänzte mit sattbunten Bilderstrecken der Art: »Martin vor der Wülbecke und seine Gemahlin Annegret feierten ihre Silberhochzeit in illustrem Kreis auf Gut Stutenborg«, oder: »Die renommierte Kanzlei Bedenbrock und Sorge heißt jetzt BedenbrockSorgeGroßschmitt: Patriarch Reinhold Bedenbrock öffnete aus Anlass von Umbenennung und Umzug in neue Räume eine Flasche Champagner, »vom Aldi«, wie er mit gequälter Bescheidenheit betonte, und stieß mit geladenen Gästen an. Links im Bild Regierungspräsident Dr. Manfred Borchers neben seiner Gattin Ursula.« Journalismus at its best: jedenfalls in den Augen der Eitlen und Mächtigen. Wie Emma fand – und auf der Hochschule und bei Paul Bärkamp gelernt hatte: triviale Propaganda pur.

      Die Lippe Revue spiegelte nach eigenem Anspruch »das gesellschaftliche Leben«

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