Emma schreibt. Armand Amapolas
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![Emma schreibt - Armand Amapolas Emma schreibt - Armand Amapolas Emma auf Teneriffa](/cover_pre911273.jpg)
Statt also herumzuhängen und sich auszuheulen oder auf einen neuen, sich vermutlich niemals materialisierenden Auftrag der Bildzeitung zu warten, erschien es Emma nach kurzem Nachdenken gar keine so schlechte Idee, das Angebot der Frau von Dückers wenigstens mal auszuloten. Nein sagen konnte sie ja später immer noch.
Zum Nein war es dann nicht gekommen. Emma hatte keine Chance gehabt. Schon, dass Emma zurückrief, deutete Tanja von Dückers als klare Zusage. »Wunderbar, Kindchen, dass Sie anbeißen. Sie machen mich glücklich. You made my day. Apropos anbeißen: Haben Sie heute schon was gegessen? Nein? Wissen Sie was? Ich bin sowieso auf dem Weg nach Bochum. Ich treffe meinen Mann zum Lunch im »Esszimmer«. Kommen Sie doch dazu! Dann haben wir wenigstens ein anderes Thema als immer nur Golf. Meinen Mann kennen Sie doch? Er jedenfalls findet Sie äußerst begabt. Und attraktiv. Aber keine Angst: er ist streng monogam. Wenn er mich betrügt, dann nur auf Greens beim…« An diese Stelle setzte Tanja von Dückers eine kurze, theatralische Sprechpause. Gerade lang genug, um Emma wie gewollt das Wort »Einlochen« denken zu lassen. »Außerdem können Sie uns von Teneriffa erzählen. Da waren wir nämlich schon lange nicht mehr, mein Hauke und ich. Da soll es ja wunderbare neue Golfplätze geben. Und neuerdings sogar Morde!«
Tanja hatte gekichert, und Emma hatte nicht Nein sagen können. Nicht am Telefon und auch nicht später beim Lunch im Esszimmer, wo die Verlegerin und Chefredakteurin Emma zum »Surf’nTurf japonais« überredet hatte – Hummerschwänze mit Entrecote vom Charolais-Rind auf Algensalat – und dazu, am helllichten Tag mitten in der einstigen Malochermetropole Chardonnay zu trinken. »Den Champagner machen wir nachher in der Redaktion auf. Dann stoßen wir auf unsere neue Star-Schreiberin an.«
Die Star-Schreiberin wurde fortan auf Charity-Parties angesetzt, sie interviewte frisch gewählte Mandatsträger, porträtierte »Hidden Champions« und deren Chefs: weithin unbekannte, aber vielfliegende Mittelständler mit gewaltigen Meilen-Konten und entsprechenden Egos. Um den parallelen Anzeigenverkauf kümmerte sich die Chefin persönlich. So konnte sich Emma dem Selbstbetrug journalistischer Freiheit hingeben. Was ihr meist sogar gelang. Sie erschrak gelegentlich vor der Erkenntnis: ihr neuer Job machte ihr Spaß.
Tanja von Dückers’ umarmender Charme war über Emma gekommen wie ein plötzlicher Gewitterregen über eine ausgedörrte Bolzplatzwiese. Sie hatte nur noch nicken und Hauke und Tanja zuprosten können. Man duzte sich vom Start weg auf hanseatisch: »Emma, Sie…« Der Wein schmeckte Emma ausgezeichnet. Und der Champagner erst! Es war »keiner vom Aldi, sondern Eigenimport, direkt aus Metz«, wie Hauke von Dückers versicherte: »Von diesem kleinen Champagnerhaus hat schon mein Urgroßvater die Firma beliefern lassen. Und damit haben wir auch auf den Verkauf der Firma angestoßen. Was allerdings ein Akt der Vergeudung war. Die Chinesen haben den Tropfen nicht zu schätzen gewusst. War ihnen wohl nicht süß genug. Wir hätten Cola untermischen sollen. Oder Ginseng.«
Ansonsten beteiligte sich Hauke von Dückers selten am Gespräch. Er beschränkte sich auf waches Zuhören und gelegentliche, spöttische Einwürfe. Die allerdings saßen, nicht selten übrigens auf Kosten seiner Ehefrau. Worauf Hauke seine Tanja kokett anzublinzeln pflegte. Worauf wiederum sie, schamhaft den Blick senkend, leicht zu erröten schien.
Emma konnte sich nicht helfen: Sie bewunderte dieses Paar vom Start weg und willigte nur allzu gerne ein, als Tanja ihr vorschlug, doch besser gleich zum echten Du zu wechseln, später würde »so ein steifes Gestelze daraus und womöglich würde Hauke mit dir sogar Bruderschaft trinken wollen, der alte Wüstling.« Bruderschaft wurde natürlich dennoch geschlossen, prostend, einander umarmend, à trois. Hauke deutete einen züchtigen Wangenkuss an. Tanja tat wachsam und alarmiert. Großartig, wie die beiden sich inszenierten, fand Emma, und das nach mehr als 30 Jahren Ehe! Wie sie aufeinander eingespielt waren, sich ergänzten und dabei gegenseitig interessant machten! Ob ihr jemals Ähnliches gelingen würde? Mit wem?
Komisch, dass sie ausgerechnet in diesem Moment an Michael Dorenbeck denken musste. Es hatte einfach Spaß gemacht, mit ihm zu reden, rumzuflachsen, zu flirten. Er war ganz anders als Jörg. Dunkler, ernster, aber zugleich auch heiterer. Aufregender.
Jetzt konnte Emma den Bücherstapel gerade noch daran hindern, sich auf den zwar großflächig zerkratzten, aber sichtbar soliden Parkettboden der Villa Dückers zu senken, in der Tanja und ihr Hauke nicht nur wohnten, sondern in der auch Redaktion und Verlag der Lippe Revue residierten. Wobei die herrschaftlichsten Räume der Beletage voller Schreibtische standen, bei permanent geöffneten Flügeltüren: Verlag und Redaktion waren Eins und teilten sich konsequenterweise ein Großraumbüro. Die Chefredakteurin und Verlegerin begnügte sich mit einem quadratischen Raum zur Gartenseite hin. Dank großer Fenster und hoher, mit Ranken-Stuck geschmückter Wände wirkte er zwar durchaus herrschaftlich, andererseits war er mit Möbeln nur so zugestellt. Neben dem wuchtigen Eichenholzschreibtisch und der Cocktailgarnitur hatte Tanja, die als leidenschaftliche Sammlerin eigenwillig geformter Möbelstücke Epochengrenzen und Geschmackstabus souverän ignorierte, noch eine Art-Deco-Bartheke, einen klobigen amerikanischen Safe und einen grobhölzernen, abgeschliffenen Bauerntisch hier untergebracht, der von vier verschiedenen Designerstühlen à la Bauhaus umgeben war und als Konferenzort diente.
»Zeig!«
Tanja umrundete mit einer für eine so wuchtige Persönlichkeit frappierenden Geschwindigkeit ihr Schreibtischmonster und lehnte sich an Emmas Schulter an. Wie die beiden Frauen, die schlanke junge und die Rubens-hafte ältere, sich über das Display von Emmas Smartphone beugten und kicherten, hätten sie zwei Schulfreundinnen sein können; Teenager, die sich über den peinlichen Schnappschuss eines Lehrers freuen. Das Foto auf Emmas Handy zeigte einen Hosenschlitz und mitten drin ein männliches, leicht erigiertes Geschlechtsorgan: einen Penis in Vorfreude.
»Das ist Lambert Schulte-Bückendorfs Ding? In Echt?« Tanja Dückers sprühte vor Freude und Gemeinheit. Emma glaubte, den Geist von Woodward und Bernstein zu spüren, den Geist der legendären Watergate-Skandal-Enthüller. Der Helden aller nachgeborenen Investigativ-Journalisten. Woodward und Bernstein und die aufrechte, sich keinem Druck beugende Redaktion der Washington Post hatten einst den Rücktritt von Richard Nixon erzwungen, des mächtigsten Mannes der Welt, des US-Präsidenten. So sollten Journalisten sein! So konnte, so musste Journalismus sein! Hatte Emma gedacht.
»Ist der entzückend! Und LSB hat ihn rausgeholt, einfach so, mitten in seinem Büro? Wie Bill Clinton bei Monica Lewinsky?«
»Ich weiß nicht, wie das bei Clinton war. LSB hat jedenfalls vorher noch rasch im Vorzimmer Bescheid gegeben: er wolle nicht gestört werden. Und dann stand er auch schon vor mir.«
»Stand?« Tanja gluckste vor Vergnügen. »Naja. Und? Wie ist es dazu gekommen? Du solltest ihn doch interviewen und ihm mitnichten einen Blowjob anbieten. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern.«
»Ich hab ihm überhaupt nichts ›angeboten‹!« Emma war ein wenig pikiert. Und überrascht. Wie konnte Tanja auch nur auf den Gedanken kommen! »Wir haben uns unterhalten, er saß hinter seinem Schreibtisch, ich davor, mit Block und Handy. Züchtig. Er allerdings hat allerlei Anzüglichkeiten von sich gegeben. Und das einzige, was ich ›getan‹ habe, war, nichts zu tun. Was er als strikte Zurückweisung seiner Andeutungen auffassen musste. Das reichte, ihm den Eindruck zu vermitteln, vor ihm säße keine Journalistin, sondern ein Stück Fleisch, das er sich grabschen kann. Hab ich übrigens alles auf dem Smartphone.«
Tanja holte tief Luft und sagte, für sie ungewöhnlich genug, erst einmal gar nichts. Langsam und nachdenklich kehrte sie zu ihrem Chefsessel zurück und ließ sich fallen. Modernstes Bürodesign, ein Schweizer Fabrikat. Sie lehnte sich so weit nach hinten, wie der Stuhl es hergab und sah Emma ungewohnt nüchtern in die Augen. »Du weißt schon, was das heißt?«
Emma wusste offensichtlich