Die unerträgliche Leichtigkeit der Schulden. Axel Stommel

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Die unerträgliche Leichtigkeit der Schulden - Axel Stommel

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und Sozialsystemen, dringende steuerliche Entlastung von Unternehmen, Bekämpfung des Niedriglohnsektors, Förderung der Eigenverantwortung, Konjunktur- und Wachstumsförderung ganz allgemein, Generationengerechtigkeit im Besonderen sowie einiges mehr.

      Hinter diesem Feuerwerk zweifelsfreier, dringend behandlungsbedürftiger Zu- bzw. Missstände verschwindet der bloße Gedanke daran, dass es lohnend sein könnte zu prüfen, ob die dringenden öffentlichen Aufgaben auch anders finanzierbar sind, nämlich aus ordentlich vollzogener sowie sach- und leistungsfähigkeitsgerecht gestalteter Besteuerung; das Für und Wider der Finanzierungsalternativen abwägend zu bedenken, entfällt damit wie von selbst, gewissermaßen automatisch.

      Folglich denkt man nicht an die Konsequenzen, die der Austausch von Steuereinnahmen gegen Verschuldung hinter sich herzieht. Vielmehr erscheinen Kreditaufnahmen, Lockerung der Schuldenbremsen bzw. das Ende der Schwarzen Null, mit einem Wort: neue Staatsverschuldung schlicht und einfach als alternativlos, um sicherzustellen, dass der Staat in der Lage bleibt bzw. in die Lage kommt, seine wachsenden Aufgaben einigermaßen ordentlich zu erfüllen. In ihrer unauffälligen Präsentation als scheinbare Selbstverständlichkeiten rufen die Verschuldungsplädoyers naturgemäß keine Bedenken hervor – Selbstverständlichkeiten bedenkt man nicht, erst recht nicht, wenn sie eh schon alternativlos erscheinen. Kurz: Vermehrte staatliche Verschuldung erscheint erstens alternativlos sowie zweitens im allgemeinen Interesse; sie ist daher unbedingt zu begrüßen, mehr noch: Es sieht so aus, als wäre öffentliche Verschuldung von jedem zu fordern, der sich Gedanken um die Zukunft macht.

      Auf diesem Wege kann die Botschaft von der guten, der fortschrittlichen Verschuldung die Strecke zur Duldung, wenn nicht gar zur handlungsleitenden Überzeugung widerspruchslos und unkontrolliert passieren, obendrein ohne dass es überhaupt jemand merkt.

      Zwar steht außer Frage, dass Staatsschulden kein Teufelswerk sind, wie die verbliebenen, hartgesottenen Anhänger der Sparpolitik glauben mögen. Aber daraus folgt keineswegs zwingend, dass eine umfassende, situationsunabhängige, prinzipielle Abkehr von Schuldenbremse und Schwarzer Null geboten ist.

      Warum nicht? Zunächst ganz einfach deshalb, weil die allgemein verbreitete Gleichsetzung von Schuldenbremse bzw. Schwarzer Null mit Austeritäts- bzw. Sparpolitik auf einem erstaunlichen, weil leicht erkennbaren Denkfehler beruht.

      Der Denkfehler gehört vorab korrigiert, damit man alsdann fehlerfrei weiterdenken kann. Die Korrektur erfolgt in Kapitel 3. Sie wird kurz und schmerzlos zu bewerkstelligen sein.

      Um zu verhindern, dass zum einen ein bedenklicher Sonderfall sowie zum anderen das Corona-Extremereignis den Blick auf das Allgemeine, Regelmäßige verstellen, werden jedoch zuvor das Phänomen der zeitweiligen deutschen Haushaltüberschüsse sowie einige Aspekte der Coronakrise näher betrachtet, um beide sachgemäß einordnen zu können.

      2TOM KREBS, Jenseits der schwarzen Null: Die Schuldenbremse, die wir brauchen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 10/19, S. 12.

      3Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat sogar erstmals zusammen mit seinem Pendant auf Arbeitgeberseite, dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ein gemeinsames »Policy- Paper« verfasst. Das Papier trägt den Namen »Für eine solide Finanzpolitik: Investitionen ermöglichen!«, und plädiert, anders als der Titel vermuten lässt, engagiert für die Aufgabe von Schuldenbremse und Schwarzer Null zugunsten erhöhter Neuverschuldung.

      Von der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der SPD nahesteht, wurde dieses politische Statement noch unmittelbar vor Ausbruch der Corona-Epidemie mit einem Sonderpreis der Hans-Matthöfer-Stiftung für Wirtschaftspublizistik 2020 ausgezeichnet.

      4In: Der Tagesspiegel vom 17.12.2019, S. 15.

      5JOSEPH STIGLITZ, Europa spart sich kaputt – Warum die Krisenpolitik gescheitert ist und der Euro einen Neustart braucht, München 2016, S. 93.

      2 Ein bedenklicher Sonderfall und ein Extremereignis: Haushaltsüberschüsse als Mangelerscheinung, Corona als äußerliche Herausforderung

       Der Sonderfall: Haushaltsüberschüsse als Mangelerscheinung

      Tatsächlich war der Haushaltsüberschuss auch gar nicht auf unerwartet hohe Einnahmen zurückzuführen, sondern in erster Linie darauf, dass bewilligte Ausgaben in großem Umfang nicht abgerufen worden waren. Dies wiederum hatte im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen hatte sich die seit Jahren ausgedünnte öffentliche Verwaltung außer Stande gezeigt, ihre Planungen bis zur Vergabereife zu führen; zum anderen fehlte es, soweit es sich um vergabereife öffentliche Baumaßnahmen handelt, immer wieder an Bauunternehmen, die über hinreichende freie Kapazitäten verfügen.

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