Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen
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Читать онлайн книгу Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen страница 21
»Das ist nicht nötig, wir warten einfach«, sagte er stattdessen einfach und zwang sich zu einem Lächeln. Aber Gerda Poulsen hatte die Nummer schon gewählt und lauschte gespannt in den Hörer hinein. Plötzlich wirkte sie sehr nervös. So ist es, Mutter zu sein, wenn in der Nachbarschaft ein Kindermord geschehen ist. Die Angst sickert schleichend in den Alltag; Dinge, die bisher ganz normal waren, erfüllen dich plötzlich mit Angst. Roland kannte das. Sie mussten diesen Mord möglichst schnell aufklären, damit der Alltag wieder normal werden konnte.
»Sie nimmt nicht ab«, sagte Gerda Poulsen mehr zu sich selbst und tippte schnell eine neue Nummer in die Telefontasten. Als die Verbindung zustande kam, sprang sie aus ihrem Sessel, stellte sich mit dem Rücken zu ihnen und starrte zum Fenster hinaus. Mikkel Jensen warf Roland einen besorgten Blick zu.
»Hallo, Tina.« Da war ein leichtes Zittern in ihrer Stimme. »Ist Louise schon auf dem Heimweg? Wir warten auf sie.« Sie lauschte auf die Antwort, dann sackte sie auf die Kante des nächststehenden Stuhls. »Ist gar nicht gekommen? Bist du sicher? Sie ist vor einer Stunde hier weg. Sie wollte nur ein paar Bücher bei Lise abholen gehen. Ist Lise zu Hause?« Dann war das kurze Gespräch auch schon wieder beendet. Schnell atmend klappte Gerda Poulsen das Handy zu. Nach einer kurzen Pause, in der sie einfach nur gedankenverloren dasaß, sagte sie: »Sie ist überhaupt nicht bei Lise gewesen. Wo ist sie nur?«
Roland erhob sich aus seinem Sitz und stellte sich hinter die Frau. Er blickte zum Fenster hinaus. Die Sonne war hinter den Häusern gegenüber verschwunden, und am Horizont zogen bedrohliche Gewitterwolken auf. Er legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Wahrscheinlich hat Louise nur eine Schulfreundin getroffen und sich mit ihr verquasselt. Welchen Weg nimmt sie normalerweise, wenn sie Lise besucht?«
»Sie geht immer über den Spielplatz.« Angst leuchtete in den Augen der Frau, als sie Roland ansah.
»Wir gehen mal nach ihr schauen«, erbot sich Mikkel Jensen und stand auf. Im selben Augenblick öffnete sich die Flurtür, aber es war nicht Louise, sondern ein kleiner Mann, der mit seiner Aktentasche unterm Arm wie ein Vertreter aussah. Als er ins Wohnzimmer trat, wirkte er überrascht, seine Frau mit zwei Fremden zu sehen.
»Louise ist weg!« Gerda Poulsen warf sich schluchzend in seine Arme. Eilig legte er die Aktentasche in eine Ecke des Esstischs vor ihm. Während er seine Frau umarmte, blickte er die beiden Männer erklärungssuchend an.
Roland stellte sich und Mikkel Jensen vor.
»Beruhigen Sie sich, es ist ja keineswegs davon auszugehen, dass Louise verschwunden ist. Bevor wir zurückfahren, drehen wir noch eine Runde und schauen nach ihr. Falls wir sie dabei nicht aufgabeln, dürfen Sie gerne bei uns anrufen, sobald sie wieder aufgetaucht ist«, sagte er zu Frau Poulsen, die den Kopf an die Schulter ihres Mannes drückte und weinte. »Ja, und dann können Sie sie erst einmal bei sich im Haus lassen«, fügte Mikkel hinzu.
»Sie geht nicht ran, wenn ich sie auf dem Handy anrufe. Das tut sie sonst immer, das weißt du doch, Peter!« Gerda Poulsen sah ihren Mann verzweifelt an.
»Was geht hier vor sich? Hat es etwas mit Gitte zu tun und dem Auto, das Louise gesehen hat?«, erkundigte sich Peter Poulsen. Beruhigend tätschelte er seiner Frau den Rücken.
»Ja, wir wollten eben nur mal kurz Ihre Tochter sprechen. Wir haben gehofft, sie könnte uns den Mann beschreiben, den sie gesehen hat, wie er sich mit Gitte auf dem Spielplatz unterhalten hat.«
Das Kind im Kinderzimmer begann erneut, lautstark zu weinen. Gerda Poulsen trocknete sich die Augen und ging hinüber.
»Ich habe selbst Töchter, die einmal in Louises Alter waren. Sie denken nicht unbedingt daran, dass man sich Sorgen um sie macht, wenn sie nicht rechtzeitig nach Hause kommen. Deshalb muss Louise nicht gleich etwas passiert sein«, sagte Roland gedämpft. Er gab Mikkel Jensen ein Zeichen, ihm zu folgen.
»Wollen Sie Louise suchen gehen? Dann komme ich mit«, versetzte Louises Vater so bestimmt, dass Roland sofort klar war, dass er sich auf keinerlei Diskussion einlassen würde.
Sie folgten ihm die Treppen hinunter und hinaus auf einen Platz mit Fahrradständern und massenweise Fahrrädern. Das Zwitschern einer Amsel hallte zwischen den Betonblöcken der Häuser wider. Sie gingen weiter zu einem Spielplatz. Es war davon auszugehen, dass er um diese Zeit ganz verlassen daliegen würde, weil alle Kinder nun zum Abendessen zu Hause waren – vorausgesetzt, es war überhaupt irgendetwas noch so wie damals, als Roland selbst ein Kind gewesen war.
Plötzlich rissen die Gewitterwolken auseinander. Der Regen strömte wie aus einer riesigen Dusche und trommelte auf das Blechdach über den Fahrradständern. Verdammter Sommer, dachte Roland.
19
Tarzan machte einen Satz zu ihr aufs Sofa hinauf. Leise schnurrte die Katze, während sie ihr in Gedanken versunken den Nacken kraulte. Seltsam, dass die schlechten Fotos vom Container die Polizei tatsächlich auf eine Spur gebracht hatten. Sie wussten nun, dass die Puppe aus dem Container entfernt worden war, was vielleicht ein Hinweis darauf war, dass sie etwas mit dem Verbrechen zu tun hatte.
Sie griff nach dem Fotoalbum im Regal und bekam es zu fassen, ohne Tarzan aufzuscheuchen. Seite um Seite blätterte sie es durch, erst ohne die Fotos richtig anzusehen – Bilder von ihr und Jan auf ihrer ersten Reise nach Paris, Fotos von Festen, die sie gemeinsam besucht hatten. Aber auf der nächsten Seite hörte sie auf zu blättern. Lange saß sie nur da und betrachtete das Foto von Jan und ihr mit dem neugeborenen Rasmus, den sie in ihren Armen hielt. Danach kamen all die vielen Fotos von Rasmus, die sie im Lauf der Jahre geknipst hatte. Sie starrte lange auf eine Nahaufnahme, ließ liebevoll einen Finger über sein Gesicht gleiten. Die Hoffnungslosigkeit und die Sehnsucht erwachten wieder, überrollten sie mit brutaler Gewalt. Eigentlich sollte sie das Album irgendwo verstecken. Vielleicht sogar verbrennen. Nichts von alledem, was sich darin befand, gab es jetzt noch in ihrem Leben.
Sie war bei den letzten Fotos von Rasmus angelangt, als sie die Türglocke hörte. Tarzan richtete sich auf und drehte die Ohren aufmerksam in Richtung Eingang. Sie stand auf. Durch den Türspion konnte sie niemanden sehen, aber dann klingelte es wieder, und sie öffnete die Tür. Sie hatte den Jungen nur deshalb nicht gesehen, weil er nicht sehr groß war. Obwohl sie gleichaltrig waren, war Jonas schon immer ein wenig kleiner als Rasmus gewesen. Da stand er nun vor ihr, die große Sporttasche über der Schulter. Es wirkte beinahe, als wolle die Tasche ihn zu Boden ziehen und nach vorn umkippen lassen. Sein weißes Sportshirt mit dem Logo auf der Brust war grün von Grasflecken, und seinen Shorts war anzusehen, dass es beim Training mit Tacklings und Grätschen hart zur Sache gegangen war.
»Hallo, Jonas!«, grüßte sie. »Möchtest du eine Tasse Kakao?«
Jonas lächelte fröhlich und trat ein. Mit einem lauten Plumpsen ließ er die Sporttasche in die Ecke am Eingang fallen, ganz so wie er und Rasmus das immer gemacht hatten, wenn sie zusammen vom Fußball gekommen waren und traditionsgemäß bei Rasmus’ Mutter Kakao bekommen hatten.
In der ersten Zeit nach dem Unfall war Jonas weggeblieben, aber jetzt kam er manchmal wieder, weil seine Eltern am Tag des Fußballtrainings immer lange arbeiteten und er nicht gern im großen Haus allein war. Es war Kamilla ganz recht gewesen, dass sie ihn nicht mehr so oft gesehen hatte. Selbst jetzt noch war es schwierig, einen Jungen vor Augen zu haben, den mit ihrem Sohn zusammen zu sehen sie gewohnt war. In ihr setzte das Gefühle in Gang, die sie