Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen

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Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito-Krimi

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an der Identifizierung eigentlich nicht teilnehmen müssen, aber er hatte es einfach nicht lassen können. Auch die Eltern sollte man sich in so einem Fall näher ansehen. Sie hatten das Mädchen nicht als vermisst gemeldet, weil sie davon ausgegangen waren, dass sie bei der Schulfreundin übernachtete, die sie für jenen Montagnachmittag zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen hatte. Erst am nächsten Tag hatten sie erfahren, dass ihre Tochter bei dieser Feier nie aufgetaucht war und in dieser Nacht also auch nicht bei der Freundin geschlafen hatte. Gitte hieß sie. Gitte Mikkelsen. Dass ihre Mutter – die verzweifelte und völlig geschockte Frau, die das tote Mädchen unter dem weißen Laken im Institut für Rechtsmedizin sofort als ihre Tochter erkannt hatte und danach beinahe in Ohnmacht gefallen wäre – zu berichten wusste, dass ihre Tochter in der Tat eine Puppe bei sich gehabt hatte, als sie das Haus verließ, bedeutete noch nicht gleich, dass es sich auch um genau jene Puppe aus dem Container handelte. Aber die Tatsache, dass diese Puppe jetzt verschwunden war, machte ihn misstrauisch. Die Mutter hatte sodann auch die Puppe identifizieren müssen. Auf den Fotos natürlich. Die Frau war hochschwanger. Einen Moment lang hatte Roland schon befürchtet, dass sie gleich an Ort und Stelle im rechtsmedizinischen Institut niederkommen würde.

      Er blickte auf die Tafel an der Wand mit den Fotos von dem bleichen, toten Mädchen. Die Augen starrten ihn direkt an. Ihre Lippen waren trocken und blätterten ab. Wenn diese Lippen nur sprechen könnten, ihm erzählen könnten, was geschehen war ... Was hatten diese starrenden Augen gesehen, bevor sie glanzlos wurden? Da hingen auch Nahaufnahmen von ihren misshandelten Handgelenken und den Flecken auf ihrem Rücken. Er stand seufzend auf und hängte ein Foto von der Puppe in die Reihe. Dann konzentrierte er sich wieder auf das Bild auf der Titelseite des Tageblatts und zündete sich eine Zigarette an. Aha, Anne Larsen hieß die Journalistin. Wahrscheinlich nicht die Anne Larsen, überlegte er und dachte an die gleichnamige Kochbuchautorin, deren Werke über Diätküche bei Irene zu Hause auf dem Küchentisch lagen. Lieber würde er diese Bücher verbannen, das magere Fleisch durch ein richtiges Beefsteak mit Fettrand ersetzen und die wässrig dünne Soße durch eine sämige mit Fettaugen. Seinen Käse bevorzugte er ohnehin kräftig; nicht dieses trockene fünfzehnprozentige Magerzeug, das Irene jetzt kaufte. Aber wenn er sich den Anblick seiner Schwiegermutter vor das geistige Auge rief, dann verstand er Irene.

      Die halb leere Plastiktasse Kaffee in der Hand ging er zurück in sein Büro, griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer der Zeitungsredaktion. Und dabei war gerade er es gewesen, der soeben in der Morgenkonferenz gesagt hatte, dass sie die Presse so lange wie möglich aus der Sache heraushalten sollten. Verkehrte Welt, dachte er.

      15

      Er küsste eilig seine Frau zum Abschied, wühlte im Vorbeigehen ein wenig in den Haaren der Jungs. Wie gewöhnlich hockten sie auf ihren Zimmern und spielten auf ihren »Super Nintendo«-Konsolen. Sicher, das Wetter diesen Sommer war nicht unbedingt geeignet für Outdoor-Aktivitäten, aber die beiden hockten auch bei strahlendem Sonnenstein am liebsten vor ihren Bildschirmen. Mit unfreiwilliger Abscheu musste er zugeben, dass sie allmählich auch immer dicker wurden. Sie lebten eigentlich reichlich gesund, am Essen lag es also nicht; es musste die fehlende Bewegung sein. Allerdings war auch Sussi um die Hüften herum etwas breiter geworden – es würde ihn nicht wundern, wenn sie es sich, wenn er nachmittags nicht zu Hause war, mit Süßigkeiten und Kuchen im Wohnzimmer gemütlich machten. Vielleicht lag es auch bloß an Sussis Arbeit in der Bäckerei; ein Ort, der einfach zu verlockend war. Der Älteste zog, völlig in sein Spiel versunken, den Kopf von ihm weg, ohne seine Augen auch nur einen Moment vom Bildschirm zu lösen. Die Finger hämmerten schnell und geübt auf das Joypad. Töchterchen bekam noch einen raschen Kuss auf das Haferbreigesicht, als sie vom Kinderstuhl zu ihm heraufschaute. Dann knallte sie noch einmal den Löffel in den Brei, so dass es weit auf den Küchentisch spritzte. Es war ihr zu verzeihen, solange sie nur ein Jahr alt war.

      Er war froh, als er das Haus verließ, aber als er in der Garage im Auto saß und den Schlüssel in die Zündung steckte, kam die Mutlosigkeit zurück. Es war danach so verdammt schwer geworden, seine Arbeit zu machen. Er hatte sogar schon überlegt zu kündigen und sich etwas anderes zu suchen, aber auch das würde schwierig genug werden, und am liebsten arbeitete er nun mal mit Kindern. Er war dafür ausgebildet worden. Das war seine Berufung. Vielleicht kam die Lösung ja ganz von selbst. Schließlich sprachen die Politiker immer wieder darüber, dass etliche Kinderhorte geschlossen werden müssten, um Millionen von Kronen zu sparen; vielleicht würde es das nächste Mal ja seinen Arbeitsplatz treffen – aber was wäre dann mit den Kindern?

      Als er das Auto beim Kinderhort Søvej parkte und die Kinder auf dem Spielplatz sah, vergaß er seine Sorgen. Viele der Kinder im Hort hatten einen anderen ethnischen Hintergrund.

      Ein paar der Kinder bemerkten ihn und winkten, begrüßten ihn fröhlich. Er trat durch die Tür. Ganz anders verhielt es sich mit den lieben Erzieherkollegen. Nur Ib, der pädagogische Helfer, sagte »Hallo, Jesper«. Es kam ihm so vor, als ob das Gespräch mit seinem Eintreten plötzlich verstummt sei und sich nun peinliches Schweigen breitmachte. Niemand fragte ihn, ob er schon vom Mord an Gitte gehört hatte, die in einem Container unweit seines Wohnortes gefunden worden war. Niemand fragte, wie er damit umging, dass gerade jetzt eine solche Geschichte auftauchte. Er nahm die Glaskanne aus der Kaffeemaschine und befüllte eine der Thermoskannen. Der Kaffee roch abgestanden. Während er mit dem Rücken zu den anderen im Schrank nach einer Tasse suchte, konnte er hören, wie sie einer nach dem anderen leise den Raum verließen. Nur Ib saß noch mit seiner Zeitung da, aber als Jesper sich nun zu ihm an den Tisch setzte, dauerte es nicht lange, bis auch er die Zeitung zusammenfaltete und sich mit einem entschuldigenden Lächeln zum Gehen wandte. Er hätte auf dieses Lächeln verzichten können. Jesper wusste, was sie alle dachten.

      Er faltete die Zeitung wieder auf und las den Artikel über den Mord. Es stand nicht mehr drin als das, was er schon im Radio gehört und im Fernsehen gesehen hatte. Vermutlich musste er damit rechnen, bald einen Anruf von der Polizei zu bekommen. Jetzt nahmen sie gewiss alle ins Visier, die schon einmal unter Verdacht gestanden hatten oder wegen Pädophilie angezeigt worden waren. Auch wenn sie freigesprochen worden waren. Als er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, erhob er sich und ging zu den Kindern hinüber. Sie waren die Einzigen, die ihn nicht beschuldigten. Und auch seine Familie nicht – zum Glück.

      16

      Das Polizeirevier war ein großes rotes Gebäude aus mehreren aneinandergeklatschten viereckigen Blöcken mit vielen Fenstern. Kamilla war schon oft vorbeigefahren, aber sie war bisher nur im Passbüro gewesen. Doch jetzt hatte Anne sie aus der Redaktion angerufen und ihr mitgeteilt, dass ein Kriminalkommissar der Aarhuser Polizei sie beide zu einer Besprechung eingeladen habe. Es gehe um die Fotos, die Kamilla gestern vom Container gemacht habe. Natürlich wusste die Polizei nun, dass sie das Absperrband übertreten hatten – ihr Foto füllte schließlich den Hauptteil der Titelseite des Tageblatts. Mit schlechtem Gewissen war Kamilla in die Stadt gefahren. Es fiel ihr schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Was wollte die Polizei von ihnen? Sollten sie jetzt für ihre Missachtung des Absperrbandes bestraft werden? Hatten sie die Ermittlungen behindert, Beweismittel zerstört?

      Anne wartete bereits vorm Haupteingang des Polizeireviers. Sie wirkte ruhig und als sie Kamilla erblickte, lächelte sie. Sie schnippte ihren Kaugummi in die Büsche. »Kommen Sie, die Sache scheint spannend zu werden«, sagte sie mit Erregung in der Stimme.

      Sie mussten noch ein wenig warten, bis sie in ein kleines Büro geführt wurden, wo hinter einem unaufgeräumten Schreibtisch ein Mann mit ergrauenden Schläfen saß. Er blickte auf. Dunkel leuchtende Augen in einem sonnengebräunten Gesicht. Als er aufstand, um sie zu begrüßen, lockerte er seine Krawatte ein wenig. Während er ihnen erklärte, warum er sie gerufen hatte, schenkte er Kaffee in drei Plastiktassen ein.

      »Natürlich zeigen wir Ihnen gerne auch die übrigen Fotos, Hauptkommissar Benito«, sagte Anne.

      »Kriminalkommissar«, korrigierte der Polizist mit

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