Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen

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Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito-Krimi

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auf dem Tisch«, begrüßte sie ihn. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß – sicher deshalb, weil sie Irene am heißen Herd energisch herumkommandiert hatte. Für den mageren alten Mann in Rolands Sessel waren das die magischen Worte, auf die er gewartet hatte. Er legte die Zigarre in den Aschenbecher und faltete mühselig die Zeitung zusammen. Dann bedachte er Roland mit einem zufriedenen Lachen und stakste an ihm vorbei in die Küche, wo er sich erneut auf Rolands gewohnten Platz setzte.

      Irene stand mit dem Rücken zu ihm am Herd und war gerade dabei, einen Topf Coq au Vin mit Salz und Pfeffer abzuschmecken. Sie trug ein geblümtes Sommerkleid, das die runden Hüften erahnen ließ, die sie zur Zeit zu bekämpfen versuchte. Die dunklen Haare – nicht ihre natürliche Farbe – waren mit einer Spange hochgesteckt, aber einige reizende Locken hatten sich trotzdem an ihren verschwitzten Nacken verirrt. Hätten sie nicht Gäste gehabt, er hätte sie umarmt und auf den Hals geküsst, aber er beherrschte sich. Als sie sich aufrichtete, gab er ihr stattdessen einen Kuss auf die Wange und sah in ihre müden Augen. Sie rollte sie mit einem resignierten Ausdruck nach oben. Die Eltern hatten sie offensichtlich schon länger geplagt. »Schläft Marianna?«, flüsterte er. Sie nickte. Er lächelte sie aufmunternd an und entkorkte die für heute Abend vorgesehene Flasche Barolo. Nicht alle Pläne sollten ihnen verdorben werden. Er hoffte, dass das Campingleben ohne Fernseher sichergestellt hatte, dass seine Schwiegereltern keine Nachrichten verfolgten, aber dieses Glück blieb ihm leider versagt.

      »Hast du diesen Mörder gefunden?«, fing Dagny an, sobald er sich an den Tisch gesetzt hatte. Irene ließ die Salatschüssel herumgehen.

      »Wir haben es im Radio gehört, als wir hier rausgefahren sind. Ist ja schrecklich, so ein kleines Mädchen – und dann noch vergewaltigt! Was ist heutzutage denn bloß mit den Männern los!« Dagny schüttelte entrüstet den Kopf, so dass die Hautwülste unter ihrem Kinn wabbelten.

      »Das Mädchen ist nicht vergewaltigt worden. Aber es ist trotzdem unheimlich«, antwortete Roland. Dieses eine Mal zumindest konnte er seiner Schwiegermutter zustimmen.

      »Ich bin mir absolut sicher, dass einer dieser Ausländerjungen dahintersteckt, wie sie massenweise in Gellerup herumlaufen und Ärger machen. Ist sie nicht in Brabrand gefunden worden, ganz in der Nähe von Gellerup?«, fragte Carl Ernst, den Mund voller Huhn in Weinsoße. Dagny nickte bestätigend und sah Roland mit einem selbstgewissen Blick an, als sei sie fest überzeugt, zusammen mit ihrem Mann die Sache jetzt für ihn aufgeklärt zu haben. Zugleich spürte er Irenes Hand unter dem Tisch, die einen beruhigenden Druck auf seinen Oberschenkel ausübte. Er verstand es als Zeichen, dass er sich nicht aufregen sollte und dass sie hier an seiner Seite war und zu ihm hielt.

      »Wir sind schon dabei, den Mörder zu finden, und wir werden ihn auch finden«, sagte er und bemühte sich, überzeugend zu klingen. Er hob prostend das Glas und stieß mit seinen Gästen an. Sie brachten den Rest des Abendessens ohne dramatische Zwischenfälle hinter sich. Nachdem Dagny Irene beim Abwasch geholfen und Roland derweil im Wohnzimmer versucht hatte, mit Carl Ernst ein vernünftiges Gespräch in Gang zu bringen, fuhren die Schwiegereltern zu ihrem kleinen Familienzelt nahe Ørnereden zurück.

      Roland kippte den Aschenbecher mit den stinkenden Zigarrenstumpen in den Müll, füllte sich sein Weinglas neu, setzte sich in seinen skandinavischen »Stressless«-Bequemsessel und streckte die Beine entspannt auf dem dazugehörigen Hocker für die Füße aus. Irene hockte sich auf die Armlehne und vergrub ihre Hand in seinen dunklen Nackenhaaren. »Du möchtest jetzt am liebsten ein wenig Ruhe und Zeit für dich allein haben, nicht wahr, Schatz?«

      Sie kannte seinen Rhythmus in einem Mordfall und wusste, dass der Besuch der Eltern zu einem unglücklichen Zeitpunkt gekommen war. Er nickte und küsste ihre Hand.

      »Es ist ja auch schon spät. Ich gehe nach oben und sehe nach Marianna. Die arme Kleine ist ein wenig erkältet. Und dann geh ich ins Bett. Wir können uns morgen früh unterhalten. Soll ich etwas Musik auflegen?« Er nickte wieder und bedachte sie mit einem Blick, in dem die Dankbarkeit der ganzen Welt lag. Kurz danach drang Pavarottis Stimme wie ein verhaltener Donner durch das abgedunkelte Wohnzimmer.

      Er schloss die Augen und ließ die Töne von Puccinis »Nessun dorma« seinen Kopf ausfüllen. Er versuchte, ganz in der Arie zu versinken und in seine Heimat zu entschwinden, über der der Duft von Apfelsinenund Zitronenhainen lag, aber stattdessen landete er jedes Mal in einem ekligen Container und blickte in die glänzenden, starren Augen des toten Mädchens.

      Er war schon am Einnicken, als neben ihm die Titelmelodie des Films James Bond – 007 jagt Dr. No ertönte: sein Handy. Das Polizeirevier. Ein Beamter teilte ihm mit, dass sie endlich die Vermisstenmeldung eines Mädchens erhalten hatten, das auf die Beschreibung der Ermordeten passte. Die Eltern würden morgen früh um sieben Uhr im Institut für Rechtsmedizin zur Identifizierung eintreffen.

      12

      »Gehst du schon?«

      Vera versuchte, den Vorwurf in seiner Stimme zu ignorieren. »Du weißt doch, dass heute Abend die Besprechung ist, oder hast du das vergessen, Troels? Wo warst du überhaupt? Wer hat dich nach Hause gebracht, und wo ist dein Auto?«

      Sie blieb in der Türöffnung zum Wohnzimmer stehen und griff nach der Schultertasche. Er sah sie nicht an. Der Fernseher war laut aufgedreht – ein Sportkanal; jedes Mal wenn der Ball in der Nähe des Tors war, brüllte der Kommentator los und führte sich auf wie ein Idiot. In solchen Momenten vergaß er offenbar, dass er ein Mikrofon hatte. Auch seine ständigen Sportsendungen konnte sie nicht ausstehen. Es war nervig, wenn er vom Laden nach Hause kam und sogleich die Glotze einschaltete. Noch schlimmer war es, wenn er, wie jetzt, betrunken eintrudelte und sie nicht wusste, wo er gewesen war. Sein unbekümmerter Umgang mit der Zeit war der Grund gewesen, warum sie sich ihren eigenen kleinen gebrauchten Ford hatte kaufen müssen. Sie hatte nie wissen können, ob und wann das Auto zu Hause war.

      »Okay, dann tschüss. Ich werde zusehen, dass ich rasch wieder nach Hause komme.«

      Wuchtvoll knallte sie die Tür zu, um den Ton des Fernsehers zu übertönen. »Das brauchst du verdammt noch mal gar nicht«, murmelte er – aber erst, nachdem er die Tür hatte knallen hören.

      In der Halbzeit des Fußballspiels holte er sich ein neues Bier aus dem Kühlschrank. Unter einem Stück Alufolie hatte sie ihm das Essen bereitgestellt, er musste es nur noch in die Mikrowelle schieben. Er hatte keine Lust nachzusehen, was es war. Es war selten etwas Interessantes. »Karrierefrauen haben keine Zeit, anständiges Essen für ihre lausigen Männer zu machen.« Er verzog sein Gesicht und öffnete das Dosenbier so energisch, dass es auf den Küchenboden spritzte. Er wischte die Sauerei mit einem Tuch auf, bevor er sich schwerfällig wieder aufs Sofa plumpsen ließ. Die Pausen waren beim Fußball das Schlimmste. Es nervte, dazusitzen und sich all die Spezialisten anhören zu müssen, die vorherzusagen versuchten, was in der zweiten Halbzeit passieren würde. Warum, zum Teufel noch mal, ließ man sie nicht einfach weiterspielen?

      Immer mussten Spezialisten alles beurteilen. Sogar der Krieg im Irak musste von klugen Kriegsspezialisten analysiert werden. Oder von Politikern, die dort unten mal schnell einen Zwischenstopp eingelegt hatten und nun glaubten, alles gesehen zu haben und zu Hause erzählen zu können, dass alles unter Kontrolle sei. Er schnaubte verächtlich. Die hatten doch keine Ahnung, was die Soldaten dort unten durchzumachen hatten. Es war so einfach, außen vor zu stehen und zu urteilen. Sie, die Soldaten, waren es, die bleiben mussten und für die nun die Worte aus jener bekannten dänischen Hymne – »Kämpfe für alles, was du lieb hast, stirb, wenn es sein muss« – eine ganz andere Bedeutung annahmen. Bomben am Straßenrand, Angriffe aus dem Hinterhalt, Selbstmordattentate. Eine Militäruniform, die sie nicht einmal am Abend durch Zivilkleidung ersetzen durften. »Es ist kein Ferienlager«, hieß es. Aber daran bestand ja wohl auch kein Zweifel. Ihm wurde schlecht, wann immer er an die Hitze und den Gestank zurückdachte,

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