Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen

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Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito-Krimi

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Ein älterer Herr, der aussah wie ein alter, erfahrener Seebär, saß auf einer Bank und rauchte seine Pfeife, während er das Leben auf den Booten verfolgte. Die Abendsonne hatte begonnen, den Himmel rötlich zu färben, und die einzigen Laute ringsum waren das beruhigende Schwappen des Wassers, das gegen die Mole schlug, und das Zwitschern einer Amsel in der Ferne. Es duftete nach Teer und Meer. Am Nordende des Jachthafens verfügten die Freizeitfischer über mehrere eigene Anlegestege sowie ein Klubhaus. Die Läden an den braunen Holzhäusern, die mit ihren charakteristischen, wie mit einer gezahnten Stoffschere geschnittenen Dächern an die traditionellen Häuser von Skagen erinnerten, waren geschlossen. Die Abendsonne glänzte in der großen Glasfassade des Segelklubs und spiegelte sich im Hafenbecken. Vom überdachten großen Grillplatz, der zwischen der Grillbar und dem Servicegebäude des Hafens lag, drang der Duft von Essen in Kamillas Nase, und im Weitergehen tönte vom Kinderspielplatz und der Minigolfbahn Lärm herüber. Sie hatte Rasmus oft hierher mitgenommen, wo es für einen kleinen Jungen so viel Spannendes zu sehen gab.

      Majken lächelte immer noch.

      »Danny hat dir gefallen, nicht wahr?«, fragte Kamilla.

      Majken sah sie mit fröhlichen Augen an. »Er ist einfach der leckerste Typ, dem ich seit langem begegnet bin.«

      Ihre Wortwahl ließ Kamilla lächeln – als seien Männer etwas, was man einfach konsumierte.

      »Hast du dich nicht auch ein wenig zu ihm hingezogen gefühlt?«

      Majken nahm sie am Arm und knuffte ihr neckend in die Hüfte, als wolle sie sie umwerfen. Kamilla zuckte die Schultern. Ja, stimmte schon, es war lange her, dass sie ein so sympathisches Exemplar des anderen Geschlechts getroffen hatte.

      »Er war ganz hübsch«, gab sie zur Antwort.

      »Ganz hübsch – jetzt hör aber mal, Kamilla.« Majken lachte und ließ Kamillas Arm wieder los. »Ich könnte morden, um einen solchen Mann zu kriegen.«

      Sie sah plötzlich wie ein verliebter Teenager aus. So hatte Kamilla sie nie zuvor erlebt.

      11

      Er musste die Gelegenheit nutzen, einigermaßen zeitig nach Hause zu kommen. Roland hatte das deutliche Gefühl, dass es dazu in nächster Zeit nicht mehr so viele Möglichkeiten geben würde. Aber heute waren sie noch nicht recht vorangekommen. Am späten Nachmittag hatten sie noch eine Vermisstenmeldung an die Medien weitergegeben, die in Radio und Fernsehen ausgestrahlt worden war. Sie konnten jetzt hoffen, dass es bald Reaktionen gab, die zur Identifizierung des Mädchens führten. Dann erst konnten sie weiterkommen.

      Auf dem Strandvej spürte er die Kühle des Meeres, und er roch die See und den Tang durch das offene Fenster. Ein Transporter des Aarhuser Zubringerunternehmens Unifeeder, schwer beladen mit farbigen Containern, war in gemächlichem Tempo Richtung Hamburg unterwegs. Einige Segler nutzten die Sonnenscheinphase aus, um ihre Boote ins Wasser zu lassen. Die Straßen waren bisher ziemlich frei gewesen, und wüsste er es nicht anders, es wäre ein ganz normaler Vorabend nach der Arbeit. Doch das Bild vom toten Mädchen im Container zerstörte diese Illusion. Er zündete sich eine Zigarette an und blieb geduldig im Stau stehen, der sich prompt nun doch noch eingestellt hatte. Als er endlich auf den Oddervej einfuhr, löste die Kühle des Waldes die des Meeres ab. Sein Magen knurrte hungrig. Er fragte sich, was Irene wohl zum Abendessen kochen würde. Sie selbst machte gerade eine Diät, was auch ihn in Mitleidenschaft zog – aber gerade jetzt hätte er alles essen können. Für einen kurzen Augenblick überlegte er, schnell abzubiegen und bei »Pizza und Bøf« eine Pizza mit einer dicken Schicht Mozzarella zu verdrücken und eine Cola zu trinken, aber er verkniff es sich. Er kam ohnehin schon zu spät zum Abendessen. Das konnte er Irene nicht antun. Das Haus im Aarhuser Vorort Højbjerg war Irenes Elternhaus. Es war 1953 erbaut worden, und sie hatten es übernommen, als Irenes Eltern nach ihrer Pensionierung in eine kleine Wohnung ohne großen Garten und ohne Treppen im Zentrum von Aarhus gezogen waren. Roland hatte das Haus geliebt, seit er es das erste Mal gesehen hatte. Letztes Jahr hatten sie eine Hypothek auf das Haus aufgenommen und mit dem Geld die Villa vom Keller bis zum Dachboden modernisiert. Sie hatten sich sogar ein neues Dach leisten können.

      Als er in die Wohnstraße einbog, konnte er bereits den hohen Giebel und das Fenster im ersten Stock über die Bäume ragen sehen. Die Einfahrt und der Terrassenbereich waren mit italienischen Fliesen gepflastert und mit Irenes Terrakottatöpfen geschmückt, in die sie blaue Hortensien gepflanzt hatte. Ein besseres Haus hätten sie nicht haben können. Es war nicht weit bis zum Wald und zum Strandbad Ballehage, das er oft besuchte. Er liebte das Wasser – nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, denn er war ein aktiver Winterschwimmer. Eigentlich war das Eisbaden für einen Südländer wie ihn nicht gerade üblich. Aber wo er sich doch schon entschieden hatte, ein Wikinger zu werden, warum sollte er dann nicht auch das volle Programm absolvieren? An den frühen Wintermorgen, wenn hell die Kristalle des Schnees blitzten und die Kälte in die Haut schnitt, traf er dort auf andere mit demselben eisigen Hobby. Viele von ihnen standen bereits im hohen Alter. Ein paar dieser Kerls waren schon über neunzig, was in Roland die Überzeugung geweckt hatte, dass, wenn man in Eiswasser von ungefähr zwei Grad Celsius einstieg, das Leben von dem kalten Schock verlängert werden konnte.

      Er fluchte leise und bremste, als er sah, dass sein Parkplatz besetzt war. Der blaue Saab der Schwiegereltern, Baujahr 1998, ragte bedrohlich im Schatten unter der Blutbuche auf.

      Sie hatten die Gewohnheit, einen Teil des Sommers auf einem Campingplatz bei Ørnereden zu verbringen, einem beliebten Ausflugsziel im Süden von Aarhus, und während dieser Zeit waren sie häufig Gäste in der alten Villa. Natürlich war klar gewesen, dass sie diese Woche kommen würden – sie wussten, dass er und Irene gerade ihre Urenkelin zur Betreuung dahatten. Aber warum denn gerade heute Abend, wo er einfach nur mit Irene auf der Terrasse ein Glas Barolo trinken und gemeinsam das Tagesgeschehen bereden wollte? Das einzig Gute an diesem Besuch war, dass wahrscheinlich kein kalorienreduziertes Essen serviert werden würde.

      Widerwillig stieg er aus dem Wagen und nahm seine Jacke vom Rücksitz. Als er in den Eingangsbereich der Villa trat, konnte er die beißenden Zigarren des Schwiegervaters riechen, die dem Duft von Speck und Knoblauch keine Chance ließen. Er bekam von diesem Zigarrengestank immer Kopfweh, obwohl er selbst rauchte – Zigaretten der dänischen Marke Cecil. Aber man musste dem armen Schwiegervater sein kleines Laster lassen, schließlich hatte er nicht viele anderen Vergnügen im Leben.

      Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer und hörte die schneidende Stimme der Schwiegermutter aus der Küche dringen. Der Schwiegervater saß gemütlich mit Zeitung und Zigarre in Rolands Lieblingsstuhl. Er blickte notgedrungen nach oben, als Roland ihn grüßte. Carl Ernst sah aus wie eine welke Topfpflanze.

      Seine Frau Dagny würde wohl selbst aus dem stärksten Mann alle Kraft saugen. Er hatte sich oft gefragt, wie es denn möglich war, dass zwei solche Menschen eine Tochter wie Irene haben konnten. Sowohl Carl Ernst als auch Dagny waren voller Vorurteile. Sie hatten große Schwierigkeiten gehabt, sein »dunkelhäutiges« Aussehen zu akzeptieren, als er Teil der Familie wurde. Nur die Tatsache, dass er bei der Polizei schnell die Karriereleiter nach oben stieg, wurde als mildernder Umstand gelten gelassen. Sie waren das totale Gegenteil von Irene, die imstande war, alle möglichen Obdachlosen mit nach Hause zu bringen, damit sie etwas essen konnten und einen Ort zum Schlafen hatten. Irene hatte, nachdem sie ihre Anstellung bei der Kopenhagener Polizei aufgegeben hatte, eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin gemacht.

      Unvermittelt füllte Dagny die Türöffnung zur Küche. Sie war eine kleine Dame, fast so breit wie hoch. Eine Wulst aus überschüssigem Fett wabbelte unter ihrem Kinn. Sie hatte seit ihrer letzten Begegnung sogar noch zugelegt und sah nun aus wie eine überfette Pute. Falls Irene ohne Diät dieser Frau je in irgendeiner Weise zu ähneln drohte, würde er sie in ihren diesbezüglichen Ambitionen auf jede erdenkliche Art und Weise unterstützen.

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