Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen

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Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito-Krimi

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Zeit mache ich eine kleine Pause – setze für ein Jahr aus«, sagte er und zwinkerte Kamilla zu.

      »Woher kennt ihr euch eigentlich – du und Troels?«, fragte Majken neugierig.

      Er leerte den letzten Schluck Wasser in seinem Glas. Die Eiswürfel waren geschmolzen, und das Wasser war in der Sonne, die auf den Tisch knallte, lauwarm geworden. Er erklärte, dass sie einander eigentlich gar nicht kannten, sondern er sich vielmehr aus Versehen an Troels’ Tisch gesetzt hatte, ohne zu bemerken, dass er bereits besetzt war.

      »Schicksal«, sagte Troels mit geheimnisschwerer Stimme, wozu er große Augen und gespenstisch wirkende Bewegungen machte. Danny konnte sich eines Schauderns nicht erwehren, hatte ihm das Schicksal in seinem Leben doch bereits reichlich genug zugesetzt. Und wer war dieser Mann überhaupt, mit dem er den Tisch geteilt hatte? Er hatte bereits nach Alkohol gerochen, als er sich zu ihm setzte.

      »Bist du mit dem Auto da?«, wandte sich Majken an Troels, als hätte sie genau denselben Gedanken.

      »Natürlich.« Troels leerte sein Glas und setzte es hart auf den Tisch auf, als könne er den Abstand nicht mehr richtig einschätzen.

      »Wäre es nicht klüger, ein Taxi zu nehmen, Troels?«, fragte Majken vorwurfsvoll.

      Danny hörte genau die Wörter seiner Kollegen wieder, genau im gleichen Lokal mit vom Alkohol schwerer Zunge ausgesprochen. Warum hatte er damals nicht auf sie gehört? Dann würde heute alles anders aussehen.

      Troels hob sein Glas und prostete ins Leere. »Meine Ärztin spricht!«, sagte er mit feierlicher Stimme. »Aber ich fahr verdammt noch mal besser, wenn ich ein bisschen beschwiehipst bin«, fuhr er mit übertrieben betrunkener Stimme fort und nickte dazu triumphierend.

      Kamilla griff sich ihre kleine Handtasche, stand auf und begab sich zu den Toiletten. Wie Troels sich aufführte, erfüllte sie mit Abscheu. Sie musterte ihr Gesicht im Spiegel und hatte gerade angefangen, sich die Hände zu waschen, als eine Frau mit einem kleinen Kind hereinkam. Während sie sich Lippenstift auftrug, beobachtete sie heimlich, wie die Frau dem kleinen Mädchen half, an das für sie zu hoch hängende Waschbecken zu gelangen, um sich die Hände zu waschen. Dabei sprach sie ruhig und belehrend mit dem Kind. So hatte auch sie einst Rasmus geholfen. Als die beiden wieder gegangen waren und sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, atmete sie tief durch, um das beklemmende Gefühl aus ihrer Brust loszuwerden.

      Die beiden Polizisten, die an jenem Abend an ihrer Tür geklingelt hatten, würden ihr immerzu im Gedächtnis bleiben. Genauso wie die vernichtende Leere, die damals plötzlich auf sie eingestürzt war, und der hässliche, jammernde Schrei, der von irgendwo hergekommen war – sie konnte gar nicht glauben, dass er seinen Ursprung in ihrer eigenen Brust hatte. Der Hass auf den Mann, der in betrunkenem Zustand am Steuer jenes Autos gesessen hatte, war wieder da. Sie würde ihm niemals vergeben können.

      Er hatte ihr das Beste genommen, was sie im Leben noch gehabt hatte. Als sie nun ihr Gesicht im Spiegel betrachtete, konnte sie sehen, dass sie sich verändert hatte. Die Augen lagen tiefer in den Höhlen, und die feinen Falten auf der Stirn schienen direkt von ihrem tiefen Kummer gegraben. Aber das Äußerliche war nicht das Schlimmste. Dem wäre abzuhelfen. Doch es stimmte etwas in ihrem Inneren nicht mehr. Als sei durch die Worte der Polizisten und das, was danach gekommen war, etwas in ihr zerstört worden.

      Majken hatte ihr von den vier Trauerphasen erzählt: Zuerst die Schockphase, in der sie sich der Wirklichkeit verweigert hatte und alles Chaos gewesen war. Sie erinnerte sich an fast nichts aus dieser Zeit. Dann folgte die Reaktionsphase, in der ihr langsam bewusst geworden war, was geschehen war. Dass sie Rasmus für immer verloren hatte. Diese Zeit blieb für sie deutlich als der größte Schmerz in Erinnerung, den sie jemals erlebt hatte. Majken zufolge sollte sie jetzt in der Verarbeitungsphase sein. Die letzte Phase nannte sie dann die Neuorientierungsphase, in der schließlich neue Interessen den Verlust von Rasmus ersetzen würden. Sie hatte das Gefühl, dass sie die Phase nie erreichen würde. Wie sollte das auch geschehen?

      Auf dem Weg zurück an den Tisch traf sie auf Danny. Er stand an der Tür und war dabei, sich eine Zigarette anzuzünden. Sie sahen einander an, ohne etwas zu sagen. Sie roch den Rauch seiner Zigarette. Mit dem schwachen Duft seines Aftershaves gemischt wirkte er recht angenehm. Normalerweise mochte sie Zigarettenqualm nicht.

      Danny brach als Erster das Schweigen. »Ich fahre Troels Mortensen nach Hause. Dann kann er morgen das Auto holen kommen, wenn er wieder nüchtern ist.«

      »Ich glaube, das ist eine gute Idee«, murmelte sie.

      Das Gespräch versiegte. Sie blickte zum Tisch hinüber, wo sich Majken gerade von Troels verabschiedete. Es machte sie verlegen, mit dem geheimnisvollen Mann allein zu sein. Er war nicht auf die gleiche Weise schön wie die männlichen Models, die sie gelegentlich für diverse Modekataloge und Werbeanzeigen fotografiert hatte. Diese Männer waren oft schön, aber trotzdem ohne Reiz.

      Danny nahm seine Jacke und warf sie sich über die Schulter. Er lächelte. Offensichtlich wollte er noch etwas sagen, wusste aber nicht was. Mit langsamen, unsicheren Schritten kam nun Troels zu ihnen herübergestapft und klopfte Danny mit geballter Faust auf die Schulter.

      »Das hier ist verdammter Blödsinn, ich kann sehr wohl fahren«, maulte er und warf sich nachlässig die Jacke über. Dann umarmte er sie ungeschickt. Sein Atem stank nach Alkohol, sie löste sich diskret aus seinen Armen.

      Majken kam, um sich von Danny zu verabschieden. Sie ließ ihre Hand ein wenig zu lange in der seinen ruhen und sah ihm dabei flirtend in die Augen. »Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen«, sagte sie mit weicher Stimme, so dass kein Zweifel bestand, was sie mit dem betonten Wir meinte.

      Kamilla zog ihre Jacke an und bedachte ihre Freundin mit einem musternden Blick. So war Majken all die Jahre über gewesen, seit sie sich kennengelernt hatten. Charmant und taktvoll. Sie wunderte sich, dass ihre so humorvolle und intelligente Freundin offenbar nie einen festen Partner in ihrem Leben gehabt hatte, zumindest hatte sie nie etwas dergleichen erzählt. Kamilla überlegte, wie lange es nun her war, dass sie selbst so verliebt gewesen war, dass es ihr förmlich den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Jan war ihre erste große Liebe gewesen. Sie hatten einander am Gymnasium in Horsens kennengelernt. Sie hatte sich oft gefragt, ob er für sie vielleicht nur die Fahrkarte weg von ihrer Mutter gewesen war, weg von dem traurigen Zuhause voller Selbstvorwürfe und Weltuntergangsprophezeiungen, die sich über die Jahre hinweg wie ein Mantra in Kamillas Gehirn festgesetzt hatten. Je länger sie und Jan zusammen gewesen waren, desto weniger hatten sie nämlich zueinander gepasst. Und nachdem sie Rasmus bekommen hatten, war alles nur noch schlimmer geworden. Jan war für ein Kind einfach nicht reif gewesen, das hatte sie schon während der Schwangerschaft gemerkt. Obwohl Jan seinen Sohn liebte, war die Verantwortung als Vater zu viel für ihn gewesen. Und so hatte er sich davongemacht. Und jetzt war es zu spät. Diese Chance bekäme er nie wieder.

      Vor dem Restaurant blieben sie stehen und schauten dem davonfahrenden Wagen nach.

      »Das hat er gut gemacht – für einen Kerl, den er gar nicht kennt«, sagte Majken mit einem leisen Lächeln. Sie legte Kamilla den Arm um die Schulter. »Hast du Lust, mit mir ein Stück spazieren zu gehen? Das Wetter ist gerade so schön.«

      Sie nickte. Frische Luft war im Moment genau das Richtige für sie.

      Bei klarem Wetter wie jetzt war die auf der anderen Seite der Bucht liegende Halbinsel Mols deutlich sichtbar. Sie gingen schweigend und ließen den Blick über die schönen Segelboote schweifen, die im Hafen verankert lagen – er hatte für ungefähr sechshundert Boote und hundert Jollen Platz. Aufgrund des nassen Sommers waren nicht so viele Segler von außerhalb gekommen wie sonst.

      Der

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