Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen

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Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito-Krimi

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dürfen wir im Gegenzug auch etwas dafür erwarten, Kriminalkommissar Benito? – Italiener?«, fügte sie hinzu. Er nickte, ohne die Sache irgend zu vertiefen.

      Kamilla hätte ihm einfach sofort alle Fotos ausgehändigt. Schon als Entschädigung dafür, dass sie das Absperrband der Polizei missachtet und verbotenen Boden betreten hatten. Oder auch einfach nur aus bloßem Respekt vor der Autorität. Aber nicht Anne. Sie wollte eine Gegenleistung.

      Roland Benito schien nicht überrascht. Im Gegenteil. Es sah beinahe so aus, als hätte er eine solche Replik bereits erwartet. Also berichtete er ihnen von der Puppe. Die Sache mit der verschwundenen Puppe. Anne legte ihr Aufnahmegerät auf den Tisch. »Darf ich?« Roland Benito nickte resigniert. Erst dann gaben sie ihm die Fotos. Information gegen Information. Mafiamethoden, pflegte Jan solche Geschäfte zu nennen. Dergleichen gab es in der Immobilienbranche, in der er tätig war, offenbar viele.

      Roland Benito ging langsam und sorgfältig alle Fotos durch, studierte sie ganz genau. Kamilla beobachtete ihn über den Plastikrand ihrer Tasse hinweg. Es war reiner Reflex, dass sie trank. Ein nervöser Reflex, so schien es ihr plötzlich. Womöglich sah das der Kriminalkommissar genauso. Sie wollte nicht schuldbewusst wirken und so stellte sie die Tasse schnell am Rand des runden Schreibtisches vor sich ab und sah hinüber zu Anne. Es kam ihr irgendwie dumm vor, dass sie jetzt hier saßen und dabei zusahen, wie der Kriminalkommissar ihre Fotos von einem Container mit allem möglichen Müll durchging. Aber Annes Blick war gespannt und aufmerksam, während sie mit wachem Auge all seine Bewegungen verfolgte.

      »Wann genau haben Sie diese Fotos hier gemacht?«

      Anne richtete ihren Blick auf Kamilla. »War es nicht ungefähr gegen zwei Uhr, oder was meinen Sie?« Kamilla überlegte. Alle Ereignisse des Vortags schwirrten ihr wie ein sich unaufhörlich drehendes Karussell im Kopf herum. Der Container. Die Kotze auf ihrem Schuh. Das erwürgte Mädchen, das sie zum Glück nicht mit eigenen Augen erblickt hatte, das sie aber in ihrer Fantasie trotzdem beharrlich vor sich sah. Jans Rachedurst. Dannys Augen.

      »Doch, der Zeitpunkt dürfte in etwa stimmen.« Ihre Stimme klang heiser.

      »Die anderen Fotos wurden zirka um halb zwei gemacht«, murmelte Roland Benito, sicher in erster Linie an sich selbst gerichtet, aber die Worte verschwanden trotzdem in das kleine Aufnahmegerät auf dem Tisch und hefteten sich an die schnurrenden Magnetbänder.

      »Das heißt, dass die Puppe zwischen halb zwei und zwei entfernt worden sein muss. Innerhalb eines Zeitfensters von einer halben Stunde«, schlussfolgerte Anne.

      Roland Benito sah sie an, als reiße sie ihn gerade aus den gleichen Gedanken.

      »Genau! Noch jemand anderes muss die zweite Tür an der Rückseite des Containers gekannt haben. Schließlich haben Sie die Puppe ja wohl nicht entfernt?« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ den Blick von Anne zu Kamilla und wieder zurück wandern, während er sich nachdenklich die schwarzen Bartstoppeln am Kinn rieb.

      Kamilla schluckte den Kloß hinunter, der ihr von dem Moment an im Hals gesteckt hatte, als sie mit steifen Bewegungen auf dem Stuhl gegenüber dem Mann mit dem intensiven Glanz in seinen tiefdunklen Augen Platz genommen hatte. Seine schwarzen Augenbrauen waren über dem Nasenrücken zusammengewachsen, was ihm einen wütenden Ausdruck verlieh. Genauso hat Rasmus immer wütende Männer gezeichnet, erinnerte sie sich: ein ausgeprägtes V genau zwischen den Augen. Wahrscheinlich hatte er es aus einem Zeichentrickfilm. Die südländische Herkunft des Kriminalkommissars war unverkennbar. Eine derart sonnengebräunte Haut konnte nicht vom dänischen Sommer kommen. Dennoch sprach er Dänisch ohne merklichen Akzent, was sie zu der Vermutung veranlasste, dass er in Dänemark aufgewachsen war.

      »Stehen wir jetzt etwa unter Verdacht?« In Annes Stimme schwang ein Hauch von Beleidigtsein mit. Offenbar mochte sie die Polizei nicht so besonders.

      »Natürlich nicht.« Er lächelte zum ersten Mal. Kein warmes, aufmunterndes Lächeln, aber immerhin ein Lächeln. Eine Erleichterung.

      »Hat sich die Mutter des Mädchens schon zu der Sache mit der Puppe geäußert?« Anne hatte es eilig, an Informationen mitzunehmen, was irgend mitzunehmen war, solange sie das Privileg dazu hatte. Es geschah schließlich nicht alle Tage, dass sie als Journalistin sozusagen exklusiv auf das Polizeirevier eingeladen wurde. Es gab natürlich die Pressekonferenzen, aber da war sie eine von vielen. Normalerweise bedurfte es hartnäckiger Anstrengungen, in einer solchen Sache ein Gespräch mit dem zuständigen Kriminalkommissar an Land zu ziehen.

      »Haben Sie denn noch nicht mit der Familie gesprochen?« Roland Benito klang verwundert.

      »Es steht für heute an«, räumte Anne ein.

      Sie gehörte also nicht zu der Sorte von Journalisten, die sofort über die Hinterbliebenen herfielen. Kamilla erinnerte sich noch allzu gut an die Journalisten, die sie nach dem Unglück ständig angerufen hatten. Aber sie hatte den Hörer nicht abgenommen. Wenn es an der Tür klingelte, hatte sie ebenfalls gewusst, dass nur sie es sein konnten. Vielleicht hatte der Artikel »Tragisches Todesunglück am Grenåvej« deshalb auch nur zwei Spalten auf der Titelseite gefüllt, garniert mit einem Foto des Unglücksortes. Ein Foto von welkem Gras mit kleinen Blumensträußen und brennenden Kerzen, die seine Mitschüler dort hingestellt hatten. Geschehen, gedruckt und zu den Akten gelegt. Neue Katastrophen ereignen sich, alte werden vergessen.

      »Haben Sie auf der Rückseite des Containers irgendwelche verdächtigen Personen bemerkt? Oder gibt es sonst noch etwas, was Sie beobachtet haben?«

      Die Stimme des Kriminalkommissars riss sie aus ihren Erinnerungen, und sie fuhr in ihrem Stuhl hoch. Anne schüttelte nachdenklich den Kopf und sah Kamilla abermals fragend an.

      »Ich bin in Erbrochenes getreten«, erinnerte sie sich. »Irgendwer hat sich hinter dem Container übergeben.« Vielleicht war es ja der Täter. Vielleicht hatte er allem zum Trotz doch so viel Ekel über das Getane verspürt, dass sich seine Eingeweide umgedreht hatten.

      »Die DNA ...«, schlug Kamilla vor, ohne viel darüber zu wissen. Mit einem leisen, nachsichtigen Lächeln schüttelte der Kriminalkommissar bedauernd den Kopf und griff nach seinem Zigarettenpäckchen. Er hielt es Anne hin, die sich bediente. Kamilla lehnte dankend ab, sie rauchte nicht.

      »Cecilie Nordstrøm, die Frau, die das Mädchen gefunden hat, hat zu Protokoll gegeben, dass sie sich im Gebüsch neben dem Container übergeben hat. Haben Sie auch mit ihr nicht gesprochen?« Jetzt klang er beinahe empört, als hielte er sie für lausige Pressefritzen, die ihre Arbeit schlecht machten. Er ließ sein Feuerzeug aufflammen und zündete zuerst Annes Zigarette an, danach seine eigene.

      »Ich habe versucht, sie zu erreichen, aber sie nimmt nicht ab, und wenn ich klingle, macht niemand auf«, verteidigte sich Anne. »Vielleicht sind sie ja in Urlaub gefahren.« Sie ließ es wie eine Frage klingen, auf die Roland Benito antworten sollte.

      »Ich habe die Familie gebeten, das Land nicht zu verlassen – für den Fall, dass wir weitere Informationen benötigen«, antwortete er denn auch prompt.

      »Für wann ist die Pressekonferenz angesetzt?«, fragte Anne.

      »Wir haben die Identität des Mädchens erst heute Morgen aufgeklärt. Ich erwarte auch, dass Sie bis auf Weiteres über das, was wir hier besprochen haben, dichthalten. Aber wir werden sicherlich noch heute im Laufe des Tages eine Pressekonferenz einberufen.«

      »Das hoffe ich doch sehr, schließlich suchen wir noch nach etlichen Antworten«, meinte Anne vorwurfsvoll.

      »Wir ja auch«, gab er unwirsch zurück. »Uns fehlt noch das Ergebnis der Untersuchung

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