Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen

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Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito-Krimi

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einen ungefähren Überblick über Gitte Mikkelsens Tagesablauf am Montag.« Er informierte sie kurz über den Obduktionsbericht. Anschließend ging er alle relevanten Fakten durch, die über Gittes letzte Stunden bekannt waren: »Gitte hatte am Montagnachmittag schulfrei und verließ daher die Schule früh. Auf dem Schulhof hat sich eine Lehrerin noch ein wenig mit ihr unterhalten. Bei diesem Anlass hat ihr Gitte erzählt, dass sie bei Mathilde Beck, einer Schulfreundin, zum Geburtstag eingeladen sei und dass sie jetzt schnell nach Hause müsse, um sich umzuziehen. Ungefähr Viertel vor zwei war sie zu Hause in Brabrand, zog dort die Kleider an, in denen sie gefunden wurde – einzig die weiße Strumpfhose haben wir bisher noch nicht ausfindig machen können –, und verließ dann ihr Zuhause per Fahrrad mit der Puppe im Rucksack. Den Rucksack und das Fahrrad müssen wir auch noch finden. Der Rucksack ist rosarot und mit Motiven des Kuscheltiers Diddlina Ballerina versehen. Das Fahrrad ist rot, Marke Winther. Ein besonderes Kennzeichen ist der gebrauchte schwarze Sattel. Näher konnten es die Eltern nicht beschreiben. Übrigens trug sie noch einen roten Fahrradhelm der Marke Etto. Kurz vor zwei wurde Gitte im Bazar Vest gesehen, wo sie Obst kaufte. Die Obduktion hat ergeben, dass dieses Obst Gittes letzte Mahlzeit war.« Roland räusperte sich und schluckte einen Mundvoll lauwarmen Kaffee.

      »Mathildes Geburtstagsparty fing um zwei Uhr an, aber Gitte ist dort nie aufgetaucht – nach ihrem Besuch im Bazar Vest gibt es also keine Spur mehr von ihr. Niemand hat sie mit dem Fahrrad wegfahren sehen, und sie ist niemandem mehr begegnet, bis sie am nächsten Tag nach ein Uhr mittags tot im Abfallcontainer aufgefunden wurde, also fast vierundzwanzig Stunden nach Verlassen ihres Elternhauses. Ihre Eltern erwarteten sie nicht zu Hause, weil sie zusammen mit ein paar anderen Mädchen bei der Schulfreundin, die die Party gegeben hat, hatte übernachten wollen.«

      »Warum hat niemand bei dieser Feier darauf reagiert, dass Gitte nicht aufgetaucht ist?«, wagte der junge Dan Rolands Redestrom zu unterbrechen, seinerseits ohne damit aufzuhören, eifrig Kaugummi zu kauen.

      »Die Eltern des Geburtstagskindes hatten keinen Überblick darüber, wie viele Kinder ihre Tochter eingeladen hatte«, fuhr Roland mit gereiztem Stirnrunzeln fort. »Von Mathilde auf Gittes Abwesenheit aufmerksam gemacht, versuchte ihre Mutter immerhin, Gittes Eltern anzurufen, aber niemand ging ran, und dann vergaß sie es wieder. Von mehreren Seiten wird Gitte als ein Mädchen beschrieben, das immer wieder launisch sein konnte und sich wiederholt nicht an die Abmachungen hielt, so dass sich niemand sonderlich darüber wunderte, dass sie nicht auftauchte. Den Schilderungen zufolge war sie ein eher verschlossenes, schüchternes Mädchen. Dass ihre beste Freundin Louise nicht auch zum Geburtstag kommen durfte, könnte Grund genug für ihr Nichterscheinen gewesen sein.« Roland sah vom Bericht auf und warf einen Blick in die Runde. Alle saßen schweigend und lauschend da, als hätte er aus einem Märchenbuch vorgelesen. Mikkel kritzelte Notizen auf seinen Block.

      »Wir haben also nach zwei Uhr, als Gitte den Bazar Vest verließ, keine weitere Spur, und wir müssen ein Fahrrad, einen Rucksack, eine weiße Strumpfhose und einen Fahrradhelm finden«, schloss Roland sein Briefing ab.

      Niemand sagte etwas. Die Stimmung war so deprimierend wie der Regen, der gegen die Fenster schlug.

      »Noch Fragen?«, erkundigte sich Roland und sammelte seine Papiere zusammen. Alle verneinten und verließen leise den Konferenzraum. Die Sache ging ihnen unter die Haut. Roland saß schweigend da und starrte auf die Fotos vom toten Mädchen auf der Tafel. Dann fiel ihm auf, dass Mikkel Jensen immer noch dasaß.

      »Ach ja, verdammt. Der Besuch bei dem Mädchen, das das Auto gesehen hat«, meinte er verlegen.

      Mikkel nahm den letzten Schluck aus der Colaflasche, die er in die Besprechung mitgenommen hatte. »Wenn Louise Gittes engste Freundin war, die sogar der Grund hätte sein können, warum Gitte bei der Geburtstagsfeier nicht auftauchte, sollten wir sie uns auf jeden Fall vornehmen«, unterstrich er und sprang dienstfertig auf.

      Roland nickte. »Hast du die Adresse?«

      Mikkel Jensen nickte zurück.

      »Dann auf nach Brabrand.«

      Gerda Poulsen war eine kleine, magere Frau Ende dreißig. Sie trug einen luftig gestrickten und von Glitzerfäden durchzogenen lila Pullover mit einem riesigen Rollkragen sowie einen dezent geblümten, sehr weiten Sommerrock. Sie lächelte müde, als sie die Tür öffnete und die Beamten in ein Wohnzimmer bat, in dem überall Spielzeug verstreut lag. Ein ungefähr zweijähriger Junge saß mittendrin und schlug zwei Holzklötze gegeneinander. Der Sabber tropfte ihm das Kinn herunter und sickerte auf seine blaue Latzhose.

      »Hallo, kleiner Freund«, grüßte Roland freundlich, als ihn das Kind mit großen blauen Augen verwundert ansah und ängstlich einen Finger in den Mund steckte. Dann fing der Kleine an zu heulen. Seine Mutter nahm ihn hoch und redete ihm zu, sich doch zu beruhigen.

      »Das mit Gitte ist schrecklich. Sie ist oft hierhergekommen. Sie haben in Louises Zimmer zusammengesessen, herumgealbert und im Internet gechattet. Sie war so ein goldiges Mädchen. Man kann es gar nicht begreifen.« Sie sprach mit lauter Stimme, um das weiterbrüllende Kind zu übertönen, das sie im Arm wiegte. Mit Tränen in den Augen sah sie die Polizisten an, als verfügten sie über ein spezielles Wissen, mit dem sie ihr erklären könnten, warum so etwas passierte.

      »Ist Louise zu Hause? Wir würden gern mit ihr über das Auto reden, das sie auf dem Spielplatz gesehen hat.«

      Das Kind schrie, dass es in die Ohren schnitt.

      »Ich habe Louise gebeten, zu Hause zu bleiben, weil Sie gleich kommen würden, aber sie musste nur mal rasch ein paar Schulbücher bei einer Klassenkameradin abholen gehen. Sie ist gleich wieder da. Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?« Mit dem Jungen im Arm, dessen Weinen allmählich nachließ, ging sie hinüber ins Kinderzimmer. Mit vor Tränen und Rotz nassem Gesicht sah er sie vorwurfsvoll über die Schulter der Mutter hinweg an, während sie zwischen den Laken im Kinderbett nach etwas suchte. Sie fand den Schnuller und stopfte ihn in seinen verschmierten Mund. Endlich hörten sie nur noch das Ticken der Wohnzimmeruhr und den leisen, stoßweisen Schluckauf des Kindes.

      »Nein danke, wir müssen gleich wieder weiter, sobald wir mit Louise geredet haben. Ich bedauere, dass die Polizei eine solche Wirkung auf Ihren Sohn hat«, meinte Roland lächelnd. Er wusste, dass seine Züge grob und schroff wirkten – für so schlimm hätte er sein Aussehen aber auch wieder nicht gehalten. Sie legte den Jungen ins Bett und zog ihm die mit Teddybärenmotiven geschmückte Bettdecke bis unters Kinn hinauf. »Er ist nur übermüdet«, sagte sie. Die Erklärung, die jede Mutter für ein unmögliches Kind parat hat, dachte Roland und setzte sich neben Mikkel Jensen auf das schwarze Ledersofa. Durch die Hose hindurch fühlte sich das Leder kalt an.

      »Kann ich Ihnen irgendetwas anderes anbieten, solange Sie warten?« Vorsichtig schloss sie die Tür zum Kinderzimmer. Dann nahm sie ein Bilderbuch über Tiere auf dem Bauernhof vom Sessel und setzte sich ihnen gegenüber. Beide Polizisten lehnten dankend ab.

      »Louise war nicht mit bei der Geburtstagsfeier der Schulfreundin letzten Montag.« Roland sagte es wie eine Frage.

      Gerda Poulsen blickte traurig drein. »Nein, wir mussten zu einer Beerdigung.«

      »Das tut mir leid. Ein enger Freund?«, fragte er teilnehmend.

      »Louises Großvater väterlicherseits. Er wohnte in Skagen, wir hatten kein enges Verhältnis zu ihm. Aber trotzdem.« Sie saß da und presste die Hände zusammen. Es machte ihr sichtlich zu schaffen, mit zwei Männern von der Polizei allein zu sein.

      »Ich kann Louise auf ihrem Handy anrufen. Ist aber komisch, dass sie noch nicht zurück ist.«

      Roland setzte zu einer abwehrenden Geste an. Handy? Sie sprachen von einem

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