Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1. Inger Gammelgaard Madsen

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Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito-Krimi

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war sich darüber im Klaren, dass der Mord nicht mehr lange geheim gehalten werden konnte.

      »Leider muss ich davon ausgehen, dass es sich um ein Sexualverbrechen handelt«, sagte er, während er mit finsterem Blick nach Leuten Ausschau hielt, die es wagten, über die Absperrbänder zu steigen. Er hatte Angst vor den Reaktionen in der Stadt. Schon ein Kindermord drüben in Kopenhagen, weit weg auf der Insel Seeland, konnte die Bevölkerung hier tief erschüttern. Was würde dann ein Kindermord in ihrer eigenen Stadt auslösen – Aarhus, gütiger Gott, auch »Stadt des Lächelns« genannt? Er sah schon die fettgedruckten Überschriften auf den Titelseiten der Tagespresse. Kindermord in der Stadt des Lächelns. Kleines Mädchen erdrosselt in Container aufgefunden. Und warum in einem Container gerade hier im Problembezirk Gellerup? Kein Zweifel, dass viele die Gelegenheit nutzen würden, den Vorfall mit den vielen Ausländern, der Gewalt und der hohen Kriminalitätsrate in diesem Bezirk in Zusammenhang zu bringen. Nicht gerade das Beste, was dem ohnehin schon vom Schicksal geschlagenen Viertel passieren konnte.

      »Das Mädchen ist aber ganz normal angezogen. Nur ihre Beine sind nackt – und die sockenlosen Füße in den weißen Sandalen«, antwortete Leander.

      Roland kam das eigenartig vor. Das Wetter diesen Sommer war für nackte Beine nicht gerade vorteilhaft. Zum Teufel mit den Pädophilen, dachte er. Wenn es nach ihm ginge, sollten sie sich ruhig nackte Kinderkörper anschauen, so viel sie wollten – auch wenn er selbst es pervers fand –, wenn sie die Kleinen nur in Ruhe ließen und nicht zur Ursache dafür wurden, dass sie auf Henry Leanders Tisch in der Rechtsmedizin landeten.

      »Keine Vermisstenanzeigen?«, fragte Leander und machte einen großen Schritt über eine Pfütze.

      »Nein, jedenfalls keine kleinen Mädchen. Nur die üblichen Dementen, die sich verlaufen haben, aber die finden wir zum Glück in aller Regel wieder. Du bist dir also über den Todeszeitpunkt nicht ganz sicher?«

      »Noch nicht, aber das wird die Obduktion ergeben. Vielleicht erhalten wir dadurch auch einen Hinweis auf den Tatort. Das Mädchen ist erst in den Container gelegt worden, als sie schon tot war.«

      »Dann haben wir also auch noch einen Tatort zu finden«, seufzte Roland.

      Leander nickte. »Der Container ist nur der Fundort der Leiche. Der Tatort hat für uns eine viel größere Bedeutung. Aber den aufzuspüren wird nun deine Aufgabe sein, alter Freund.« Er tätschelte Roland ein wenig an der Schulter, um seine Worte weicher klingen zu lassen.

      Roland kratzte sich die dunkle Haarpracht. »Ja, dort sollten die Kriminaltechniker die entscheidenden Beweise finden können – wenn wir ihn erst einmal ausfindig gemacht haben, heißt das.«

      »Ich kann dir bestimmt schon bald eine Antwort geben«, antwortete Leander beruhigend. »Ihre Haare sind voller Schlamm und ihre Kleider durchnässt, das ist doch schon mal ein Hinweis. Beides kann unmöglich im Container passiert sein.«

      »Schlamm! Wasser!« Roland breitete resigniert die Arme aus, so dass die Asche von seiner Zigarette bröselte. »In diesem feuchten Sommer kann das ja überall sein.«

      Leander richtete seinen Blick in den Himmel, der schon wieder Wolken für den nächsten Schauer herantrieb. »Es hängt davon ab, was die Analyse über die Zusammensetzung des Schlamms ergibt. Schlamm ist nicht gleich Schlamm. Ich habe auch Blut auf ihrem Rock gefunden.«

      »Blut! Ihr Blut?« Er befürchtete das Schlimmste.

      »Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Dazu brauchen wir erst die DNA-Analyse. Aber unmittelbar sieht es nicht so aus, als hätte sie Wunden, die so heftig geblutet haben könnten.«

      »Was ist mit den Wunden von den Seilen?«

      »Es sind nur Hautabschürfungen, und die haben nicht geblutet. Ich glaube nicht, dass sie allzu lange festgebunden gewesen ist – aber lange genug, um Striemen zu hinterlassen.«

      Sie hatten ihre Wagen erreicht. Leander öffnete die Tür seines gebrauchten Volvos. Hinter ihnen trafen nun auch die ersten Pressevertreter ein. Sie stürzten sich auf die Polizisten, die das Gelände sicherten, und überschütteten sie mit ihren bohrenden Fragen, auf welche die Polizisten keine Antworten hatten. Stattdessen gaben sich die Beamten alle Mühe, die anstürmende Horde auf Abstand zum Container zu halten. Die blauen Blinklichter hatten Menschen aus dem Umkreis von Meilen angezogen.

      »Die Schmutzgeier sind eingetroffen. Lass uns verschwinden«, seufzte Roland.

      4

      Als sie im Regen den Edwin Rahrs Vej entlangfuhr, sah sie sogleich das Blaulicht der Polizeiautos und die rot-weißen Bänder, die das Gelände auf der anderen Straßenseite absperrten. Sie bereute jetzt, dass sie die Journalistin nicht doch gefragt hatte, um was für eine Aufgabe es sich da handelte. Hier war offensichtlich ein Unglück geschehen – oder ein Verbrechen. Nicht gerade das, was sie momentan unbedingt brauchte. Sie hatte auf die Eröffnung einer neuen Fabrik irgendwo hier draußen im Industriegebiet gehofft oder etwa auf eine Preisverleihung für einen außergewöhnlich schönen Garten im Gartenverein Brabrand.

      Die Frau, die ihr entgegenkam, sobald sie ihren silbergrauen Ford Ka geparkt hatte, sah sie aus grauen Augen unter einem roten Regenschirm prüfend an. Die Journalistin. Ihr Gesichtsausdruck machte klar, dass sie wusste, was in Kamillas Leben vorgefallen war. Der sensationslüsterne Redakteur Thygesen hatte es selbstverständlich nicht lassen können, ihr die Geschichte auf seine eigene dramatische Weise unter die Nase zu reiben. Kamilla hatte es satt, all die mitfühlenden Augen zu spüren, die deutlich ausdrückten: du arme Kleine. Sie konnte es nicht ausstehen, bemitleidet zu werden – weil sie sich selbst stark fühlte. Oder vielleicht auch deshalb, weil sie soeben gemerkt hatte, dass sie denn doch nicht ganz so stark war, wie sie geglaubt hatte.

      Die junge Journalistin reichte ihr die Hand. »Anne Larsen«, stellte sie sich vor, gefolgt von einem fragenden »Kamilla Holm, ja?«. Ihre Stimme war selbstbewusst, ihr Dialekt verwies auf den Kopenhagener Szenestadtteil Nørrebro.

      Für Kamilla bestand gar kein Zweifel, dass ihr Gegenüber aus der Hauptstadt stammte. Die Journalistin war klein und mager. Doch obwohl sie eher zierlich gebaut war, hatte sie einen festen, warmen Händedruck. Ihre Hand war schlank und sehnig und passte gut zum übrigen Körper. Sie kam Kamilla bleich vor unter der kurzen, rabenschwarzen Frisur. Ihr eines Auge hatte einen traurigen Ausdruck, das Lid des anderen wirkte ein wenig hängend. Kamilla schätzte sie auf Mitte bis Ende zwanzig. Das schwarze Sweatshirt mit Kapuze, das sie unter dem gelben Regenmantel trug, war etwas zu lang, die Jeans hatte verwaschene weiße Flecken, und die Hosenbeine waren unten umgeschlagen, so dass in einem Paar weißer Sportsandalen, die nun aber von Gras und Schlamm schmutzig waren, die nackten Knöchel sichtbar wurden.

      »Ja, ich bin Kamilla Holm. Woher wussten Sie, dass ich es bin?«, gab sie zurück. Ihr eigener Dialekt, eine charakteristische Mischung aus den Dialekten der Städte Horsens und Aarhus, klang in ihren Ohren plötzlich hinterwäldlerisch. Auch das hatte sie zu fragen vergessen: Wie sehen Sie aus? Woran kann ich Sie erkennen? Sie kam sich unprofessionell vor und kniff im Regen die Augen zusammen. Natürlich hatte sie auch weder Regenschirm noch Regenmantel dabei.

      »Thygesen hat mir ein Foto von Ihnen gezeigt«, antwortete Anne Larsen mit einem Augenzwinkern.

      »Was ist hier passiert?« Kamilla ließ ihren Blick über die Meute nasser Menschen auf der einen und die wenigen Polizisten auf der anderen Seite schweifen, die die Menge auf Abstand zu halten versuchten. Ihre Stimme klang nervös.

      »In einem Abfallcontainer hat man ein totes Mädchen gefunden.«

      »Ein

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