Hanussen - Hellseher und Scharlatan. Will Berthold

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Hanussen - Hellseher und Scharlatan - Will Berthold

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werden die Hölle auf Erden haben«, fährt der Magier fort. »Ich werde Sie betrügen. Ich werde Sie verlassen. Gehen Sie, Madame! Gehen Sie, so schnell Sie können! Versuchen Sie einer Prophezeiung Hanussens zu entkommen! Versuchen Sie es doch! Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei, ich, der Mann, der nur Unglück in Ihr Leben bringen wird. Hören Sie, ich, der Hellseher Hanussen, wünsche Ihnen Glück!«

      Er ist noch blasser geworden. Er richtet sich wieder auf. An seiner Stirn treten die Adern wie Schnüre hervor. Er spricht wie im Fieber, wie in Trance. Seine Augen erschrecken die Baronin Panwitz. Sie treten groß hervor, sind leicht verdreht. Der Gaukler sieht aus wie das Opfer in einem Stummfilm, unmittelbar vor seiner Ermordung. Aber die Zeit der Stummfilme ist vorbei; es werden gerade die ersten Versuche mit Tonfilmen angestellt.

      »Hören Sie auf mit Ihrer Kaschemmenkunst!« erwidert die Baronin. Ihre Stimme wirkt unsicher. Beim Versuch aufzustehen kommt sie nicht gleich hoch.

      »Eines Tages wird man mich beerdigen. Man wird mich wie einen Hund einscharren. Es werden vier Totengräber da sein. Sie werden sich Witze erzählen. Witze über mich. In den Zeitungen wird kein Wort stehen, daß Hanussen gestorben ist. Der große Hanussen! Der Nostradamus des 20. Jahrhunderts! Ein einziger Mensch wird am Grabe stehen. Eine dunkelblonde Frau, deren Lebensglück Hanussen zerstört hat. Die einzige Frau, die an seinem Grab weinen wird. Gehen Sie, Madame – retten Sie sich und mich.«

      Der Magier erwacht aus seiner Trance. Fast verwundert sieht er sich ein paar Sekunden in der Garderobe um. Jetzt erst bemerkt er, daß der Sessel leer ist.

      Die Baronin ist geflüchtet. Mit großer Anstrengung. Hanussen atmet stoßweise. Er trinkt ein Glas Wasser, wischt sich den Schweiß vom Gesicht. Er merkt, daß auch sein Hemd durchschwitzt ist, will es wechseln.

      Da wird an seiner Garderobentür angeklopft. Einen unsinnigen Moment lang hofft Hanussen, daß die Baronin zurückgekommen ist.

      Aber in der Tür steht keine Frau, sondern ein Mann, und der Eintretende ist nicht zierlich, sondern ziemlich korpulent.

      »Hermann Steinschneider?« sagt er.

      »Ich heiße Erick-Jan Hanussen«, fährt ihn der Hellseher verärgert an.

      »Ich bin Kriminalkommissar Molitor«, antwortet der Beamte, während sich seine beiden Helfer in den Raum schieben. »Ich habe einen Haftbefehl gegen Sie.«

      »Ha – Ha – Haft-befehl?«

      »Wegen Betrugs in mehreren Fällen«, erklärt der Mann mit dem Lockenkranz. Er lächelt. »Warum sind Sie so verdutzt? Das kann Sie doch nicht überraschen«, setzt er hinzu, »nicht als Täter. Und schon gar nicht als Hellseher.« Er nickt seinen beiden Begleitern zu. »Ich denke, es ist auch in Ihrem Interesse, kein Aufsehen zu erregen, Herr Steinschneider.«

      Hanussen geht wie geschoben.

      Er ist überrumpelt, verstört. Er glaubt an einen Spuk, an einen Irrtum, der in ein paar Minuten aufgeklärt sein wird, aber da versagt seine Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen, zum zweiten Mal.

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