Hanussen - Hellseher und Scharlatan. Will Berthold

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Hanussen - Hellseher und Scharlatan - Will Berthold

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ihn Hanussen.

      »Um 14 Jahre – sehr wohlhabend, früher ein ziemlicher Windhund«, feixt der Ex-Journalist, »jetzt aber bedeutend ruhiger geworden. Verena stammt zwar aus einer Familie mit Namen, aber sie ist durch Krieg und Inflation verarmt.« »Wie sieht denn der Herr Gemahl aus?« fragt der Spiritist. »Wie ein Baron in einem UFA-Schinken«, antwortet der wendige Sekretär: »Sehr vornehm und leicht vertrottelt. Wenn Sie Ihr Glück versuchen wollen«, setzt Juhn hinzu, und die Schadenfreude läuft ihm wie Sirup über das Gesicht. »Die Baronin sitzt mit ihrer Gesellschaft im Vorraum an der Bar und lästert über Sie.«

      »Hol sie her!« befiehlt der Illusionist. »Lade sie ein.«

      »Sie wird nicht kommen«, versetzt der Ex-Journalist.

      »Sie wird kommen«, fährt Hanussen seinen Adlatus an wie eine Versuchsperson.

      Der Mann geht, stößt am Gang auf den Impresario und tippt sich mit dem Finger an die Stirn.

      »Hat er wieder seinen Rappel?« fragt der Manager.

      »Ja«, erwidert Juhn. »Aber diesmal, verlaß dich drauf, diesmal trägt auch er den Hintern zu tief unten.«

      Die kleine Bar ist vollbesetzt mit Zuschauern, die den Abend noch einmal durchgehen und von Hanussen in den höchsten Tönen schwärmen. In ihrer Mitte die junge Baronin. Sie hat wieder die Beine übereinandergeschlagen, raucht aus einer langen Zigarettenspitze, schüttelt den Kopf und lächelt spöttisch und zeigt dabei herrliche Zähne.

      »Nein«, sagt sie. »Ich war mal in München auf dem Oktoberfest. Eine Schaubude zeigte als Attraktion das Zersägen einer lebenden Jungfrau in zwei Teile. Ein Spiegeltrick, raffiniert gemacht. Ohne Blutvergießen. Zum Schluß zeigte sich die Zweigeteilte im hübschen Goldlamétrikot als ›one piece‹ auf der Bühne. Und dieser Illusionist arbeitet garantiert mit ähnlichen Gaukeleien.«

      »Aber ohne Spiegeltrick, Jane«, erwiderte der dicke Bier-Graf an ihrer Seite.

      »Dann eben mit anderen«, versetzt Verena Panwitz. »Ihr könnt euch ja von ihm Hörner aufsetzen lassen«, fährt sie mit angenehmer Stimme fort. »Ich interessiere mich weder für Kartenschlägerei noch für Stühlerücken. Weisheiten aus dem Kaffeesatz lassen mich kalt, die Voraussagen der Sterndeuter werfe ich in den Papierkorb.« Die Baronin pudert sich die Nase und sieht im Schminkspiegel, wie Adolf-Erich Juhn versucht, sich an sie heranzudrängen. »Verzeihung, Frau Baronin. Juhn, mein Name. Ich bin der Privatsekretär von Herrn Hanussen«, stellt er sich vor. »Herr Hanussen würde sich freuen, wenn Sie ihm Gelegenheit gäben, Ihnen in einer kleinen Sonderdemonstration seine hellseherische Fähigkeit vorzuführen.«

      »Ach nein«, versetzt die Baronin Panwitz, »sogar nach Feierabend?«

      »Herr Hanussen möchte Ihnen Ihre Skepsis nehmen«, erwidert der Sekretär. »Es wird nicht lange dauern.«

      »Er wird es nicht schaffen.«

      »Das käme auf einen Versuch an.«

      »Und meinen Sie«, entgegnet die Baronin mit verengten Augen, »er ruft, und ich folge ihm auf Pfiff?«

      »Sei nicht dumm, Jane«, mischt sich der Bier-Graf ein. »Was meinst du, was unsereiner für so eine Einladung geben würde?«

      »Du kannst ihn ja auslachen«, sagt ein anderer Umsitzender. »Ja, mach ihn doch fertig – wir sind alle gespannt, ob du das schaffst, Jane.«

      »Ihr seid verrückt«, entgegnet die Baronin. Schließlich steht sie doch auf und folgt dem Sekretär. »In drei Minuten bin ich zurück«, behauptet sie. »Und bis dahin hab’ ich diesen Scharlatan auf Null gebracht.«

      Der Sekretär geht voraus, geleitet die Baronin beflissen zu seinem Meister, klopft an, öffnet die Garderobentür. Er verschwindet mit einer Verbeugung. Erst als sie Juhns Gesicht nicht mehr sehen kann, setzt sich der Hohn in seinen Mundwinkeln fest: Diesmal ist er der Prophet. Bei Verena von Panwitz wird Hanussen ausrutschen wie der Esel auf dem Eis.

      »Entschuldigen Sie, gnädige Frau«, empfängt sie der abgeschminkte Magier und beugt sich über Janes Hand. »Ich muß einfach mit Ihnen sprechen.«

      »Warum?«

      »Ich spürte den ganzen Abend Ihren Widerstand«, erklärt er. »Sie hätten mich beinahe aus der Fassung gebracht.«

      »Das bedauere ich außerordentlich«, spöttelt die Baronin.

      »Es stört mich, wenn die schönste Dame im Saal auch die ablehnendste ist.«

      »Ich habe meinen Eintritt bezahlt«, kontert sie die Huldigung, »und damit wären wohl unsere beiderseitigen Beziehungen erschöpft. Was ich von Ihren Darbietungen halte, ist meine Privatsache. Und jetzt kann ich wohl gehen.« »Bleiben Sie, Baronin«, bittet Hanussen und schiebt ihr den Sessel zu. »Ich möchte doch einen Versuch machen, Sie umzustimmen.«

      »Gut. Fangen Sie an«, erwidert sie lustlos.

      »Sie sind 27 Jahre alt. Sie sind mit einem Mann verheiratet, den Sie nicht lieben. Es ist der Baron Panwitz. Sie haben keine Kinder, und Sie wünschen sich auch keine. Sie spielen gerne Tennis. Sie lieben den Foxtrott. Aber Sie gelten nicht ganz zu Unrecht als ein wenig kalt. Sie müssen mich unterbrechen, gnädige Frau, wenn etwas nicht stimmt.«

      »Es stimmt fast alles«, entgegnet die Baronin. »Ihre Detektive haben gut gearbeitet.«

      »Mein Detektiv ist mein Kopf.«

      »Und Ihr Geschäft ist die Dummheit der Menschen, der Größenwahn, der Hokuspokus! Es wäre nichts dagegen zu sagen, wenn Sie hier offen als Zauberkünstler, als Illusionist auftreten würden, wenn Sie vor die Leute hingehen und sagen würden: ›Alles, was Sie hier sehen, ist Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit, Trick. Amüsieren Sie sich gut, aber lassen Sie sich nicht beeindrucken!‹«

      »Wenn es aber keine Tricks sind?«

      »Es ist sinnlos, daß wir uns darüber unterhalten«, erwidert die Baronin. »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir wollen. Es waren ja genug Gutgläubige da. Sie können mit dem Ergebnis dieses Abends durchaus zufrieden sein. Aber mich werden Sie nicht in die Schar Ihrer Mitläufer einreihen; ich bin ein aufgeklärter Mensch …«

      »Das denken Sie, Madame«, erwidert Hanussen. Er steht auf. Er sieht ihr in die Augen, als ob er sie hypnotisieren wolle; er beugt sich zu ihr herab.

      »Ich will Ihnen etwas sagen, Baronin. Ich werde Ihnen etwas prophezeien. Ich werde Ihnen beweisen, daß ich nicht mit Tricks arbeite. Die Kosten des Beweises werden auf Ihre Rechnung gehen. Sehen Sie mich an, Madame. Sehen Sie die schwarzen, geölten Haare mit dem geradegezogenen Scheitel? Sehen Sie die gelbe Haut des Gesichts? Spüren Sie den Tabakatem? Können Sie sich vorstellen, daß Sie sich in mich verlieben würden?«

      »Wirklich nicht«, entgegnet die Baronin zwischen Spott und Zorn. »Vielleicht sind Sie nur betrunken – ich hoffe das für Sie. Andernfalls wären Sie verrückt.«

      »Sie werden meine Geliebte werden. Sie werden Ihren Mann verlassen. Sie werden mir nach Berlin folgen. Wir werden eine herrliche Zeit verleben. Ein Leben in Saus und Braus. Kurze Tage und lange Nächte mit heißen Küssen und stürmischen Umarmungen. Aber die Zeit des Glücks wird knapp bemessen sein. Erik-Jan Hanussen, der größte Hellseher seinerZeit, ist nicht nur für eine Frau geschaffen.« Die Baronin in der Garderobe starrt den Wahrsager

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