Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen. Kai Fritzsche

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Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen - Kai Fritzsche Hypnose und Hypnotherapie

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näher als anderen. Sie arbeiten integrativ. Ihre Arbeit basiert auf dem Hintergrund einer spezifischen psychotherapeutischen Sozialisation. Leider wird diese immer noch durch einen Schulenstreit behindert, der offensichtlich nur schwer zu überwinden ist. Ich plädiere für eine Prozessorientierung, mit deren Hilfe integrativ gearbeitet wird. Viele der im Abschnitt 2.5 erwähnten Ansätze verfolgen bereits eine solche integrierende Vorgehensweise.

       2.6Orientierung mittels Prozessen und Wirkfaktoren

       2.6.1Behandlungsphasen

      Die Orientierung mittels Behandlungsphasen sowie deren Nutzung für den Behandlungsplan haben eine lange Tradition. Van der Hart, Nijenhuis u. Steele (2008, S. 258) erinnern diesbezüglich an die wegweisenden Arbeiten von Pierre Janet, der bereits vor mehr als einhundert Jahren eine dreiphasige Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen vorschlug. Janet unterschied drei spezifische Behandlungsphasen, die jeweils eigene Behandlungsziele beinhalten:

      a)Stabilisierung und Symptomverringerung

      b)Behandlung traumatischer Erinnerungen

      c)(Re-)Integration und Rehabilitierung der Persönlichkeit

      Die Pioniere der Behandlung komplexer Traumafolgestörungen wie Daniel Brown, Chris Courtois, Catherine Fine, Erika Fromm, Judith Herman, Richard Kluft, Richard Loewenstein, Erwin Parson, Laurie Pearlman, Frank Putnam und Colin Ross folgten diesem Modell. Im deutschsprachigen Raum ist die dreiphasige Behandlung von Traumafolgestörungen ebenfalls etabliert (Hecker u. Maercker 2015, S. 556).

      Insbesondere in Deutschland bestehen diesbezüglich jedoch deutliche Kontroversen, die vor allem im Hinblick auf die Notwendigkeit und Indikation der ersten Phase Stabilisierung ausgetragen werden und die leider zu großen Verunsicherungen auf Therapeutenseite führen. Seit dem Erscheinen des Artikels »Stabilisierung und Konfrontation in der Traumatherapie – Grundregel oder Mythos?« (Neuner 2008, S. 109–118) sind darüber Grabenkämpfe entfacht (Sachsse 2013, S. 9). Wer plädiert für und wer gegen den Einsatz einer Stabilisierungsphase? Neuner stellt nicht nur die Notwendigkeit einer solchen Phase infrage, er wirft den Befürwortern Behandlungsfehler vor, da sie ihre Patientinnen und Patienten nicht unverzüglich zu der von ihm favorisierten Technik, der Konfrontation, bringen würden. Durch die Stabilisierungsbemühungen würde den Patienten eine wirksame Behandlung vorenthalten. Die Stabilisierung – so sein Vorwurf – stünde eher mit Vermeidungsverhalten auf Therapeuten- und Patientenseite in Zusammenhang als mit einer Vorbereitung auf die Exposition. Er spricht von der Gefahr »der Verschwörung des Schweigens« und bringt diese in Zusammenhang mit den Schweigegeboten der Täter (Neuner 2008, S. 116). Das sind deutliche Worte. Und trotz der beeindruckenden Studienlage, die seine Arbeitsgruppe mittlerweile für diese Argumentation ins Feld führt – auch schwer traumatisierte Patienten wurden von ihr mittels Kurzzeitintervention ohne Stabilisierungsphase behandelt –, scheint sich die Diskussion zum Teil weit weg von der Lebensrealität ambulant behandelter komplextraumatisierter Menschen zu bewegen, die beispielsweise zunächst Mühe haben, ohne Komplikationen den Weg in die Praxis und anschließend wieder nach Hause zu finden.

      Hinsichtlich möglicher Gefahren von Expositionen (die für eine Stabilisierung sprechen könnten) betont Neuner, dass

      »… nur Psychosen, organische Störung oder geistige Behinderung, Alkoholabhängigkeit, akute Suizidgefahr sowie fortgesetzte missbrauchende Beziehung als Ausschlusskriterien angewendet wurden.«

      Es liegt seines Erachtens für Kliniker auf der Hand,

      »dass bei den meisten dieser Bedingungen keine reguläre Psychotherapie, in welcher Form auch immer, möglich oder sinnvoll ist« (ebd., S. 113).

      Daraus ergibt sich die Frage, welche Art von Behandlung wir genau den Patientinnen und Patienten anbieten können, die aufgrund einer hohen Komorbidität sowie von weiteren somatischen, zwischenmenschlichen und sozialen Problemen hoch belastet und folglich äußerst instabil sind. Was verstehen wir unter »regulär« und was unter »möglich oder sinnvoll«? Hier wäre ein Austausch zwischen Praktikern und Forschern sehr wünschenswert. Im Abschnitt 8.8 wird ein ausführliches Beispiel einer traumafokussierten Behandlung einer geistig behinderten Patientin gegeben, das möglicherweise als Anregung für eine Diskussion dienen kann. Es handelt sich dabei um eine Patientin, für die es nach Neuner auf der Hand liegt, dass keine reguläre Psychotherapie möglich oder sinnvoll ist.

      Letztlich bleibt die Frage interessant, wie stabil eine Patientin oder ein Patient sein muss, um sich in einem sicheren Zustand, das heißt ohne zu dekompensieren und ohne zu dissoziieren, mit traumatischem Material konfrontieren zu können. Dazu gehören ebenfalls die Fähigkeiten, sich im Anschluss an eine Konfrontation wieder selbst beruhigen zu können (Affektregulation) und im Lebensalltag für sich sorgen zu können (Funktionalität/Stabilität im Alltag). Wir können auf beiden Seiten Schaden anrichten. Zu schnelles und unvorbereitetes Konfrontieren kann ebenso zum Scheitern der traumazentrierten Behandlung sowie zu einem massiven Symptomanstieg oder zu weiteren Störungen führen wie eine Verzögerung oder Vermeidung der Konfrontation aufgrund einer ausschließlichen oder verlängerten Stabilisierung. Der Patient aus Fallbeispiel 2, der von einem Hai angegriffen wurde, hätte sicher nicht von einer Stabilisierungsphase im Umfang von 80 Behandlungsstunden profitiert, ein solches Vorgehen hätte aus traumatherapeutischer Sicht einen Behandlungsfehler dargestellt. In seinem Fall fand der Beginn der Konfrontation bereits in der vierten Sitzung statt. Andere Behandlungen erfordern einen völlig anderen Verlauf. Wenn die Patientin beispielsweise tatsächlich kaum die Praxis findet, wenn sie durch ihre komplexe Symptomatik extrem beeinträchtigt ist, sich nicht an vergangene Sitzungen erinnern kann, kaum absprachefähig scheint, Täterkontakt sowie ein komplexes komorbides Störungsbild vorliegt und vieles mehr, dann sind in jedem Falle vor dem Beginn einer Konfrontation mit traumatischem Material noch einige Aufgaben zu erledigen. Ein Verzicht auf eine Stabilisierung würde ein hohes therapieinduziertes Risiko darstellen.

      Zahllose Beispiele ließen sich für die Indikation einer Stabilisierungsphase anführen. Sollten wir diesen Punkt quantitativ entscheiden, also demjenigen recht geben, der die meisten Fälle für seine Argumentation aufführt? Muss in dieser Diskussion jemand recht bekommen? Oder sollten wir sie qualitativ entscheiden und im Einzelfall gemeinsam mit unseren Patientinnen und Patienten überlegen, wie viel und welche Art von Stabilisierung notwendig ist? Lassen sich aus einer qualitativen Herangehensweise Empfehlungen für die Praxis ableiten? Welche Haltung gegenüber der Exposition haben wir? Wie können wir unsere eigenen Gefühle hinsichtlich bevorstehender Expositionen von Patientinnen reflektieren?

      Wir sollten nicht darüber streiten, ob eine Stabilisierung im Behandlungsplan enthalten ist oder nicht, sondern erstens überlegen, ab wann und unter welchen Umständen konfrontiert werden kann, und zweitens, wie sich Konfrontationen gestalten lassen, damit sie gut zu bewältigen sind.

      Grawe zählt die Ressourcenaktivierung, die in der Stabilisierungsphase einer phasenorientierten Traumatherapie angesiedelt ist, zu den empirisch validierten Hauptwirkfaktoren von Psychotherapie (Grawe 2005, S. 311). In integrativen Ansätzen zur Behandlung von Traumafolgestörungen, wie dem Ansatz der Schonenden Traumatherapie von Martin Sack, wird der Stabilisierungsphase ein hoher Stellenwert eingeräumt (Gromes 2013, S. 61 ff.). Aus den körperorientierten Ansätzen erhalten wir für diese Diskussionen und die entsprechenden Entscheidungen sehr interessante Anregungen, die darauf hinweisen, wie wichtig u. a. das Erleben von Sicherheit ist und welcher Bedeutung die Entwicklung eines von Sicherheit und Halt geprägten Zustands innerhalb der Traumatherapie zukommt (Levine 2011, S. 104).

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