Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen. Kai Fritzsche

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Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen - Kai Fritzsche Hypnose und Hypnotherapie

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zur Stabilisierung (Affektregulation und Erleben von Sicherheit) ableiten.

      Allein schon, um die Frage beantworten zu können, wann ein guter Zeitpunkt für den Beginn der Konfrontation sein könnte, also die Frage, wann von der Stabilisierungs- zur Konfrontationsphase gewechselt werden kann, liegen seitens der Hypnotherapie und Ego-State-Therapie spezifische Ansätze vor (Fritzsche 2018a, S. 81). Im Rahmen einer hypnotherapeutischen Behandlung lässt sich die Weisheit des Unbewussten nutzen, um den Schritt zur Konfrontation einschätzen zu können, in der Ego-State-Therapie werden verschiedene Ego-States, wie innere Beobachter, innere Helfer oder Ego-States der inneren Stärke, herangezogen, um die Entscheidung für den Beginn der Konfrontation treffen zu können.

      Bei einer Patientin, die unter den Folgen von lang anhaltendem sexuellem Missbrauch in der Kindheit und Jugend litt, arbeitete ich zur Beantwortung der Frage, ob wir mit der Konfrontation beginnen können, mit ideomotorischen Fingersignalen (Erickson 1998, S. 421 ff.; Fritzsche und Hartman 2019, S. 105), also einer klassischen hypnotherapeutischen Intervention, in der mit dem Unbewussten kommuniziert wird. Das Unbewusste wird veranlasst, über den Körper, in diesem Fall die Finger, drei Antwortmöglichkeiten geben: 1) Ja, 2) Nein und 3) Weiß ich nicht bzw. Kann ich nicht sagen. Die Patientin war bezüglich der Konfrontation sehr ungeduldig und drängelte mich, so schnell wie möglich damit anzufangen. Da ich nicht sicher war, ob sie stabil genug war, schlug ich ihr die Arbeit mit ideomotorischen Fingersignalen vor. Nachdem die drei Antwortmöglichkeiten drei Fingern zugeordnet waren, kam die Antwort auf die Frage unmittelbar. Ohne Zeitverzögerung schoss förmlich der Nein-Finger in die Höhe, man könnte fast sagen, schneller als die Patientin den Ja-Finger hätte willentlich bewegen können, was ihr lieber gewesen wäre. Wir waren beide sehr beeindruckt von dieser klaren Antwort des Unbewussten und suchten nach den Hintergründen, die offensichtlich noch gegen den Beginn der Konfrontation sprachen.

      Um zu der Diskussion der Rolle der Stabilisierung zurückzukommen, lässt sich zusammenfassend der Konsens in Form der deutschen Behandlungsleitlinien zitieren, in denen für die Behandlung von Traumafolgestörungen klar drei Therapiephasen empfohlen werden: 1) Sicherheit: Stabilisierung und Affektmodulation, 2) Traumaexposition (in verschiedenen Formen) und 3) Integration und Neuorientierung (Flatten et al. 2011, S. 202–210). Die Stabilisierungsphase in der Ego-State-Therapie wird in Kapitel 7 ausführlich erläutert.

      Phillips und Frederick konzipierten für das Konzept der Ego-State-Therapie ein vierphasiges Behandlungsmodell (Fritzsche 2018a, S. 182 ff.; Phillips u. Frederick 2003, S. 65 ff.). Das in der Traumabehandlung übliche dreiphasige Modell wurde um die Phase der Schaffung eines Zugangs zu traumatischem Material sowie zu den damit assoziierten Ego-States als zweite Phase ergänzt. Damit wurde dem Aspekt besondere Aufmerksamkeit geschenkt, auf welchem Weg sich die Patientinnen und Patienten mit traumatischem Material konfrontieren können und wie der Kontakt mit traumatisierten Ego-States gelingt bzw. sich gestalten lässt.

      Phase zwei vereint zwei Bereiche: (A) den Zugang zum Traumamaterial und (B) die Begegnung mit traumatisierten Ego-States.

      Damit weist sie bereits auf eines der zentralen Konzepte der Traumabehandlung mit dem Ego-State-Modell hin, die Unterscheidung von Traumamaterial und Ego-States (siehe Abschnitt 8.6). Für die Phase 2 werden verschiedene Fragen beantwortet:

      1)Ist die Patientin stabil genug und verfügt sie über ausreichend Ressourcen, um sich mit traumatischem Material zu konfrontieren (einschließlich einer fundierten Psychoedukation)?

      2)Mit welcher Intervention wird die Konfrontation durchgeführt?

      3)Mit welcher Art von Traumatisierungen wird voraussichtlich gearbeitet, d. h. mit welchen Erinnerungen?

      4)Wie wird die Konfrontation gestaltet, und wie lässt sie sich strukturieren?

      5)Wie wird die Begegnung mit traumatisierten Ego-States realisiert und gestaltet?

      6)Welcher Art ist die Beziehung der Patientin zu ihrem traumatisierten Ego-State bzw. den traumatisierten Ego-States?

      7)Wie ist die Reaktion weiterer Ego-States bzw. welche Reaktionen sind zu erwarten?

      Die vier Behandlungsphasen werden ausführlich im Abschnitt 3.6 vorgestellt.

       2.6.2Grundlegende Behandlungsstrategien

      Karameros u. Sack (2013, S. 201 ff.) stellen Grundstrategien der psychotherapeutischen Behandlung von Patientinnen und Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen vor und filtern aus den therapeutischen Elementen verschiedener Verfahren fünf grundlegende Behandlungsstrategien heraus (ebd., S. 225).

      Die Grundstrategien umfassen:

      •die Berücksichtigung spezifischer Aspekte der therapeutischen Beziehungsgestaltung

      •Ressourcenaktivierung und Aufbau von Kompetenzen

      •das Bearbeiten der spezifischen Traumafolgesymptomatik

      •Integration und Rehabilitation

      •die Differenzierung der Therapiebedürfnisse nach Art und Schwere der erfahrenen Traumatisierungen

      Die fünf Behandlungsstrategien zur Bearbeitung der spezifischen Traumasymptomatik lauten:

      1)Förderung des Gegenwartsbezuges

      2)Förderung des Selbstmanagements und der inneren Kommunikation

      3)Bearbeitung emotionaler Reaktionen und dysfunktionaler Kognitionen

      4)Durcharbeiten von traumatischen Erinnerungen und Auslösereizen

      5)Versprachlichen von Erlebtem und Integration in die persönliche Biografie

      Die Autoren erläutern die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten einiger der Behandlungsstrategien entsprechend ihrer Systematik und Wirkungsweise. Diese werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt.

       Förderung des Gegenwartsbezuges

      a)Präsentifikation Der Begriff Präsentifikation in Verbindung mit der Behandlung von Traumafolgestörungen geht auf van der Hart, Nijenhuis a. Steele (2006, zit. n. Karameros u. Sack 2013) zurück und bezeichnet die psychische Leistung, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinander zu verbinden und gleichzeitig zu differenzieren, sodass Gegenwart möglichst real erlebt wird. Das Ziel besteht in der Stärkung des Gegenwartsmoments, das heißt in der Orientierung im Hier und Jetzt im Gegensatz zum Sog in die Vergangenheit.

      b)Achtsamkeit und Mentalisierung Achtsamkeit beschreibt eine Praxis der Gelassenheit und Akzeptanz gegenüber gegenwärtig ablaufenden seelischen Prozessen. Dadurch lassen sich Belastungen auf einer beobachtenden Ebene wahrnehmen, ohne sich davon dominieren zu lassen. Mentalisierung wird als Fähigkeit definiert, eine distanzierende und beobachtende Ebene mit dem Ziel einer (selbst-)reflektierenden Beobachterhaltung einnehmen zu können.

      c)Wirkfaktor Bindungs- und Beziehungsfähigkeit Dieser Aspekt zielt auf den Zusammenhang von Gegenwartsbezug und Beziehungsfähigkeit.

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