Herzstücke in München. Christine Metzger
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Unter der Ägide von Prinzregent Luitpold, einem naturverbundenen, volksnahen und beliebten Regenten, zog die Tracht bei Hof ein und wurde im wahrsten Sinne des Wortes salonfähig. Auch als identitätsstiftendes Mittel: 1871 war das Deutsche Reich gegründet worden, Preußen dominierte und stellte den Kaiser, Bayern wollte sich abgrenzen. Da waren Janker, Lederhose, Dirndl etc. geeignete Attribute, um zu zeigen: »Mia san mia«. Damals setzte der Hof die Trends, anders als im ländlichen Bereich gab und gibt es keine typische Münchner Tracht. Sie folgt der Mode, und dagegen ist nichts zu sagen, solange sie auch den Gesetzen der Ästhetik folgt.
Leider aber ist es so, dass viele Münchner Trachtengeschäfte Gruselkabinetten gleichen, in denen Lederhose und Dirndl Kitschfoltern ertragen müssen. Dass es auch anders geht, zeigt Noh Nee. Dort kann das Kleid sich wohlfühlen, das suggeriert schon der Name: »Geschenk Gottes« (Suaheli). Den Laden betreibt Rahmée Wetterich mit ihrer Schwester Marie. Rahmée stammt aus Kamerun, 30 Jahre lebt sie schon in Bayern, und in ihren Kreationen vereint sie Heimat und Wahlheimat: Dirndl im klassischen Schnitt, gefertigt aus afrikanischen Stoffen – kräftige Farben, auffällige und ausgefallene Muster, das sieht super aus und ist kein Kitsch, sondern eine Hommage an die Tracht.
Bei Noh Nee gibt es nichts von der Stange: Man sucht sich Modell und Stoff aus, und dann verschwindet Rahmées Schwester in ihrer Schneiderwerkstatt und fertigt das Dirndl nach Maß. Selbstverständlich ist das nicht billig, aber frau kann auf jede Party gehen, ohne befürchten zu müssen, dass jemand im selben Outfit auftaucht.
Noh Nee · Di–Fr 11–18.30, Sa 11–16 Uhr · Görresstr. 16 · Maxvorstadt · Tel. 089/23 79 92 39 www.nohnee.com · Haltestelle: U Josephsplatz
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RÜSTZEUG FÜR DEN BIERGARTEN
Was gehört in eine Münchner Küche? Nicht das »Frühstücksbrett mit Dackel in Lederhose« oder die »Relieftasse im Trachtenlook«. Weder die »Schürze Alpenmodell« mit Bergkette und viel nacktem Fleisch noch der Toaster, der das Logo FCB aufs Brot brennt und »FC Bayern, Stern des Südens« singt.
All diese Unsäglichkeiten findet man im Internet. Was man aber wirklich braucht in der Münchner Küche, findet man beim Suckfüll. Zum Beispiel eine Guglhupfform, in der sich der Hefeteig schön entfalten kann – so ein Kuchen, der besonders gut schmeckt, wenn man neben den Rosinen noch gemahlene Mandeln beimischt, zum Nachtisch im Biergarten kredenzt, da freuen sich die Freunde.
In der Amalienpassage lockt ein nettes Café, dessen Name Programm ist: »Gartensalon« (Türkenstr. 90). Im Hof sitzen Sie gemütlich zwischen Blumen. Ausgezeichnete hausgemachte Kuchen.
Für den sommerlichen Abend unter Kastanien steht in der Münchner Küche ein Weidenkorb, zugegeben ein platzraubendes Objekt, aber mit der Plastiktüte geht man nicht in den Biergarten. Im Korb liegen als Standardausstattung Besteck, hölzerne Brotzeitbretter, Servietten, Salz- und Pfefferstreuer. Nicht nur dieses Rüstzeug hält der Suckfüll bereit, hier kann man auch ein Gerät kaufen, mit dem der Experte auf dem Biergartentisch hantiert: den Radischneider. Mit seiner Hilfe lässt sich der Rettich spiralförmig und fein schneiden, danach wird er gesalzen und muss »weinen«, damit er seine Schärfe verliert und sanft auf der Zunge zergeht.
Suckfüll gibt es seit 1932, er trägt wesentlich zur Lebensqualität in der Maxvorstadt bei. Unter 35 000 Artikeln findet der Mensch alles, was er in Küche und Werkstatt braucht: Eisenwaren, Maschinen, Elektroartikel, Leuchtmittel … Dass sich dieses Spezialgeschäft in der Türkenstraße zwischen Boutiquen, Galerien und Cafés halten konnte, liegt nicht nur am guten Service – Suckfüll ist Herr im eigenen Haus und muss keine Mietsteigerung fürchten.
Suckfüll · Mo–Fr 9–18, Sa 9.30–14 Uhr · Türkenstr. 31 · Maxvorstadt · Tel. 089/286 61 00 www.suckfuell.de · Haltestelle: U Universität
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HIER MÖCHTE MAN PUPPE SEIN
Sie sitzen auf Stühlen, eng aneinandergeschmiegt, sie treten dem Besucher aufrecht gegenüber, hübsch gekleidet, mit Hut oder Schleifchen im Haar und kleinen Schuhen an den Füßen. Ihr Blick ist offen, mal Schmollmund, mal spielt ein leichtes Lächeln um ihre Lippen. Manche wirken kindlich, andere wiederum haben Charakterköpfe, auf denen das Leben seine Spuren hinterlassen hat. Wer bisher dachte, Puppen seien Kinderspielzeug, wird in Gertraud Stadlers kleinem Laden in Schwabing eines Besseren belehrt. Zu ihr kommen Kenner, Liebhaber und Sammler von weither. Und natürlich Menschen, die ärztliche Hilfe für ihre Lieblinge suchen: Ob der Teddy nun einen Arm oder die Puppe einen Finger verloren hat oder ihr die Haare ausgehen – Frau Stadler findet immer die richtige Therapie.
Puppenstube Galerie Gertraud Stadler · Mo–Fr 11–18 Uhr · Luisenstr. 68 · Schwabing Tel. 089/272 32 67 · Haltestelle: U Josephsplatz
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KAFFEEPAUSE IN DER ANTIKE
Wahre Genießer, die in Schwabing oder der Maxvorstadt leben, besitzen eine Jahreskarte. Nicht für die Pinakotheken oder die Museen am Königsplatz – das Lenbachhaus, die Staatliche Antikensammlung und die Glyptothek – nein, für ein Café, das man nur mit Eintrittskarte besuchen darf.
Den Obolus von einem Euro entrichten Sie aus Versicherungsgründen, das Café liegt in der frisch renovierten Glyptothek, und dort können Sie Antipasti oder köstliche Engadiner Walnussschnitten mit Blick auf antike Statuen genießen. Der Innenhof ist im Sommer ideal für eine Kaffeepause: Ruhe, Sonne, an den Wänden rankendes Weinlaub. München sei die nördlichste Stadt Italiens, sagt man, und das zu glauben, fällt hier nicht schwer.
Im Sommer wird der Innenhof der Glyptothek zur Bühne: Seit über 30 Jahren führt Gunnar Petersen mit seiner Truppe humorvoll modernisierte Stücke mit antikem Bezug auf.
Es war Ludwig I., der das südliche Flair an die Isar brachte. Nach einer Italienreise 1804/1805 begann er, Antiken zu sammeln, sehr zum Unmut seines Vaters Maximilian: »Mein verrückter Sohn will … wieder Geld ausgeben um altes Zeug zu kaufen. Und er hofft, dadurch Griechen und Römer aus dieser Rasse von Bierbäuchen zu machen.« Auch die Bevölkerung zeigte wenig Verständnis, als Ludwig I. 1816 Leo von Klenze beauftragte, einen tempelartigen Bau auf der grünen Wiese vor der Stadt zu errichten – die Münchner nannten ihn »das närrische Kronprinzenhaus«. Dabei hätten sie sich freuen sollen: Die Glyptothek war das erste für antike und zeitgenössische Plastiken errichtete Museumsgebäude in Deutschland, das für die Öffentlichkeit zugänglich war. Und die Sammlung, die Ludwig zusammentrug, beinhaltet