Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren . Ricarda Huch

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Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren  - Ricarda Huch

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sich überhaupt nicht ungern und recht anmutig den Hof machen, zumal wenn es die betreffenden Leute auf eine kurzweilige und nicht alberne Art anzustellen wußten.

      Sie war dabei ihres Herzens ganz sicher; denn das blieb kalt wie Marmelstein, und es bekümmerte sie wenig, welches die Gefühle der armseligen Jünglinge sein mochten, wenn sie so zutraulich und geschwisterlich mit ihnen umging. Sie erinnerte in dieser Hinsicht an die Kinder, die zufriedenen Gemütes den Fröschen und Käfern Beine ausreißen und sie zappeln sehen, welche Grausamkeit uns wohl mit Abscheu erfüllt, aber den Kindern billigerweise nicht zur Last gelegt werden darf, da sie ohne Absicht und man möchte sagen unbewußt handeln.

      Wir suchten es zu vermeiden, daß Wendelin und Wittich bei uns zusammentrafen; denn wegen der Nebenbuhlerschaft, dann aber auch wegen der Verschiedenheit ihrer Naturen und Ansichten, waren sie einander spinnefeind und erregten einen feindselig unruhigen Ton in der Unterhaltung, der die Gemütlichkeit verscheuchte. Allen beiden war wiederum mein Vetter Ezard nicht gewogen, und das war es eben, was meinen Vater in der Ansicht unterstützte, er gönne meine Schwester niemandem, trachte überhaupt danach, daß sie, wenn er sie nun auch nicht für sich haben könne, doch wenigstens keinem anderen angehöre. Da nun mein Vater, immer seine furchtbare Vermögenslage im Sinn, auf das heißeste wünschte, meine Schwester verheiratet und gut versorgt zu wissen, war er für eine Heirat mit dem Cellisten sehr eingenommen, wenn er auch zu zartfühlend war, um Galeiden mit der geringsten Andeutung beeinflussen zu wollen.

      Daß Ezard dem Rheinländer nicht gewogen war, schrieb sich mehr von der Verschiedenheit ihrer Naturen als ihrer Ansichten her; denn obwohl er die Sucht nach Neuerungen, und noch dazu gewaltsam herbeigeführten, mißbilligte, suchte er doch nach seiner großen Gerechtigkeitsliebe stets die Person von ihren Meinungen zu trennen und bemühte sich oft, einen Menschen zu schätzen, indem er seine Ansichten bekämpfte. Aber bei der Jugendlichkeit des Rheinländers streiften dessen wie Offenbarungen verkündigte Behauptungen oft an Unbescheidenheit, denn er konnte sie kaum gründlich erfahren und erprobt, nur eben von der Straße aufgelesen haben. Man merkte ihm an, daß er auf trockenem, sandigem Boden erwachsen, zum Ungewöhnlichen und Überschwenglichen hinstrebte, ohne etwas Entsprechendes in seiner eigenen Natur zu haben, in der Art, wie verwachsene Menschen oft eine Sucht haben, sich mit buntem, auffälligem Flitter aufzuputzen. Weniger gut kann ich mir erklären, warum Ezard gegen Wendelin zurückhaltend war. Es scheint mir das Glaublichste, daß eine gewisse Unkraft und Mittelmäßigkeit in der Natur des Cellisten ihn zu dem Ausspruch bewog, er wolle zwar gern mit ihm scherzen und musizieren, halte ihn aber für keinen wünschenswerten Zuwachs unserer Familie.

      Mein Vater bildete sich nun nicht nur ein, Ezard rede und handle so im Hinblick auf Galeiden, sondern ebenso glaubte er von ihr, sie verschmähe ihre Freier um Ezards willen; wenn sie ihn auch nicht liebe, obwohl dies wahrscheinlich sei, so könne sie es doch nicht übers Herz bringen, seinen Wünschen zuwiderzuhandeln. In dieser irrigen Meinung war er vollständig befangen und vertiefte sich mit der Vorliebe gewisser Menschen für ihr eigenes Leiden absichtlich immer mehr hinein, indem er Ezard und Galeiden, wo er nur konnte, unablässig beobachtete und stets neue Bestätigungen seiner Vermutung wahrzunehmen glaubte. Sich selbst aber machte der Unselige mit seinen schwarzen Befürchtungen und Verkündigungen bei uns allen so unwillkommen, wie die Propheten des alten Bundes dem Volke von Jerusalem waren, und er litt wie diese zwiefach Unerhörtes, einmal durch den Schmerz über das bevorstehende Unglück, an das er selbst fest glaubte, sodann durch die Kaltherzigkeit derer, die ihm nahe standen, und die sich nun, in ihrem bequemen Dahinleben gestört, ihm mehr und mehr entfremdeten.

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