Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Um was handelt es sich hier für Sie? Um eine Lüge, die Ihnen bei einer Gelegenheit vorgeworfen wurde, wo Sie logen. Meinen Sie nun die Wahrheit zugleich mit Dem zu tödten, den Sie dafür strafen wollen, daß er sie gesagt hat? Bedenken Sie wohl, daß Sie, dem Schicksalsspruche eines Zweikampfs sich unterwerfend, den Himmel zum Zeugen für eine Falschheit anrufen, und daß Sie zu dem Richter der Kämpfe zu sprechen wagen: komm, und hilf der ungerechten Sache und laß die Lüge triumphiren? Liegt in dieser Blasphemie nichts, wovor Sie schaudern? in solcher Widersinnigkeit nichts, was Sie empört? O mein Gort, was für eine jämmerliche Ehre ist das, die nicht das Laster scheut, sondern den Vorwurf, und die von einem Andern nicht den Vorwurf der Lüge ertragen will, den das eigene Herz doch schon zuvor erhoben hat!

      Sir, der Sie fordern, daß man Nutzen ziehe von dem, was man liest, sollten das auch selber thun, und sehen Sie doch nach, ob es je auf Erden eine Herausforderung gab, als sie noch mit Helden bedeckt war. Haben die tapfersten Männer des Alterthums je daran gedacht, ihre persönlichen Beleidigungen durch Sonderkämpfe zu rächen? Schickte Cäsar dem Cato ein Cartell oder Pompejus dem Cäsar für so viel gegenseitigen Schimpf, als sie sich anthaten? Und war der größte Feldherr Griechenlands entehrt, weil er sich hatte mit dem Stocke drohen lasten? Andere Zeiten, andere Sitten, o, ich weiß; aber sind sie deshalb alle gut? und sollte man es nicht wagen, nachzuforschen, ob denn auch die Sitten einer Zeit von der Art sind, wie die wahre Ehre sie fordert? Nein, diese Ehre ist nicht wandelbar; sie ist unabhängig von den Zeiten, Orten, Vorurtheilen; sie kann nicht vergehen, noch wieder entstehen; sie hat ihre ewige Quelle in dem Herzen des rechten Menschen und in der unveränderlichen Richtschnur seiner Pflichten. Wenn die aufgeklärtesten, tapfersten, tugendhaftesten Völker der Erde das Duell nicht gekannt haben, so sage ich, es ist keine Einrichtung, die aus dem Wesen der Ehre entspringt, sondern eine abscheuliche, barbarische Mode, ihres wilden Ursprungs würdig. Es käme nun darauf an, ob in dem Falle, wann es sich um das eigene oder um fremdes Leben handelt, der rechtschaffene Mann sich nach der Mode richtet, und ob er nicht mehr wahren Muth zeigt, wenn er sie verachtet, als wenn er ihr folgt. Was würde Ihrer Meinung nach Der thun, welcher sich ihr auch da unterwerfen wollte, wo ein entgegengesetzter Brauch herrscht? In Messina oder in Neapel würde er seinem Manne an einer Straßenecke auflauern und ihn von hinten niederstoßen lassen. Das nennt man dort zu Lande brav sein; und die Ehre besteht nicht darin, daß man sich von seinem Feinde tödten läßt, sondern daß man ihn selber tödtet.

      Hüten Sie sich also, den geheiligten Namen Ehre mit jenem rohen Vorurtheile zu vermengen, welches alle Tugenden auf die Spitze des Degens setzt, und zu nichts gut ist, als brave Bösewichter zu schaffen. Könnte selbst diese Verfahrungsart ein Ersatzmittel für die Redlichkeit geben, gut, aber ist nicht, wo die Redlichkeit selbst herrscht, das Ersatzmittel überflüssig? Und was soll man von Dem denken, der sich dem Tode aussetzt, um sich die Mühe zu ersparen, ein rechtschaffener Mann zu sein? Bemerken Sie denn nicht, daß die Verbrechen, welche Scham und Ehrgefühl nicht verhindert haben, nur bedeckt und verdoppelt sind durch die falsche Scham und Furcht vor dem Tadel? Sie ist es, die den Menschen zum Heuchler und zum Lügner macht; sie, die ihn dazu bringt, das Blut eines Freundes zu vergießen um ein unbedachtes Wort, das er vergessen sollte, um einen verdienten Vorwurf, den er nicht ertragen mag; sie, die ein verführtes und furchtsames Mädchen in eine höllische Furie verwandelt; sie, allmächtiger Gott, die die mütterliche Hand gegen die zarte Frucht bewaffnen kann .... mein Herz entfällt mir bei dem gräßlichen Gedanken. und ich danke wenigstens Dem, der die Herzen prüft, daß er aus dem meinigen diese scheußliche Ehre fern hält, die nichts als Missethaten gebiert und vor der die Natur schaudert.

      Kehren Sie doch nur in sich selbst ein, und erwägen Sie, ob es Ihnen erlaubt ist, mit vorbedachter Absicht das Leben eines Mannes anzugreifen und das Ihrige auszusetzen, um einer barbarischen und gefährlichen Grille zu genügen, die auf nichts Vernünftiges gegründet ist, und ob das traurige Andenken des um solchen Anlaß vergossenen Blutes nicht unaufhörlich um Rache schreien wird tief im Herzen Dessen, der es vergossen hat. Kennen Sie ein Verbrechen, das dem freiwilligen Todtschlag gleichkäme? Und wenn die Grundlage aller Tugenden die Menschlichst ist, sagen Sie, was soll man von dem blutdürstigen und ausgearteten Menschen denken, der sie in dem Leben seines Nächsten anzulasten wagt? Erinnern Sie sich dessen, was Sie mir selbst über den ausländischen Kriegsdienst gesagt haben. Haben Sie vergessen, daß der Bürger sein Leben dem Vaterlande schuldet und nicht das Recht hat, ohne Zustimmung der Gesetze, um wie viel weniger gegen ihr Verbot, darüber zu verfügen? O mein Freund, wenn Sie aufrichtig die Tugend lieben, lernen Sie ihr nach ihrer Weise dienen, und nicht nach der Weise der Menschen. Ich will sagen, daß sich dabei manche Unannehmlichkeiten ergeben können: ist denn aber das Wort Tugend für Sie nur ein leerer Schall? Und wollen Sie nur tugendhaft sein, wenn man es ohne Aufopferung sein kann?

      Aber was für Unannehmlichkeiten sind es im Grunde? Das Murren der Müßiggänger, der bösen Menschen, die sich an dem Unglück Anderer zu ergötzen suchen und gern immer irgend etwas Neues zu erzählen haben möchten. Wahrhaftig ein mächtiger Beweggrund, um sich einander zu erwürgen! Wenn der Philosoph, der Weise sich in den wichtigsten Angelegenheiten des Lebens nach dem unsinnigen Geschwätz der Menge richtet, wozu dann all dies weitläufige Studiren, um am Ende nichts weiter als ein gewöhnlicher Mensch zu sein? Sie wagen also nicht, die Rachsucht der Pflicht, der Werthschätzung, der Freundschaft zum Opfer zu bringen, aus Furcht, daß man Ihnen vorwerfen könnte, Sie fürchteten sich vor dem Tode? Wägen Sie Beides gegen einander, mein lieber Freund, und Sie werden mehr Feigheit in der Furcht vor diesem Vorwurfe, als in der Furcht vor dem Tode selbst finden. Der Feige, der Furchtsame will mit aller Gewalt für tapfer gelten:

      Ma verace valor, ben che negletto, E di se stesso a se freggio assai chiaro.

      [Allein wahrhafter Muth, wenn auch mißachter, Ist an sich selber schon des Mannes Zierte.]

      Wer vorgiebt, dem Tode ohne Entsetzen ins Gesicht zu schauen, lügt. Jeder Mensch fürchtet den Tod, dies ist das Grundgesetz aller fühlenden Wesen, ohne welches jede sterbliche Gattung bald zerstört sein würde. Diese Furcht ist eine einfache Regung der Natur, und etwas nicht blos Gleichgültiges, sondern etwas an sich Gutes und der Ordnung der Dinge Entsprechendes; schimpflich und tadelnswerth wird sie nur dann, wenn man sich durch sie verhindern läßt, das Gute zu thun und seine Pflichten zu erfüllen. Wenn die Feigheit niemals der Tugend hinderlich wäre, so würde sie kein Laster weiter sein. Wer mehr an seinen Leben hängt als an seiner Pflicht, kann nicht in allem Ernst tugendhaft sein, das gebe ich zu. Aber erklären Sie mir, da Sie sich mit der Vernunft brüsten, was sich Verdienstliches darin finden läßt, dem Tode zu trotzen, um ein Verbrechen zu begehen.

      Gesetzt, es wäre wahr, daß man sich verächtlich macht, wenn man sich weigert, sich zu schlagen, welche Verachtung ist dann am meisten zu fürchten, die der Anderen, wenn man gut handelt, oder die eigene, wenn man schlecht handelt?

      O glauben Sie mir, wer sich wahrhaft selbst achtet, macht sich wenig aus der ungerechten Verachtung der Anderen und hütet sich nur davor, dieselbe zu verdienen; denn das Gute und Rechte hängt nicht von der Meinung der Menschen, sondern von der Natur der Dinge ab, und wenn die ganze Welt die Handlung gutheißen wollte, welche Sie zu thun im Begriffe sind, würde sie deswegen doch nicht weniger schändlich sein. Es ist aber nicht wahr, daß man sich verächtlich macht, wenn man sich aus Grundsatz ihrer enthält. Der ehrliche Mann, dessen ganzes Leben fleckenlos und der nie eine Spur von elender Furcht gezeigt hat, wird sich weigern, seine Hand mit einem Morde zu beflecken, und nur noch mehr deswegen geehrt werden. Stets bereit, dem Vaterlande zu dienen, den Schwachen zu beschützen, die gefahrvollsten Pflichten zu erfüllen, und bei jedem gerechten und schicklichen Begegniß, was ihm theuer ist, mit seinem Blute zu vertheidigen, legt er in jeden seiner Schritte jene unerschütterliche Festigkeit, welche man ohne wahren Muth nicht haben kann. In der Sicherheit seines Bewußtseins geht er aufgerichteten Hauptes, flieht nicht und sucht nicht seinen Feind; man sieht leicht, daß er weniger den Tod als das Unrechtthun scheut, und daß er das Verbrechen, nicht die Gefahr fürchtet. Wenn sich die gemeinen Vorurtheile einen Augenblick gegen ihn erheben, so stehen alle Tage seines ehrenhaften Lebens als Zeugen wider sie auf, und bei einer so fest in sich zusammenhängenden Aufführung beurtheilt man die einzelne

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