Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Sie, was dem gewöhnlichen Menschen solche Mäßigung so bedenklich macht? Die schwierige Aufgabe, dieselbe würdig zu behaupten, die Nothwendigkeit, hinterher keine tadelnswerthe Handlung zu begehen: denn wenn ihn die Furcht vor dem Unrechtthun in dem letzteren Falle nicht zurückhält, warum sollte sie es gewesen sein, die ihn in dem früheren hielt, bei welchem man doch einen natürlicheren Beweggrund voraussetzen kann? Man sieht denn also wohl, daß die Weigerung sich zu schlagen nicht aus Tugend, sondern aus Feigheit geschah, und man verspottet mit Recht eine Gewissenhaftigkeit, welche sich erst unter der Gefahr einstellt. Haben Sie nicht bemerkt, daß Diejenigen, welche so reizbar und stets bereit sind, Andere zu reizen, gewöhnlich sehr unehrenhafte Leute sind, die, damit nur Niemand ihnen die Verachtung, die man gegen sie hegt, offen zu zeigen wage, mit einigen Ehrenhändeln die Schandbarkeit ihres ganzen Lebens zu bedecken suchen? Ziemt es Ihnen, solchen Leuten nachzuahmen? Sondern wir auch noch die Militaires von Profession aus, die ihr Blut für Geld verkaufen, die, um ihren Platz zu behaupten, das, was sie ihrer Ehre schuldig sind, nach ihrem Vortheil berechnen, und auf den Thaler wissen, was ihr Leben werth ist! Alle diese Leute lassen Sie sich schlagen, lieber Freund! Nichts ist weniger ehrenhaft, als die Ehre, von der sie so viel Lärm machen; sie ist nichts als eine sinnlose Mode, eine unächte nachgemachte Tugend, welche sich die ärgsten Verbrechen zum Ruhme anrechnet. Die Ehre eines Mannes wie Sie ist nicht in der Gewalt eines Andern; sie ist in ihm selbst, und nicht in der Meinung der Leute; er vertheidigt sich nicht mit Schwert und Schild sondern mit rechtschaffenem und untadelhaftem Wandel, und diese Kampfart wiegt im Punkte des Muthes wohl die andere auf.

      Nach diesen Voraussetzungen werden Sie das Lob, welches ich jederzeit der wahren Tapferkeit gezollt habe, mit der Geringschätzung vereinbar finden, welche ich Scheintapferen stets bewiesen habe. Ich liebe Männer von Herz und mag Feige nicht leiden; ich würde mit einem furchtsamen Liebhaber brechen, der aus Verzagtheit die Gefahr flöhe, und ich denke, wie alle Frauen, daß das Feuer des Muthes das Feuer der Liebe belebt. Aber ich will, daß sich die Tapferkeit am rechten Orte zeige, und daß man sich nicht eine Angelegenheit daraus mache, bei eitlen Anlässen Staat mit ihr zu treiben, als ob man fürchtete, sie zur rechten Zeit nicht bei der Hand zu haben. Mancher überwindet sich einmal und tritt auf, um sich dadurch das Recht zu erwerben, sein übriges Lebenlang hinter dem Berge zu halten. Der wahre Muth besitzt mehr Dauerhaftigkeit und weniger Vorschnelligkeit; er ist stets, was er sein soll; man braucht ihn nicht zu spornen und nicht im Zaume zu halten; der wackere Mann trägt ihn überall mit sich, im Kampfe gegen den Feind, in Gesellschaften zur Vertheidigung der Abwesenden und der Wahrheit, in seinem Bette gegen die Angriffe des Schmerzes und des Todes. Die Seelenstärke, welche ihn erzeugt, ist zu allen Zeiten Brauch; sie stellt immer die Tugend über jede Zufälligkeit, und besteht nicht darin, daß man sich schlägt, sondern darin, daß man sich vor nichts fürchtet. Dies ist die Art Muth, mein Freund, die ich oft gepriesen habe und die ich mit Freuden an Ihnen sehe. Jede andere ist nichts als Unbedachtsamkeit, Unsinn und Roheit; ihr sich zu unterwerfen, ist eine Feigheit, und ich verachte nicht weniger Den, der ohne Noth Gefahren aufsucht, als Den, der eine Gefahr flieht, welche er bestehen sollte.

      Ich habe Ihnen, wenn ich mich nicht täusche, dargethan, daß bei Ihrem Handel mit Milord Eduard Ihre Ehre nicht ins Spiel kommt; daß Sie die meinige preisgeben, wenn Sie den Weg der Entscheidung durch die Waffen einschlagen; daß dieser Weg weder gerecht, noch vernünftig, noch erlaubt ist; daß er sich mit der Denkungsart, zu welcher Sie sich bekennen, nicht verträgt; daß er nur unehrenhaften Leuten ziemt, welche die Bravour zu einem Ersatzmittel machen für die Tugenden, die sie nicht besitzen, oder Officieren, die sich nicht um der Ehre willen, sondern in eigennütziger Absicht schlagen; daß es mehr wahren Muth erfordert, diese Bravour zu verachten, als anzunehmen; daß die Unannehmlichkeiten, denen man sich durch Verachtung derselben aussetzt, von einem in Wahrheit pflichtmäßigen Handeln unzertrennlich, übrigens aber mehr scheinbar als wirklich sind: daß endlich Diejenigen, welche am schnellsten damit bei der Hand sind, zu ihr zu flüchten, immer Solche sein werden, deren Rechtschaffenheit verdächtig ist. Woraus ich den Schluß ziehe, daß Sie bei dieser Gelegenheit eine Aufforderung weder machen noch annehmen können, ohne damit auf Vernunft, Tugend, Ehre und auf mich zu verzichten. Drehen und wenden Sie meine Betrachtungen, wie Sie wollen, häufen Sie Ihrerseits Sophismen auf Sophismen; stets wird sich finden, daß ein Mann von Muth niemals ein Feigling und ein Mann von Gesinnung niemals ein ehrloser Mensch sein kann. Nun habe ich Ihnen aber gezeigt, wie mich dünkt, daß der Mann von Muth das Duell verachtet und daß es der Mann von Gesinnung verabscheut.

      Ich habe geglaubt, mein Freund, in einer so ernsten Angelegenheil die Vernunft allein sprechen lassen und Ihnen die Sachen so vorhalten zu müssen, wie sie sind. Wenn ich sie hätte schildern wollen, wie ich sie sehe, und Gefühl und Menschlichkeit sprechen lassen, so würde ich eine ganz andere Sprache angenommen haben, Sie wissen, daß mein Vater in seiner Jugend das Unglück hatte, einen Mann im Duell zu tödten: dieser Mann war sein Freund; sie schlugen sich nur ungern; der unsinnige Point d' Honneur zwang sie dazu. Der tödtliche Stoß, der den Einen traf, hat dem Andern die Ruhe für sein ganzes Leben geraubt. Der schmerzliche innere Vorwurf ist seitdem nicht aus seinem Herzen gewichen; oft wenn er allein ist, hört man ihn seufzen und weinen: er glaubt noch den Stahl von seiner grausamen Hand geführt in das Herz des Freundes dringen zu fühlen; er sieht im Schatten der Nacht seinen bleichen, blutigen Leib; er starrt schaudernd die klaffende Wunde an; er möchte das strömende Blut stillen; Angst ergreift ihn, er schreit; dieser schreckliche Leichnam verfolgt ihn unablässig. Seit er vor fünf Jahren den geliebten Erhalter seines Namens und die Hoffnung seiner Familie verloren hat, wirft er sich dessen Tod als eine gerechte Strafe des Himmels vor, der an seinem einzigen Sohne den unglücklichen Vater rächte, den er des seinigen beraubt hatte.

      Ich gestehe Ihnen, dieses alles, das zu meinem natürlichen Abscheu vor jeder Art Grausamkeit hinzukommt, macht mir das Duell so grauenvoll, daß ich es als die letzte Stufe der Brutalität betrachte, zu welcher sich Menschen erniedrigen können. Wer mit frohem Herzen zum Zweikampfe gehen kann, ist in meinen Augen nichts weiter als ein wildes Thier, das anspringt, um ein anderes zu zerreißen; und wenn noch das geringste natürliche Gefühl in ihren Seelen ist, so finde ich Den, welcher fällt, weit weniger zu beklagen, als den Sieger. Sehen Sie doch die an Blutvergießen gewöhnten Menschen, sie können den Gewissensbissen nur Trotz bieten, indem sie die Stimme der Natur ersticken; sie werden nach und nach hartherzig, fühllos; sie spielen mit dem Leben Anderer, und die Strafe dafür, daß sie einmal die Menschlichkeit verleugneten, ist, daß sie sie endlich verlieren. Was sind sie in diesem Zustande? Antworte, willst du ihnen ähnlich werden? Nein, du bist nicht dazu gemacht, so scheußlich zu verthieren; hüte dich vor dem ersten Schritte, der dahin führen kann; deine Seele ist noch schuldlos und heil, fange nicht an, sie zu vergiften, mit Gefahr deines Lebens, durch ein Opfer ohne Tugend, eine Sünde ohne Lust, einen Ohrenpunkt ohne Vernunft.

      Ich habe dir nichts über deine Julie gesagt; sie wird ohne Zweifel dabei gewinnen, wenn sie dein eignes Herz sprechen läßt. Ein Wort, ein einziges Wort, und ich überlasse dich ihm ganz. Du hast mich manchmal mit dem zärtlichen Namen Gattin beehrt: vielleicht in diesem Augenblicke soll der Name Mutter hinzukommen. Willst du mich zur Witwe machen, ehe ein heiliges Band uns vereinigt hat?

      N. S. Ich mache in diesem Briefe von einer Autorität Gebrauch, der noch kein verständiger Mann widerstanden hat. Wollen Sie sich ihr nicht fügen, so habe ich Ihnen weiter nichts zu sagen; aber überlegen Sie es erst reiflich. Nehmen Sie sich acht Tage Bedenkzeit, um in dieser wichtigen Sache nicht übereilt zu handeln. Diesen Aufschub fordere ich von Ihnen nicht im Namen der Vernunft, sondern in meinem eigenen Namen. Erinnern Sie sich, daß ich hierbei mich des Rechtes bediene, das Sie mir selbst ertheilt haben und das wenigstens so weit reicht.

      Achtundfünfzigster Brief.

       Julie an Milord Eduard.

       Inhaltsverzeichnis

      Nicht um mich über Sie zu beschweren, schreibe ich an Sie, Milord! Da Sie mir Schimpf zufügen, so muß ich Ihnen wohl irgend etwas unwissentlich zu Leide gethan haben. Wie wäre

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