Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau страница 51

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

Скачать книгу

Gefahr, in welche ich rannte, da habe ich gemurrt, zu sehr geliebt zu sein, und mein inneres Beben hat mich gemahnt, daß du nur eine Sterbliche bist. Ach! gieb mir den Muth wieder, den du mir entrissen hast; ich hatte Muth, dem Tode zu trotzen, der nur mich allein bedrohte, ich habe keinen, um in meinem ganzen Ich zu sterben.

      Während sich meine Seele diesen bitteren Betrachtungen hingab, sprach Eduard, und ich hörte wenig auf das, was er sagte; aber er weckte meine Aufmerksamkeit, als er von dir zu reden anfing, denn was er jetzt sagte, gefiel meinem Herzen und reizte nicht mehr meine Eifersucht. Es schien ihm herzlich leid zu sein, daß er unsere Liebe und deine Ruhe gestört hatte. Du bist das, was er am meisten auf der Welt verehrt, und da er nicht wagt, auch dir seine Entschuldigung zu machen, so hat er mich gebeten, sie in deinem Namen anzunehmen und sie dir auszurichten. Ich habe Sie, sagte er, als ihren Repräsentanten betrachtet und konnte mich vor Dem, was sie liebt, nicht zu sehr demüthigen, da ich mich an sie selbst nicht wenden konnte, ohne sie zu compromittiren, sie nicht einmal nennen durfte. Er gesteht, daß er von den Gefühlen für dich ergriffen war, deren man sich nicht erwehren kann, wenn man dich zu viel ansieht; aber es war mehr eine zärtliche Bewunderung als Liebe. Diese Gefühle haben ihm niemals Absichten oder Hoffnung eingeflößt; er hat sie den unsrigen im Augenblick geopfert, sobald er von diesen Kenntniß erhielt, und die üble Rede, die ihm entfahren war, ist mehr eine Wirkung des Punsches als der Eifersucht gewesen. Er behandelt die Liebe auf Philosophenmanier, indem er seine Seele über die Leidenschaften erhaben glaubt: ich indessen müßte mich sehr irren, wenn er nicht schon eine in sich erfahren hätte, welche anderen nicht mehr erlaubt, tiefe Wurzeln zu schlagen. Er nimmt die Erschöpfung seines Herzens für eine Kraftäußerung der Vernunft, und ich weiß wohl, daß Julien lieben und ihr entsagen keine Tugend für Menschen ist.

      Er hat gewünscht, die Geschichte unserer Liebe umständlich zu erfahren, auch die Hindernisse kennenzulernen, welche sich dem Glücke deines Freundes in den Weg stellen; ich habe geglaubt, daß nach deinem Briefe ein halbes Vertrauen gefährlich und nicht wohl angebracht wäre; ich habe es also ganz gegeben und er hat mir mit einer Aufmerksamkeit zugehört, welche mir seine Aufrichtigkeit bezeugte. Ich habe mehr als einmal seine Augen feucht und sein Herz gerührt gesehen; ich nahm vorzüglich wahr, welchen Eindruck alle jene Triumphe der Tugend auf ihn machten, und ich glaube dem Claude Anet einen neuen Beschützer gewonnen zu haben, der sich seiner nicht minder eifrig annehmen wird als dein Vater. In dem allen, was Sie mir erzählt haben, sagte er, ist keine überraschende Begebenheit, nichts Abenteuerliches, und doch würden mich die Katastrophen eines Romans weit weniger fesseln! Eure beiden Seelen sind so außergewöhnlich, daß man sie nicht mit dem gemeinen Maße messen muß. Das Glück liegt für euch nicht auf dem nämlichen Wege und ist nicht von der nämlichen Art, wie für die anderen Menschen; sie streben nur nach Macht und Geltung; was ihr braucht, ist nur Zärtlichkeit und friedliches Dasein. Es hat sich euerer Liebe ein Wetteifer in der Tugend beigesellt, der euch erbebt; ihr würdet beide weniger werth sein, wenn ihr euch nicht geliebt hättet. Die Liebe wird vergehen, erdreistete er sich hinzuzusetzen, (verzeihen wir ihm diese Blasphemie, die er in der Unwissenheit seines Herzens ausstieß!) die Liebe wird vergehen, sagte er; die Tugenden werden bleiben. Ach, möchten sie nur dauern, Julie, so lange als sie; mehr brauchte der Himmel nicht zu verlangen.

      So sehe ich denn nun, daß die philosophische und nationale Schroffheit in diesem braven Engländer das natürliche Menschengefühl nicht erstickt hat, und daß er an unseren Leiden wahrhaften Antheil nimmt. Wenn Ansehen und Reichthum etwas für uns thun könnten, so dürften wir, wie ich glaube, auf ihn zählen. Aber ach! was vermögen Macht und Geld, um Herzen zu beglücken?

      Unsere Unterhaltung, während deren wir die Stunden nicht zählten, zog sich bis zur Zeit des Mittagstisches hin. Ich ließ ein Hühnchen bringen, und nach dem Essen fuhren wir fort zu schwatzen. Er kam auf seinen Schritt von heute Morgen zurück, und ich konnte mich nicht enthalten, ihm mein Erstaunen zu bezeigen, daß er denselben so feierlich vor Zeugen und in so übertriebener Weise gethan hatte: er setzte aber außer dem Grunde, welchen er mir schon angeführt hatte, noch hinzu, daß eine halbe Satisfaction eines Mannes von Muth unwürdig wäre, daß man sie vollständig geben müßte, oder gar nicht, damit man sich nicht erniedrige, ohne etwas gut zumachen, und die Möglichkeit offen lasse, einen mit Widerstreben und halbem Willen gethanen Schritt auf Rechnung der Verzagtheit zu schreiben. Uebrigens, sagte er noch, ist meine Reputation gesichert, ich darf gerecht sein, ohne daß man mich der Feigheit beschuldigen wird; Sie aber, der Sie noch jung sind und erst in der Welt auftreten, müssen so glatt aus dem ersten Handel hervorgehen, daß er Niemanden in Versuchung führt, Ihnen einen zweiten zu bereiten. Die Welt ist voll von dergleichen geschickten Poltrons, die, wie man sich ausdrückt, den Leuten an den Puls fühlen, nämlich um Einen zu entdecken. der noch mehr Poltron ist als sie und auf dessen Kosten sie sich ein Ansehen geben können. Ich will einem Manne von Ehre, wie Sie es sind, die Nothwendigkeit ersparen, Einen von diesem Pack zu züchtigen, wobei kein Ruhm zu gewinnen ist; und ich will, wenn jene eine Lection brauchen, lieber, daß sie sie von mir erhalten, als von Ihnen: denn ein Handel mehr macht für Den nichts aus, der schon mehre gehabt hat; aber einen zu haben, ist immer eine Art Flecken, und Juliens Geliebter soll rein davon bleiben.

      Dies ist der kurze Inhalt meiner langen Unterredung mit Milord Eduard. Ich habe es für nöthig gehalten, dir Bericht darüber zu geben, damit du mich anweisest, wie ich mich gegen ihn benehmen soll.

      Jetzt, da du beruhigt sein mußt, verbanne, ich beschwöre dich, die bangen Gedanken, welche dich seit einigen Tagen belagern. Denke an die Schonung, welche die Ungewißheit deines gegenwärtigen Zustandes nöthig macht. O, wenn du bald mein Sein verdreifachtest! wenn bald ein geliebtes Pfand .... Hoffnung, schon zu sehr gesunkene Hoffnung, willst du mich noch einmal blenden?... O Wünsche! o Furcht! o Verlegenheiten! Reizende Freundin meines Herzens, leben wir, um uns zu lieben! und laß den Himmel des Uebrigen walten.

      N. S. Ich vergaß dir zu sagen, daß Milord mir deinen Brief zugestellt hat, und daß ich keine Schwierigkeiten machte, ihn anzunehmen, indem ich dafür hielt, daß ein solches Unterpfand nicht in den Händen eines Dritten bleiben dürfte. Ich werde ihn dir das nächste Mal, daß wir uns sehen, zurückgeben, denn ich für mein Theil weiß nicht, was ich damit machen soll; er ist zu tief in mein Herz geschrieben, als daß ich ihn je wieder zu lesen brauchte.

      Einundsechzigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Bringe mir morgen Milord Eduard, daß ich mich ihm zu Füßen werfe, wie er dir gethan. Welche Größe! welcher Edelmuth! O, wie klein sind wir vor ihm! Bewahre dir diesen kostbaren Freund wie deinen Augapfel! Vielleicht wäre er weniger werth, wenn er Maß hielte: hat es je einen Mann von großen Tugenden gegeben, der nicht seine Schwächen hatte?

      Tausend Aengste jeder Art hatten mich ganz daniedergeschlagen; dein Brief hat meinen erloschenen Muth neu belebt; indem er die Schreckbilder verscheuchte, die mich belagerten, hat er meine Schmerzen erträglicher gemacht; ich fühle jetzt Kraft genug, um zu leiden. Du lebst, du liebst mich; dein Blut, deines Freundes Blut ist nicht vergossen worden, und deine Ehre ist in Sicherheit: ich bin also nicht ganz und gar elend.

      Du kommst doch morgen? Nie hatte ich ein solches Bedürfniß, dich zu sehen, und nie so wenig Hoffnung, dich noch lange zu sehen. Lebe wohl, mein einzig lieber Freund. Du hast nicht recht gesagt, scheint mir: leben wir, um uns zu lieben; ach! es mußte heißen: lieben wir uns, um zu leben!

      Zweiundsechzigster Brief.

       Clara an Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Muß ich denn immer, liebenswürdige Julie,

Скачать книгу