Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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ich blutete.

      Hier endigte der Triumpf des Zornes und begann der der Natur. Mein Fall, mein Blut, meine Thränen, meiner Mutter Thränen erschütterten ihn; er hob mich mit besorgter Miene und mit Beeiferung vom Boden auf, und, nachdem er mich auf einen Stuhl gesetzt hatte, suchten sie Beide sorgfältig nach, ob ich keinen Schaden genommen. Ich hatte nur eine kleine Beule an der Stirne und blutete nur aus der Nase.

      Indessen bemerkte ich an der veränderten Stimme und Miene meines Vaters, daß er unzufrieden mit dem war was er gethan hatte. Er lenkte nicht sogleich mit Liebkosungen gegen mich ein; die väterliche Würde litt keinen so plötzlichen Uebergang; wohl aber mit zärtlichen Entschuldigungen gegen meine Mutter, und ich sah recht gut an den Blicken, die er verstohlen auf mich warf, daß die Hälfte von Allem indirect an mich gerichtet war. Nein, meine Liebe, kein Beschämtsein hat so etwas Rührendes wie das eines zärtlichen Vaters, der sich übereilt zu haben glaubt. Das Vaterherz fühlt, daß es sein Beruf ist, zu verzeihen und nicht Verzeihung nöthig zu haben.

      Es war die Zeit zum Abendessen: man verschob es, um mir Zeit zu lassen, mich zu erholen, und da mein Vater nicht wollte, daß die Bedienten meinen Zustand sehen sollten, holte er selbst ein Glas Wasser herbei, während meine Mutter mir das Gesicht benetzte. Ach, die arme Mama, die schon so schwach und kränklich war, solche Scene fehlte ihr auch noch und sie hätte nicht weniger Beistand nöthig gehabt als ich.

      Bei Tische sprach er nicht mit mir; aber nur aus Scham, nicht aus Groll, er that als ob jede Schüssel besonders gut schmeckte, um der Mutter zu sagen, sie sollte mir doch davon aufthun; und, was mich am meisten rührte, ich bemerkte, wie er jede Gelegenheit ergriff, mich seine Tochter zu nennen und nicht Julie, wie gewöhnlich.

      Nach den Essen war es so kalt, daß meine Mutter Feuer in ihrem Zimmer machen ließ. Sie setzte sich an die eine Seite des Kamins, und mein Vater setzte sich an die andere; ich wollte nach einem Stuhle gehen, um mich zwischen sie zu setzen, als er mich beim Kleide festhielt, und, ohne etwas zu sagen, mich auf seine Knie zog. Alles das geschah so schnell und mit einer Art unwillkürlicher Bewegung, daß wie eine Art Reue nachher folgte. Indessen ich saß auf seinem Knie, er konnte es nicht wieder rückgängig machen, und was hinsichts der Fassung das übelste war, er mußte mich in dieser unbequemen Stellung mit seinen Armen halten. Es machte sich das Alles schweigend; aber ich fühlte, wie er von Zeit zu Zeit seine Arme an meine Seiten drückte mit einem nur halb erstickten Seufzer. Ich weiß nicht, was für eine üble Scham seine väterlichen Arme zurückhielt, sich diesem süßen Umfassen ganz hinzugeben; eine gewisse abgemessene Würde, die nicht ganz verloren gehen sollte, eine gewisse Scheu, die nicht wohl zu überwinden war, brachte zwischen Vater und tochter etwas von jener reizenden Verlegenheit, welche den Liebenden Verschämtheit und Liebe hervorbringt, während eine zärtliche Mutter, unendlich entzückt, im Stillen das ihr so süße Schauspiel verschlang. Ich sah, ich fühlte das Alles, und konnte die Rührung nicht mehr zurückhalten, die sich meiner bemächtigte. Ich stellte mich als ob ich glitte; ich schlang, um mich zu halten, einen Arm um den Hals meines Vaters; ich neigte mein Gesicht auf sein ehrwürdiges Antlitz, und in einem Augenblick war es mit meinen Küssen bedeckt und mit meinen Thränen benetzt; ich fühlte an denen, die aus seinen Augen rannen, daß auch ihm selbst eine große Last vom Herzen fiel; meine Mutter kam und theilte unsre Wonne. Süße Freude der Unschuld, du allein fehltest meinem Herzen, um aus diesem Auftritt der Natur den köstlichsten Augenblick meines Lebens zu machen!

      Heute Morgen, da Ermattung und das Nachgefühl von meinem Falle mich ein wenig lange im Bette hielten, kam mein Vater in mein Zimmer, ehe ich aufgestanden war; er setzte sich vor mein Bett und fragte zärtlich nach meinem Befinden; er nahm eine meiner Hände in die seinigen; er ließ sich so herab, daß er sie mehrmals küßte, wobei er mich seine liebe Tochter nannte und sagte, daß ihm seine Hitze leid wäre. Ich, ich sagte ihm, und es ist was ich denke, daß ich nur zu glücklich sein würde, um denselben Preis alle Tage geschlagen zu werden, und daß es keine so harte Behandlung giebt, die nicht eine einzige Liebkosung von ihm meinem innersten Herzen auslöschte.

      Hierauf nahm er einen ernsteren Ton an, kam auf den gestrigen Gegenstand zurück und gab mir seinen Willen in schicklichen aber bestimmten Ausdrücken zu erkennen. Du weißt, sagte er, wem ich dich bestimme; ich habe es dir bei meiner Ankunft erklärt, und werde in diesem Punkte nie meine Absicht ändern. Was den Mann betrifft, von dem Milord Eduard mit mir gesprochen hat, dem ich übrigens die Verdienste nicht absprechen will, die alle Leute an ihm finden, so weiß ich nicht, ob er selbst die lächerliche Hoffnung gefaßt hat, sich mit mir zu alliiren, oder ob sie ihm vielleicht ein Anderer in den Kopf gesetzt hat; aber wenn ich auch Niemanden im Auge hätte und wenn er alle Guineen Englands besäße, so verlaß dich darauf, daß ich einen solchen Schwiegersohn nie annehmen würde. Ich verbiete dir, ihn ferner zu sehen oder mit ihm zu sprechen, sowohl deiner Sicherheit als deiner Ehre wegen. Obgleich ich mir immer wenig aus ihm gemacht habe, jetzt hasse ich ihn, besonders jetzt, nachdem er mich zum Jähzorn verleitet hat und ich werde ihm mein rohes Betragen nie verzeihen.

      Bei diesen Worten ging er hinaus, ohne meine Antwort abzuwarten und fast mit derselben strengen Miene, welche er sich eben zum Vorwurf gemacht hatte. Ach Cousine, welche Höllenungeheuer sind diese Vorurtheile, welche die besten Herzen verwildern und die Natur jeden Augenblick zum Schweigen bringen!

      So ist die Explication gewesen, meine Clara, welche du vorausgesehen hattest und deren Ursache ich nicht begreifen konnte, bis dein Brief mich darüber aufklärte. Ich kann dir nicht recht sagen, welche Umwälzung in mir vorgegangen ist, aber ich fühle mich seit jenem Augenblicke ganz verwandelt; es ist mir als ob ich schmerzlicher die glückliche Zeit beklagte, wo ich ruhig und zufrieden im Schoße meiner Familie lebte und als ob das Gefühl meiner Schuld wüchse mit der Erinnerung an die Güter, um die sie mich gebracht hat. Sage mir, Grausame, sage, wenn du es wagst, wäre die Zeit der Liebe dahin, und ist es nun so weit, daß man sich nicht wieder sehen soll? Ha! fühlst du, fühlst du, was Finsteres, Schreckliches in diesem tödtlichen Gedanken liegt? Jedoch der Befehl meines Vaters lautete bestimmt, die Gefahr meines Geliebten ist vor Augen. Weißt du, was sich in mir erzeugt aus allen diesen widersprechenden Regungen, die sich einander zerstören? Eine Art Stumpfheit, die mir die Seele fühllos macht, und mir weder den Gebrauch meiner Leidenschaft noch meiner Vernunft läßt. Der Augenblick ist kritisch, du hast es mir gesagt, und ich fühle es; indessen war ich nie weniger fähig, mich selbst zu leiten. Ich habe zwanzig Mal angesetzt um an Den zu schreiben, den ich liebe; ich bin bei jedem Federstriche einer Ohnmacht nahe, und kann nicht zwei Zeilen nach einander schreiben. Nichts bleibt mir übrig als du, meine süße Freundin: o, denke, sprich, handle für mich; ich lege mein Schicksal in deine Hände; was du auch erwählen wirst, ich bestätige im Voraus Alles was du thust; ich vertraue deiner Freundschaft diese unselige Gewalt an, die mir die Liebe so theuer verkauft hat. Trenne mich auf ewig von meinem Selbst, gieb mir den Tod, wenn gestorben sein muß; aber zwinge mich nicht, mir das Herz mit eigener Hand zu durchstoßen.

      O mein Engel, mein Schutzgeist, was für ein schreckliches Amt lege ich in deine Hände! Wirst du den Muth haben, es zu verwalten? wirst du es verstehen, seine Barbarei zu mildern? Ach! Nicht mein Herz allein gilt es zu zerreißen. Clara, du weißt, du weißt, wie ich geliebt bin! Ich habe nicht einmal den Trost, daß ich am meisten zu beklagen bin! O ich flehe dich, laß mein Herz durch deinem Mund reden; erfülle das deinige mit dem zärtlichen Mitleid der Liebe; tröste einen Unglücklichen, sage ihm hundertmal .… ach! …. sage ihm …. Glaubst du nicht, theure Freundin, trotz aller Vorurtheile, aller Hindernisse, aller Schicksalsschläge, daß uns der Himmel für einander geschaffen hat? Ja, ja, ich bin dessen gewiß, es ist uns bestimmt, vereinigt zu werden; es ist mir unmöglich, diesen Gedanken aufzugeben, es ist mir unmöglich, der Hoffnung zu entsagen, die sich daran knüpft.

      Sage ihm, daß er sich auch vor Muthlosigkeit und Verzweiflung hüten solle. Vergeude nicht die Zeit damit, in meinem Namen Liebe und Treue von ihm zu fordern, noch weniger ihm das meinerseits zu versprechen: ist die Gewißheit davon nicht im Grunde unserer Seelen? Fühlen wir nicht, daß sie untrennbar sind, und daß wir beide nur eine einzige haben? Sage ihm also nur, daß er hoffen solle, und wenn uns auch das Schicksal verfolgt,

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