Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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daß seine Heftigkeit immer mehr zunahm, und obgleich von Bewunderung für die Großmuth Eduard's durchdrungen, fühlte ich doch, daß ein Mann von so wenig gewinnenden Manieren nur dazu geeignet war, die Sache, deren er sich hier angenommen hatte, ganz und gar zu verderben. Ich beeilte mich daher wieder zu ihnen zu gehen, ehe es noch ärger würde. Bei meinem Eintritt brachen sie das Gespräch ab, und trennten sich gleich darauf ziemlich kalt. Mein Vater, fand ich, benahm sich bei dem ganzen Streite sehr gut. Er unterstützte anfangs lebhaft den Vorschlag Eduard's; da er aber sah, daß dein Vater nichts davon hören wollte und daß die Unterredung lebhaft zu werden anfing, ging er, wie billig, zur Partei seines Schwagers über, und, indem er gelegentlich den Einen oder den Anderen durch mäßigende Bemerkungen unterbrach, hielt er sie beide in den Grenzen, welche sie, wären sie allein gewesen, wahrscheinlich überschritten haben würden. Nachdem sie fortwaren, erzählte er mir das Vorgefallene, und da ich sah, wo hinaus er wollte, kam ich ihm zuvor, und sagte, daß es bei dieser Lage der Sachen wohl nicht passend wäre, wenn die in Rede stehende Person dich hier so oft sähe, ja, daß es sich gar nicht mehr schicken würde, ihn im Hause aufzunehmen, wenn es nicht für Herrn von Orbe gewissermaßen eine Beleidigung wäre, da er dessen Freund ist; ich würde Herrn von Orbe aber bitten, ihn seltener zu uns zu führen, wie auch Milord Eduard. Dies war das Beste, was ich thun konnte, meine Liebe, um ihnen nicht ganz und gar meine Thür zu schließen.

      Ich bin noch nicht fertig. Die Krisis, in welcher ich dich nun sehe, zwingt mich, auf meine neulichen Rathschläge zurückzukommen. Der Handel zwischen Milord Eduard und deinem Freund hat ganz das Aufsehen in der Stadt gemacht, welches zu erwarten war. Obgleich Herr v. Orbe die Ursache des Streites nicht verrathen hat, haben doch zu viele Anzeichen diese vermuthen lassen, als daß sie verborgen bleiben konnte. Man argwöhnt, man denkt sich, man nennt dich: das Geschichtchen des Wächters ist nicht so ganz erstick worden, daß man nicht wieder daran erinnert würde, und du weißt wohl, daß dem Publicum seine Vermuthung im Augenblick zur Gewißheit wird. Alles was ich dir zu deinem Troste sagen kann, ist, daß man im Allgemeinen deine Wahl billigt und die Vereinigung eines so liebenswürdigen Paares mit Vergnügen sehen würde; dies giebt mir die Bestätigung, daß sich dein Freund hier gut benommen hat und nicht weniger beliebt ist als du. Aber was vermag die öffentliche Stimme gegen deinen unbeugsamen Vater? Alle diese Gerüchte sind ihm schon zu Ohren gekommen, oder es wird doch geschehen und ich zittere vor dem was daraus entstehen muß, wenn du nicht seinem Zorne zuvorkommst. Du mußt auf eine Scene von seiner Seite gefaßt sein, die für dich fürchterlich sein, wird und vielleicht noch etwas Schlimmeres für deinen Freund; nicht, als dächte ich, daß er sich in seinem Alter mit einem jungen Manne würde messen wollen, den er seines Degens gar nicht für werth hält, aber der Einfluß, welchen er in der Stadt hat, wird ihm tausend Mittel an die Hand geben, Jenem ein böses Spiel zu machen, und es ist zu fürchten, daß er in seiner Wuth dazu geneigt sein werde.

      Ich bitte dich fußfällig, meine süße Freundin, denke an die Gefahren, welche dich umringen und die mit jedem Augenblicke drohender werden. Ein unerhörtes Glück hat dich bisher durch das Alles hindurchgeführt; lege, so lange es noch Zeit ist, das Siegel der Klugheit auf das Geheimniß deiner Liebe und treibe nicht das Glück auf die Spitze, damit es nicht Den mit in dein Unglück verwickle, der die Ursache davon sein wird, Glaube mir, mein Engel, die Zukunft ist ungewiß; tausend Ereignisse können mit der Zeit unerwartete Hülfsquellen eröffnen, aber für jetzt, ich habe es dir gesagt und wiederhole es mit allem Nachdrucke, entferne deinen Freund, oder du bist verloren.

      Dreiundsechzigster Brief.

       Julie an Clara.

       Inhaltsverzeichnis

      Alles, was du vorausgesagt hattest, meine Liebe, ist geschehen. Gestern, eine Stunde nach unserer Rückkehr trat mein Vater in das Zimmer meiner Mutter, mit funkelnden Augen, glühendem Gesicht, mit Einem Worte, in einem Zustande, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Ich dachte mir sogleich, daß er Zank gehabt hätte oder anfangen wollte, und mein unruhiges Gewissen machte mich im Voraus zittern.

      Er fing damit an, daß er lebhaft aber nur im Allgemeinen gegen die Mütter loszog, welche ohne alle Vorsicht junge Leute ohne Stand und Namen ins Haus ziehen, deren Umgang nur Schande und Unehre über die Mädchen bringt, welche ihnen Gehör geben. Darauf, da er sah, daß dies nicht hinreichte, um einer eingeschüchterten Frau eine Antwort abzugewinnen, führte er ohne weitere Schonung als Beispiel das an, was in unserem eigenen Hause vorgefallen wäre, seit darin ein sogenannter Schöngeist, ein Schwadronör eingeführt worden, der mehr dazu geeignet wäre, ein ordentliches Mädchen zu verführen, als ihr guten Unterricht zu geben. Meine Mutter, die wohl sah, daß sie mit ihrem Schweigen nichts gewönne, griff nun das Wort Verführen auf und fragte ihn, was er in dem Betragen oder dem Rufe des braven jungen Mannes, von dem er spräche, für Ursache zu dergleichen Argwohn fände. Ich habe nicht geglaubt, setzte sie hinzu, daß Bildung und Geist ein Recht auf Ausschließung aus der Gesellschaft gäben. Wem soll man denn Ihr Haus öffnen, wenn nicht Talente und gute Sitten Zulaß finden sollen? Sortablen Leuten, Madame! rief er zornig, die die Ehre eines Mädchens repariren können, wenn sie sie verletzt haben. Nein! sagte sie, vielmehr braven Leuten, welche sie gar nicht verletzen. Merken Sie sich, sagte er, daß die Ehre eines Hauses beleidigt ist, wenn sich Jemand erfrecht die Verbindung mit demselben nachzusuchen, der keinen Anspruch darauf hat, sie zu erhalten. Ich sehe darin keine Beleidigung, sagte meine Mutter, sondern nur einen Beweis von Achtung. Uebrigens wüßte ich doch nicht, daß Der, gegen den Sie sich ereifern, etwas der Art in Betracht Ihrer gethan härte. Er hat es gethan, Madame, und wird Schlimmeres thun als das, wenn ich nicht Ordnung halte; aber ich werde aufpassen, zweifeln Sie nicht daran, da Sie diese Pflicht so schlecht erfüllen.

      Es begann hierauf ein gefährlicher Wortwechsel, aus dem ich sah, daß die Stadtgerüchte, deren du erwähnst, meinen Eltern unbekannt waren, wobei aber deine unwürdige Cousine hundert Fuß unter der Erde hätte sein mögen. Denke dir die beste und betrogenste der Mütter, die ihrer Tochter eine Lobrede hält, ach, und sie um alle die Tugenden, die sie verloren hat, lobt, in den ehrendsten, nein, um es recht zu sagen, in den demüthigendsten Ausdrücken: stelle dir einen erzürnten Vater vor, dem alle Scheltwörter nicht genug sind, und der bei aller seiner Heftigkeit dennoch kein einziges sich entfahren läßt, das den mindesten Zweifel an der Sittsamkeit Derer verriethe, die ihre Gewissensbisse vor seinen Augen zerreißen und die Scham zermalmt. Ha, unglaubliche Marter eines herabgewürdigten Gewissens, sich Vergehen vorzuwerfen, die Zorn und Unwille nicht einmal argwöhnen mag! Welche erdrückende, unerträgliche Last dieses Lob, diese Achtung, die das Herz im Geheimen ablehnt! Ich fühlte mich so beängstigt, daß ich, um die grausame Mutter los zu werden, im Begriff war, Alles zu gestehen, wenn mir nur mein Vater Zeit dazu gelassen hätte; aber in seiner unaufhaltsamen Heftigkeit sagte er hundert Mal dasselbe und sprang jeden Augenblick auf etwas Anderes über. Er bemerkte meine gedrückte, hinfällige, gedemüthigte Haltung, die meine Gewissensbisse verrieth. Wenn er aber nicht auf meinen Fehltritt daraus schloß, so schloß er doch daraus auf meine Liebe, und damit ich mich ihrer desto mehr schämen möchte, überhäufte er den Gegenstand derselben mit so abscheulichen und gehässigen Schimpfwörtern, daß ich aller Aufregung ungeachtet nicht an mich halten konnte, ohne ihn zu unterbrechen.

      Ich weiß nicht, meine Liebe, woher ich so viel Kühnheit nahm und was für eine augenblickliche Verirrung mich so der Pflicht und Bescheidenheit vergessen machte; aber wenn ich einen Augenblick mein ehrerbietiges Schweigen zu brechen wagte, so wurde ich dafür, wie du sehen wirst, hart genug bestraft. Um Himmels willen, sagte ich zu ihm, beruhigen Sie sich doch; nie könnte ein Mann, der so vielen Schimpf verdient, gefährlich für mich sein. Mein Vater, der in diesen Worten einen Vorwurf gegen sich zu finden glaubte und dessen Wuth nur einen Vorwand suchte, warf sich im Augenblicke auf deine arme Freundin. Zum ersten Male in meinem Leben erhielt ich eine Ohrfeige, die nicht die einzige blieb, und indem er sich diesem Ausbruch mit derselben Heftigkeit hingab, mit welcher er gerungen hatte, ihm Luft zu machen, mißhandelte er mich ohne Schonung, obgleich meine Mutter sich zwischen uns geworfen, mich mit ihrem Leibe bedeckt und einige der Schläge aufgefangen hatte,

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