Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Buchhändler der Provinz reich.

      N. Nun, und Sie wollen jene auf Kosten der unsrigen bereichern?

      R. Spotten Sie nur. Ich wanke nicht. Wenn man nach Ruhm strebt, so muß man darauf hinarbeiten, daß man in Paris gelesen werde, wenn man nützen will, in der Provinz. Wie viele brave Leute bringen ihr Leben auf entfernten Gütern hin, bauen ihr väterliches Erbe und betrachten sich wie ausgeschlossen von der Welt, weil sie wenig bemittelt sind. An den langen Winterabenden, wann sie keine Gesellschaften haben, vertreiben sie sich an ihrem Kamine die Zeit damit, unterhaltende Bücher zu lesen, die ihnen gerade in die Hände fallen. In ihrer bäuerischen Einfalt wollen sie weder mit Literatur noch mit schönem Geist groß thun; sie lesen, um sich zu vergnügen, und nicht um sich zu unterrichten; moralische und philosophische Bücher sind für sie so gut wie nicht da: ihretwegen brauchten diese nicht geschrieben zu werden; sie dringen nie bis zu ihnen. Aber weit entfernt, ihnen etwas zu bieten, was für ihre Lage paßt, dienen euere Romane nur dazu, ihnen dieselbe noch unerträglicher zu machen. Sie machen ihnen ihren einsamen Wohnort zu einer schrecklichen Wüste, und für einige Stunden Zerstreuung, die sie ihnen gewähren, bereiten sie ihnen Monate des Mißbehagens und eitler Klagen. Warum sollte ich nicht annehmen, daß durch einen glücklichen Zufall dieses Buch, gleich so vielen anderen noch schlechteren, einem dieser Landbewohner in die Hände falle und daß die Schilderung von Freuden eines Standes, der dem ihrigen ganz ähnlich ist, ihnen diesen erträglich mache? Ich mag mir gern zwei Gatten vorstellen, die diese Sammlung mit einander lesen, neuen Muth schöpfen, um in ihren gemeinsamen Arbeiten auszuharren und vielleicht neue Gesichtspunkte, um denselben Nutzen abzugewinnen. Wie könnten sie darin das Gemälde eines glücklichen Hausstandes anschauen, ohne sich getrieben zu fühlen, einem so schönen Muster nachzueifern? Wie könnten sie sich gerührt fühlen von dem Zauber des ehelichen Bandes, selbst in einem Falle, wo die Liebe fehlt, ohne daß sich das ihrige enger und fester knüpfe? Wenn sie das Buch weglegen, werden sie weder betrübt über ihre Lage noch angewidert von ihren Geschäften sein. Im Gegentheil, es wird Alles um sie her ein lachenderes Ansehen gewonnen haben, ihre Pflichten werden ihnen geadelt erscheinen, sie werden wieder Geschmack gewinnen an den Freuden der Natur, ihre wahren Gefühle werden in ihren Herzen wieder lebendig werden, und indem sie das Glück erreichbar sehen, werden sie es genießen lernen. Sie werden das Nämliche verrichten wie zuvor, aber mit einer anderen Seele und werden wie wahre Patriarchen thun, was sie wie Bauern gethan hatten.

      N. So weit geht Alles sehr schön. Die Männer, die Frauen, die Familienmütter .... Aber die Töchter vom Hause, sagen Sie über die nichts?

      R. Nein! Ein ehrbares Mädchen liest keine Liebesbücher. Die, welche dieses ungeachtet seines Titels liest, beklage sich nicht, daß es ihr geschadet habe: sie lügt. Der Schade war schon zuvor da; sie hat nichts weiter zu befahren.

      N. Vortrefflich! Hier kommt in die Schule, ihr erotischen Schriftsteller; ihr findet euch von aller Schuld befreit.

      R. Allerdings, wenn sie ihr Herz frei spricht und der Gegenstand ihrer Schriften.

      N. Und dies ist bei Ihnen der Fall?

      R. Ich bin zu stolz, um hierauf zu antworten. Julie hatte sich aber für die Beurtheilung der Bücher eine Regel gemacht [Abth. 2. Br. 18, gegen den Schluß, D. Ueb.]; wenn Ihnen diese gut scheint, so wenden Sie sie an, um das meinige zu beurtheilen.

      Man ist darauf gefallen, der Jugend Romane in die Hände zu geben, um ihr zu nützen; ich kann mir nichts Unsinnigeres denken: es heißt das, Feuer anlegen, um die Spritzen spielen zu lassen [Vgl. „Bekenntnisse" Th. 8. S. 3 Anmerk. D. Ueb.]. Diesem verrückten Einfall zufolge lenkt man die Moral, die in dieser Art Schriften liegen kann, von ihrem Ziel ab, und richtet alle moralische Belehrung an die weibliche Jugend [Dies geht nur auf die modernen englischen Romane. R. Richardson's Romane, von denen der erste (Pamela) 1740 erschien; auch der Grandison ist schon 1753 erschienen, also vor der Neuen Heloise, die Rousseau 1757-59 verfaßte. D. Ueb.], ohne zu bedenken, daß junge Mädchen an den Unordnungen, über die man Klage führt, keinen Theil haben. Im Allgemeinen ist ihr Betragen geregelt, wenn auch ihre Herzen schon verdorben sind. Sie gehorchen ihren Müttern, und warten, bis die Zeit kommt, es diesen nachzuthun. Werden die Frauen ihre Pflichten erfüllen, so verlassen Sie sich darauf, daß auch die Töchter die ihrigen nicht versäumen werden.

      N. Die Erfahrung bestätigt Ihre Bemerkung nicht. Das andere Geschlecht scheint immer einer Zeit der Ungebundenheit zu bedürfen, entweder in jenem Stande oder in diesem. Es ist ein böser Sauerteig, der früher oder später gährt. Bei den Völkern, die Sitte haben, sind die Mädchen leicht und die Frauen streng, umgekehrt bei denen, die keine haben. Die ersteren ziehen nur den Fehltritt in Betracht, die letzteren nur das Aergerniß. Es kommt dann nur darauf an, daß nichts bewiesen werden könne: so wird das Verbrechen für nichts gerechnet [Talis est via mulieris adulterae, quae comedit et tergens os suum dicit: Non sum operata malum. Prov. (XXX, 20).].

      R. Wenn man auf die Folgen sieht, sollte man das nicht denken. Seien wir jedoch gerecht gegen die Frauen! die Schuld ihres unordentlichen Wandels liegt weniger an ihnen als an unsern schlechten Einrichtungen.

      Seitdem die schroffe Ungleichheit der Lebensverhältnisse alle natürlichen Gefühle erstickt, entspringen die Laster und das Unglück der Kinder aus dem ungerechten Despotismus der Väter: in gezwungenen und übel gewählten Ehebündnissen löschen junge Frauen, die Opfer des Geizes oder der Eitelkeit ihrer Eltern, durch Unordnungen, mit denen sie prahlen, die Schande ihrer früheren Ehrbarkeit aus. Wollen Sie den Schaden heilen, so müssen Sie ihm an die Wurzel gehen. Soll irgend eine Reform in den öffentlichen Sitten vorgenommen werden, so muß man mit den häuslichen Sitten den Anfang machen, und da hängt Alles von den Vätern und Müttern ab. Aber auf diesen Punkt arbeiten die Moralprediger nicht hin; euere feigen Schriftsteller kanzeln immer nur Die ab, die unterdrückt sind und die Büchermoral wird ewig fruchtlos sein, weil sie in nichts besteht als in der Kunst, dem Stärkeren zu hofiren.

      N. Knechtisch allerdings ist die Ihrige nicht. Aber geht sie nicht nach der entgegengesetzten Seite zu weit? Ist es genug, daß sie den Schaden bei der Wurzel fasse? Fürchten Sie nicht, daß sie selbst Schaden thue?

      R. Schaden? Wem denn? Soll man in Zeiten der Pest und der Ansteckung, wann Alles von Kindheit auf mit dem Uebel befallen ist, den Absatz der den Kranken dienlichen Arzueien verbieten, weil ihr Mißbrauch den Gesunden schaden könnte? Mein Herr! wir denken so verschieden über diesen Punkt, daß ich fest überzeugt bin, wenn sich nur einige Verbreitung dieser Briefe hoffen ließe, so würden sie mehr Gutes wirken als manches bessere Buch.

      N. Es ist wahr, Sie haben eine vortreffliche Predigerin. Ich bin nur froh, daß ich Sie mit den Frauen wieder ausgesöhnt sehe, denn es that mir leid, daß Sie ihnen verwehren wollten, uns den Text zu lesen [In dem Briefe an M. d'Alembert (über dessen Artikel Genève in der Encyclopèdie, worin er die Gründung eines Theaters in Genf anempfohlen hatte; s. „Bekenntnisse" Th. 7, S. 12) kommt R., nachdem er mancherlei erwähnt hatte, worin die Bühne ein böses Beispiel für das Leben aufstelle, auch auf die Intriguenstücke, und sagt bei dieser Gelegenheit: „Die Liebe ist das Reich der Frauen, Sie sind darin nothwendig die Gesetzgeberinnen, weil ihnen, nach der Ordnung der Natur, der Widerstand eignet, der nur auf Kosten ihrer Freiheit von den Männern überwunden werden kann. Eine natürliche Folge dieser Art Stücke ist daher, daß sie die Herrschaft des andern Geschlechtes ausdehnt, Frauen und junge Mädchen zu Lehrern des Publikums macht und ihnen denselben Einfluß auf die Zuschauer verschafft, welche sie auf ihre Liebhaber ausüben." Auf diese Stelle ist oben im Texte angespielt. D. Ueb.].

      R. Sie schieben mir die Sache in's Gewissen; da muß ich still sein. Ich bin weder so thöricht, noch so weise, allezeit Recht zu haben. Lassen wir diesen Knochen der Kritik zum Abnagen!

      N. Recht gern, damit es ihr nicht fehle! Aber hätte man wegen alles Uebrigen jedem Anderen nichts vorzuwerfen, sagen Sie, wie kann man dem unerbittlichen Verurtheiler des Schauspiels

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