Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Was den Ursprung der articulierten Sprache betrifft, so kann ich, nachdem ich einerseits die äußerst interessanten Werke von Mr. Hensleigh Wedgwood, F. Farrar und Professor Schleicher,209 und die berühmten Vorlesungen von Professor Max Müller auf der anderen Seite gelesen habe, nicht daran zweifeln, daß die Sprache ihren Ursprung der Nachahmung und Modification verschiedener natürlicher Laute, der Stimmen anderer Thiere und der eigenen instinctiven Ausrufe des Menschen unter Beihülfe von Zeichen und Gesten verdankt. Wenn wir die geschlechtliche Zuchtwahl behandeln werden, wird sich zeigen, daß der Urmensch oder vielmehr irgend ein sehr früher Stammvater des Menschen wahrscheinlich seine Stimme, wie es heutigen Tages einer der Gibbon-artigen Affen thut, dazu benutzte, echt musikalische Cadenzen hervorzubringen, d. h. also zum Singen. Nach einer sehr weit verbreiteten Analogie können wir auch schließen, daß dieses Vermögen besonders während der Werbung der beiden Geschlechter ausgeübt sein wird, um verschiedene Gemüthsbewegungen auszudrücken, wie Liebe, Eifersucht, Triumph, und gleichfalls, um als Herausforderung für die Nebenbuhler zu dienen. Die Nachahmung musikalischer Ausrufe durch articulierte Laute mag daher wahrscheinlich Worten zum Ursprung gedient haben, welche verschiedene complexe Erregungen ausdrückten. Da es zu der Frage der Nachahmung in Beziehung steht, verdient die bedeutende Neigung bei unseren nächsten Verwandten, den Affen, bei mikrocephalen Idioten v210 und bei den barbarischen Menschenrassen, Alles, was sie nur hören, nachzuahmen, wohl eine Beachtung. Da die Affen sicher vieles von dem verstehen, was von Menschen zu ihnen gesprochen wird, und da sie im Naturzustande Warnungsrufe bei Gefahren ihren Genossen211 zurufen; da ferner Hühner bestimmte Warnungszeichen bei Gefahren auf dem Boden oder am Himmel wegen der Habichte (beide, ebenso wie ein drittes, werden von Hunden verstanden)212 ausstoßen: – dürfte da nicht irgend ein ungewöhnlich gescheidtes, affenähnliches Thier darauf gefallen sein, das Heulen eines Raubthieres nachzuahmen, um dadurch seinen Mitaffen die Natur der zu erwartenden Gefahr anzudeuten? und dies würde ein erster Schritt zur Bildung einer Sprache gewesen sein.
Als nun die Stimme immer weiter und weiter benutzt wurde, werden die Stimmorgane weiter gekräftigt und in Folge des Princips der vererbten Wirkungen des Gebrauchs vervollkommnet worden sein; und dies wird wieder auf das Vermögen des Sprechens zurückgewirkt haben. Aber noch viel bedeutungsvoller ist ohne Zweifel die Beziehung zwischen dem fortgesetzten Gebrauch der Sprache und der Entwicklung des Gehirns gewesen. Die geistigen Fähigkeiten müssen bei irgend einem frühen Vorfahren des Menschen viel höher entwickelt gewesen sein, als bei irgend einem jetzt lebenden Affen, selbst bevor die unvollkommenste Form der Rede hat in Gebrauch kommen können. Wir können aber zuversichtlich annehmen, daß der beständige Gebrauch und die weitere Entwicklung dieses Vermögens dadurch auf die Seele zurückgewirkt haben wird, daß sie dieselbe in den Stand setzte und ermuthigte, lange Gedankenzüge zu durchdenken. Ein langer und complexer Gedankenzug kann ebensowenig ohne die Hülfe von Worten durchgeführt werden, mögen sie gesprochen werden oder stumm bleiben, wie eine genaue Berechnung ohne den Gebrauch von Zahlen oder der Algebra. Es scheint auch, als wenn selbst die gewöhnlichen Gedankenreihen irgend eine Form von Sprache fast erforderten oder durch eine solche erleichtert wurden; denn das taubstumme und blinde Mädchen Laura Bridgman gebrauchte ihre Finger, als man sie beobachtete, während sie träumte.213 Nichtsdestoweniger kann auch eine lange Reihenfolge von lebendigen und zusammenhängenden Ideen durch die Seele ziehen ohne die Hülfe von irgend einer Form von Sprache, wie wir aus den langen Träumen von Hunden schließen können. Wir haben auch gesehen, daß Thiere im Stande sind, bis zu einem gewissen Grade nachzudenken, und dies offenbar ohne die Hülfe der Sprache. Der innige Zusammenhang zwischen dem Gehirn, wie es jetzt bei uns entwickelt ist, und der Fähigkeit der Sprache zeigt sich deutlich in jenen merkwürdigen Fällen von Gehirnerkrankung, bei denen die Sprache besonders afficiert ist, wie in dem Falle, wo das Vermögen, sich substantiver Wörter zu erinnern, verloren ist, während andere Wörter völlig correct gebraucht werden können, oder wo Substantiva einer gewissen Classe, oder alle Substantiva und Eigennamen mit Ausnahme ihrer Anfangsbuchstaben vergessen sind.214 In der Annahme, daß der fortgesetzte Gebrauch der Stimmorgane und der geistigen Organe zu erblichen Veränderungen in ihrem Bau und ihren Functionen führe, liegt nicht mehr Unwahrscheinliches als in der gleichen Annahme für die Form der Handschrift, welche zum Theil von der Bildung der Hand, zum Theil von der Geistesbeschaffenheit abhängt; und die Form der Handschrift wird sicher vererbt.215
Mehrere Schriftsteller, besonders Prof. Max Müller,216 haben neuerdings behauptet, der Gebrauch der Sprache setze das Vermögen voraus, allgemeine Begriffe zu bilden; und daß, da vermeintlich kein Thier dies Vermögen besitze, hierdurch eine unübersteigliche Schranke zwischen ihnen und dem Menschen gezogen sei.217 Was die Thiere betrifft, so habe ich bereits zu zeigen versucht, daß sie diese Fähigkeit, wenigstens in einem rohen und beginnenden Grade besitzen. Und was Kinder im Alter von zehn bis elf Monaten und Taubstumme betrifft, so scheint es mir unglaublich, daß sie im Stande sein sollten, gewisse Laute mit gewissen allgemeinen Ideen mit der Schnelligkeit, mit der es geschieht, in Verbindung zu bringen, wenn nicht solche Ideen in ihrer Seele bereits gebildet wären. Dieselbe Bemerkung kann auf die intelligenteren Thiere ausgedehnt werden. So bemerkt Mr. Leslie Stephen:218 »Ein Hund bildet einen allgemeinen Begriff von Katze oder Schaf und kennt das entsprechende Wort so gut wie ein Philosoph. Und die Fähigkeit zu verstehen ist ein ebenso guter, wenn auch dem Grade nach niedrigerer Beweis für vocale Intelligenz, wie die Fähigkeit zu sprechen«.
Warum die jetzt für die Sprache benutzten Organe ursprünglich schon zu diesem Zweck vervollkommnet sein sollten, und zwar eher als irgend andere Organe, ist nicht schwer einzusehen. Ameisen haben ein ziemlich beträchtliches Vermögen, sich mit Hülfe ihrer Antennen unter einander verständlich zu machen, wie Huber gezeigt hat, welcher ein ganzes Capitel der Sprache der Ameisen widmet. Wir könnten auch unsere Finger als passende Hülfsmittel benutzt haben, denn eine hierin geübte Person kann einem Tauben jedes Wort einer in einer öffentlichen Versammlung schnell gehaltenen Rede auf diese Weise mittheilen; der Verlust unserer Hände würde aber bei einem solchen Gebrauche eine sehr bedenkliche Störung gewesen sein. Da alle höheren Säugethiere Stimmorgane besitzen, welche nach demselben allgemeinen Plan wie die unseren gebaut sind und welche als Mittel der Mittheilung benutzt werden, so war es offenbar wahrscheinlich, daß, wenn das Vermögen der Mittheilung weiter entwickelt werden sollte, diese selben Organe noch weiter entwickelt werden würden; und dies ist durch Zuhülfenahme der benachbarten und gut angepaßten Theile bewirkt worden, nämlich der Zunge und der Lippen.219 Die