Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Unter allen Fähigkeiten des menschlichen Geistes steht, wie wohl allgemein zugegeben wird, der Verstand oben an. Es bestreiten nur wohl wenige Personen noch, daß die Thiere eine gewisse Fähigkeit des Nachdenkens haben. Fortwährend kann man sehen, daß Thiere zuwarten, überlegen und sich entschließen. Es ist eine bezeichnende Thatsache, daß, je mehr die Lebensweise irgend eines besonderen Thieres von einem Naturforscher beobachtet wird, dieser ihm desto mehr Verstand zuschreibt und desto weniger die Handlungen nicht angelernten Instincten beilegt.176 In späteren Capiteln werden wir sehen, daß Thiere, welche äußerst niedrig in der Stufenleiter stehen, offenbar einen gewissen Grad von Verstand zeigen. Es ist ohne Zweifel oft schwierig, zwischen den Äußerungen des Verstandes und denen des Instincts zu unterscheiden. So bemerkt Dr. Hayes in seinem Werke über das »offene Polarmeer« wiederholt, daß seine Hunde, statt die Schlitten in einer compacten Masse zu ziehen, auseinandergingen und sich trennten, wenn sie auf dünnes Eis kamen, so daß ihr Gewicht gleichmäßiger vertheilt wurde. Dies war oft das erste Warnungszeichen, welches die Reisenden erhielten, daß das Eis dünn und gefährlich wurde. Handelten nun die Hunde nach der Erfahrung jedes einzelnen Individuums so oder nach dem Beispiele der älteren und gescheidteren Hunde oder nach einer ererbten Gewohnheit, d. h. nach einem Instincte? Dieser Instinct könnte wohl in jener Zeit entstanden sein, als vor langen Jahren Hunde zuerst von den Eingeborenen dazu benutzt wurden, Schlitten zu ziehen, oder es könnten die arctischen Wölfe, die Urväter der Eskimohunde, diesen Instinct erlangt haben, der sie zwang, ihre Beute nicht in einer geschlossenen Masse anzugreifen, wenn sie sich auf dünnem Eise befanden.
Wir können nur nach den Umständen, unter welchen gewisse Handlungen vollzogen werden, beurtheilen, ob sie Folge eines Instinctes oder eine Verstandesäußerung oder nur Folgen einer bloßen Ideenassociation sind: doch steht ja das letztere mit Verstand im engsten Zusammenhange. Einen merkwürdigen Fall hat Prof. Moebius177 von einem Hechte erzählt, welcher durch eine Glasplatte von dem benachbarten, mit Fischen besetzten Aquarium getrennt war und sich bei den Versuchen, die andern Fische zu fangen, oft mit solcher Heftigkeit gegen das Glas anstieß, daß er zuweilen ganz betäubt war. Drei Monate hindurch that er dies beständig; endlich lernte er aber vorsichtig sein und that es nicht mehr. Nun wurde die Glasplatte entfernt; der Hecht griff aber diese besonderen Fische nicht an, obschon er andre, die später eingesetzt waren, verschlang: so stark war die Idee des Stoßes in seinem schwachen Verstande mit den Angriffen auf seine früheren Nachbarn associiert. Wenn ein Wilder, welcher niemals eine große Fensterscheibe gesehen hat, auch nur ein einziges Mal gegen eine solche angerannt wäre, so würde er für eine geraume Zeit nachher einen Stoß mit einem Fensterrahmen associieren, wahrscheinlich aber sehr verschieden vom Hechte, würde er über die Natur des Hindernisses Überlegungen anstellen und unter analogen Umständen vorsichtig sein. Wie wir nun gleich sehen werden, genügt es bei Affen zuweilen, daß sie in Folge einer einmal ausgeführten Handlung einen schmerzhaften oder andern unangenehmen Eindruck erhalten, um sie von einer Wiederholung derselben abzuhalten. Wenn wir diesen Unterschied zwischen dem Affen und dem Hechte einfach dem zuschreiben, daß die Ideenassociation bei dem einen um so viel stärker und dauernder ist als bei dem andern, trotzdem daß der Hecht den so viel schwereren Schaden erlitt, können wir wohl in Bezug auf den Menschen behaupten, daß ein ähnlicher Unterschied den Besitz eines fundamental verschiedenen Geistes bedingt?
Houzeau erzählt,178 daß beim Übergang über eine weite und dürre Ebene in Texas seine Hunde sehr vom Durst litten und daß sie zwischen dreißig und vierzig mal Vertiefungen hinabjagten, um nach Wasser zu suchen. Diese Vertiefungen waren keine Thäler, auch waren weder Bäume darin, noch zeigten sie irgend eine andre Verschiedenheit der Vegetation; da sie absolut trocken waren, konnte auch kein Geruch nach feuchter Erde dagewesen sein. Die Hunde benahmen sich so, als wüßten sie, daß eine Vertiefung in dem Boden ihnen die beste Chance Wasser zu finden darböte; Houzeau hat dasselbe Benehmen auch bei anderen Thieren beobachtet.
Ich habe es gesehen, – und ich bin überzeugt, Andere auch, – daß wenn irgend ein kleiner Gegenstand vor einem der Elefanten im zoologischen Garten auf den Boden geworfen wird, zu weit für ihn um ihn zu erreichen, er dann mit seinem Rüssel jenseits des Gegenstandes auf den Boden bläst, um durch den, dort von allen Seiten reflectierten Luftstrom den Gegenstand in seinen Bereich treiben zu lassen. Ferner theilte mir ein bekannter Ethnolog, Herr Westropp, mit, daß er in Wien beobachtet habe, wie ein Bär mit seiner Pfote in dicht an seinem Käfig stehendem Wasser eine Strömung zu erregen suchte, um ein Stückchen auf dem Wasser schwimmenden Brodes in seinen Bereich zu bringen. Diese Handlungen des Elefanten und Bären können kaum dem Instinct oder vererbter Gewohnheit zugeschrieben werden, da sie für die Thiere im Naturzustande nur von wenig Nutzen sein würden. Was ist nun der Unterschied zwischen solchen Handlungen, wenn sie ein uncultivierter Mensch ausfuhrt, und wenn sie eines der höheren Thiere verrichtet?
Der Wilde und der Hund haben oft an niedrigen Stellen Wasser gefunden und das Zusammentreffen unter solchen Umständen wurde in ihrem Geiste associiert. Ein cultivierter Mensch würde vielleicht irgend einen allgemeinen Satz über die Sache aufstellen; nach allem aber, was wir von Wilden wissen, ist es äußerst zweifelhaft, ob sie dies thun, und ein Hund thut es sicherlich nicht. Ein Wilder wird aber ebenso wie ein Hund in derselben Weise suchen, aber auch häufig enttäuscht werden, und bei beiden scheint es in gleicher Weise eine Handlung des Verstandes zu sein, mag nun irgend ein allgemeiner Satz über den Gegenstand bewußtermaßen dem Geiste vorgestellt werden oder nicht.179 Dasselbe wird auch für den Elefanten und den Bären gelten, welche Strömungen in der Luft oder im Wasser erzeugen. Der Wilde würde sicherlich weder wissen, noch sich darum kümmern, nach welchen Gesetzen die gewünschten Bewegungen hervorgebracht werden; und doch würde die Handlung durch einen rohen Proceß der Überlegung geleitet werden, und zwar so sicher wie es ein Philosoph in der längsten Kette seiner Deductionen wird. Ohne Zweifel würde der Unterschied zwischen ihm und einem der höheren Thiere darin bestehen, daß er viel geringfügigere Umstände und Bedingungen beachten und jeden Zusammenhang zwischen ihnen nach einer viel kürzeren Erfahrung beobachten würde; und dies ist von einer durchgreifenden Bedeutung. Ich hielt ein sorgfältiges Tagebuch über die Handlungen eines meiner Kinder; und als es ungefähr elf Monate war und ehe es noch ein einziges Wort sprechen konnte, wurde ich beständig von der, verglichen mit dem intelligentesten Hunde, den ich je gesehen, so bedeutenderen Schnelligkeit frappiert, mit welcher alle Arten von Gegenständen und Lauten in seinem Geiste associiert wurden. Die höheren Thiere weichen aber in genau derselben Weise in Bezug auf dies Associationsvermögen von den niedriger stehenden, wie z. B. dem Hechte, ab, und ebenso auch in Bezug auf das Ziehen von Schlüssen und auf Beobachtung.
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