Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Den im Vorstehenden entwickelten Ansichten ist oft entgegengehalten worden, daß der Mensch eines der hülflosesten und vertheidigungslosesten Geschöpfe in der Welt ist, und daß er während seines frühen und weniger gut entwickelten Zustandes noch hülfloser gewesen sein wird. Der Herzog von Argyll154 behauptet z.nbsp;B., »daß der menschliche Körperbau von der Bildung der Thiere in einer Richtung großer physischer Hülflosigkeit und Schwäche abgewichen ist; d. h. es ist eine Divergenz eingetreten, welche von allen Übrigen »am unmöglichsten bloßer natürlicher Zuchtwahl zugeschrieben werden kann«. Er führt an: den nackten und unbeschützten Zustand des Körpers, das Fehlen großer Zähne oder Krallen zur Verteidigung, die geringe Körperkraft des Menschen, seine geringe Schnelligkeit im Laufen und seine geringe Fähigkeit, durch den Geruchssinn Nahrung zu finden oder Gefahren zu vermeiden. Diesen Mangelhaftigkeiten hätte sich noch der noch bedenklichere Verlust der Fähigkeit, schnell Bäume zu erklettern und dadurch vor Feinden zu entfliehen, hinzufügen lassen. Der Verlust des Haarkleides wird für die Bewohner eines warmen Landes keine große Schädigung gewesen sein. Wir sehen ja, daß die unbekleideten Feuerländer in ihrem schauerlichen Klima existieren können. Wenn man den vertheidigungslosen Zustand des Menschen mit dem der Affen vergleicht, von denen viele mit fürchterlichen Eckzähnen ausgerüstet sind, so müssen wir uns daran erinnern, daß im völlig entwickelten Zustande nur die Männchen solche besitzen, indem sie sie hauptsächlich zum Kampf mit ihren Nebenbuhlern brauchen; und doch sind die Weibchen, welche nicht damit versehen sind, völlig im Stande, leben zu bleiben.
In Bezug auf die körperliche Größe oder Kraft wissen wir nicht, ob der Mensch von irgend einer vergleichsweise kleinen Art, wie dem Schimpanse, abstammt oder von einer so mächtigen wie dem Gorilla, und wir können daher auch nicht sagen, ob der Mensch größer und stärker oder kleiner und schwächer im Vergleich zu seinen Urerzeugern geworden ist. Wir müssen indeß im Auge behalten, daß ein Thier, welches bedeutende Größe, Kraft und Wildheit besitzt und welches, wie der Gorilla, sich gegen alle Feinde vertheidigen kann, wahrscheinlich nicht social geworden sein wird, und dies würde in äußerst wirksamer Weise die Entwicklung jener höheren geistigen Eigenschaften beim Menschen, wie Sympathie und Liebe zu seinen Mitgeschöpfen, gehemmt haben. Es dürfte daher von einem unendlichen Vortheil für den Menschen gewesen sein, von irgend einer verhältnismäßig schwachen Form abgestammt zu sein.
Die geringe körperliche Kraft des Menschen, seine geringe Schnelligkeit, der Mangel natürlicher Waffen u. s. w. werden mehr als ausgeglichen erstens durch seine intellectuellen Kräfte, durch welche er sich, während er noch im Zustande der Barbarei verblieb, Waffen, Werkzeuge u. s. w. formen lernte, und zweitens durch seine socialen Eigenschaften, welche ihn dazu führten, seinen Mitmenschen Hülfe angedeihen zu lassen und solche wiederum von ihnen zu empfangen. Kein Land auf der Erde ist in einem größeren Grade so dicht mit gefährlichen Thieren erfüllt wie Süd-Afrika, kein Land bietet fürchterlichere Leidensquellen dar als die arctischen Gegenden, und doch behauptet sich eine der schwächsten Rassen, nämlich die Buschmänner in Süd-Afrika, ebenso wie es die zwergischen Eskimos in den arctischen Gegenden thun. Die Vorfahren des Menschen kamen ohne Zweifel an Intellect und wahrscheinlich an socialen Anlagen den niedrigsten jetzt existierenden Wilden nicht gleich; es ist aber völlig gut einzusehen, daß sie existiert und sogar geblüht haben können, wenn sie an intellectueller Ausbildung gewannen, zu derselben Zeit als sie allmählich ihre thierähnlichen Fähigkeiten, wie die des Kletterns auf Bäumen u. s. w. verloren. Aber selbst wenn diese Vorfahren des Menschen bei Weitem hülfloser und vertheidigungsloser waren als irgendwelche jetzt existierende Wilde; sobald sie irgend einen warmen Continent oder eine große Insel wie Australien oder Neu-Guinea oder Borneo bewohnten (die letztere Insel bewohnt jetzt der Orang), so würden sie keiner besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen sein. Auf einem Bezirk, welcher so groß wie einer der genannten ist, würde die aus der Concurrenz zwischen den einzelnen Stämmen folgende natürliche Zuchtwahl in Verbindung mit den vererbten Wirkungen der Gewohnheit hinreichend gewesen sein, um unter günstigen Bedingungen den Menschen auf seine jetzige hohe Stellung in der Reihe der Organismen zu erheben.
Fußnote
154 Primeval Man 1869, p. 66.
Drittes Capitel.
Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der niederen Thiere
Die Verschiedenheit in den geistigen Kräften zwischen dem höchsten Affen und dem niedrigsten Wilden ist ungeheuer. – Gewisse Instincte sind gemeinsam. – Gemüthsbewegungen. – Neugierde. – Nachahmung. – Aufmerksamkeit. – Gedächtnis. – Einbildung. – Verstand. – Progressive Vervollkommnung. – Von Thieren gebrauchte Werkzeuge und Waffen. – Abstraction, Selbstbewußtsein. – Sprache. – Schönheitssinn. – Glaube an Gott, spirituelle Kräfte; Aberglauben.
Wir haben in den ersten beiden Capiteln gesehen, daß der Mensch in seiner körperlichen Bildung deutliche Spuren seiner Abstammung von irgend einer niederen Form darbietet; man könnte aber behaupten, daß sich bei dieser Folgerung irgend ein Irrthum eingeschlichen haben müsse, da der Mensch in seinen Geisteskräften so bedeutend von allen andern Thieren abweicht. Die Verschiedenheit in dieser Hinsicht ist ohne Zweifel enorm, selbst wenn man die Seele eines der niedrigsten Wilden, welcher kein Wort besitzt, eine höhere Zahl als vier auszudrücken, und welcher keine abstracten Bezeichnungen für die gewöhnlichsten Gegenstände oder Affecte155 gebraucht, mit der des höchstorganisierten Affen vergleicht. Ohne Zweifel würde der Unterschied selbst dann immer noch ungeheuer bleiben, wenn einer der höheren Affen soweit veredelt oder civilisiert wäre, wie es ein Hund ist im Vergleiche mit seiner Stammform, dem Wolfe oder Schakal. Die Feuerländer gehören zu den niedersten Barbaren; ich habe mich aber fortwährend darüber verwundern müssen, wie genau die drei an Bord des Beagle befindlichen Feuerländer, welche einige Jahre in England lebten und etwas Englisch sprechen konnten, uns in der ganzen Anlage und den meisten unserer geistigen Fähigkeiten glichen. Wenn kein organisches Wesen außer dem Menschen irgendwelche geistige Fähigkeiten besessen hätte, oder wenn seine Fähigkeiten von einer völlig verschiedenen Natur wären im Vergleich mit denen der niederen Thiere, so würden wir nie im Stande gewesen sein, uns zu überzeugen, daß unsere hohen Fähigkeiten allmählich entwickelt worden sind. Es läßt sich aber deutlich nachweisen, daß kein fundamentaler Unterschied dieser Art besteht. Wir müssen auch zugeben, daß ein viel weiterer Abstand in den geistigen Fähigkeiten zwischen einem der niedrigsten Fische, wie der Pricke oder einem Amphioxus, und dem der höheren Affen besteht, als zwischen dem Affen und dem Menschen: und doch wird diese Lücke durch zahllose Abstufungen ausgefüllt.
Auch in Bezug auf die moralischen