Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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Inwiefern dies nun wirklich der Fall sei, betrachtet mein zweites Buch. So lange wir aber, wie in diesem ersten Buche, bei der objektiven Auffassung, also bei der Erkenntniß, stehn bleiben, ist und bleibt uns die Welt eine bloße Vorstellung, weil hier kein Weg möglich ist, der darüber hinausführte.

      Ueberdies nun aber ist das Festhalten des idealistischen Gesichtspunktes ein nothwendiges Gegengewicht gegen den materialistischen. Die Kontroverse über das Reale und Ideale läßt sich nämlich auch ansehn als betreffend die Existenz der Materie. Denn die Realität, oder Idealität dieser ist es zuletzt, um die gestritten wird. Ist die Materie als solche bloß in unserer Vorstellung vorhanden, oder ist sie es auch unabhängig davon? Im letzteren Falle wäre sie das Ding an sich, und wer eine an sich existirende Materie annimmt, muß, konsequent, auch Materialist seyn, d. h, sie zum Erklärungsprincip aller Dinge machen. Wer sie hingegen als Ding an sich leugnet, ist eo ipso Idealist. Geradezu und ohne Umweg die Realität der Materie behauptet hat, unter den Neueren, nur Locke: daher hat seine Lehre, unter Condillac's Vermittelung, zum Sensualismus und Materialismus der Franzosen geführt. Geradezu und ohne Modifikationen geleugnet hat die Materie nur Berkeley. Der durchgeführte Gegensatz ist also Idealismus und Materialismus, in seinen Extremen repräsentiert durch Berkeley und die französischen Materialisten (Holbach). Fichte ist hier nicht zu erwähnen: er verdient keine Stelle unter den wirklichen Philosophen, unter diesen Auserwählten der Menschheit, die mit hohem Ernst nicht ihre Sache, sondern die Wahrheit suchen und daher nicht mit Solchen verwechselt werden dürfen, die unter diesem Vorgeben bloß ihr persönliches Fortkommen im Auge haben. Fichte ist der Vater der Schein-Philosophie, der unredlichen Methode, welche durch Zweideutigkeit im Gebrauch der Worte, durch unverständliche Reden und durch Sophismen zu täuschen, dabei durch einen vornehmen Ton zu imponieren, also den Lernbegierigen zu übertölpeln sucht; ihren Gipfel hat diese, nachdem auch Schelling sie angewandt hatte, bekanntlich in Hegeln erreicht, als woselbst sie zur eigentlichen Scharlatanerie herangereift war. Wer aber selbst nur jenen Fichte ganz ernsthaft neben Kant nennt, beweist, daß er keine Ahndung davon hat, was Kant sei. – Hingegen hat auch der Materialismus seine Berechtigung. Es ist eben so wahr, daß das Erkennende ein Produkt der Materie sei, als daß die Materie eine bloße Vorstellung des Erkennenden sei; aber es ist auch eben so einseitig. Denn der Materialismus ist die Philosophie des bei seiner Rechnung sich selbst vergessenden Subjekts. Darum eben muß der Behauptung, daß ich eine bloße Modifikation der Materie sei, gegenüber, diese geltend gemacht werden, daß alle Materie bloß in meiner Vorstellung existiere: und sie hat nicht minder Recht. Eine noch dunkle Erkenntniß dieser Verhältnisse scheint den Platonischen Ausspruch hylê alêthinon pseudos (materia mendacium verax) hervorgerufen zu haben.

      Der Realismus führt, wie gesagt, nothwendig zum Materialismus. Denn liefert die empirische Anschauung die Dinge an sich, wie sie unabhängig von unserm Erkennen da sind; so liefert auch die Erfahrung die Ordnung der Dinge an sich, d.h. die wahre und alleinige Weltordnung. Dieser Weg aber führt zu der Annahme, daß es nur ein Ding an sich gebe, die Materie, deren Modifikation alles Uebrige sei; da hier der Naturlauf die absolute und alleinige Weltordnung ist. Um diesen Konsequenzen auszuweichen, wurde, so lange der Realismus in unangefochtener Geltung war, der Spiritualismus daneben aufgestellt, also die Annahme einer zweiten Substanz, außer und neben der Materie, einer immateriellen Substanz. Dieser von Erfahrung, Beweisen und Begreiflichkeit gleich sehr verlassene Dualismus und Spiritualismus wurde von Spinoza geleugnet und von Kant als falsch nachgewiesen, der dies durfte, weil er zugleich den Idealismus in seine Rechte einsetzte. Denn mit dem Realismus fällt der Materialismus, als dessen Gegengewicht man den Spiritualismus ersonnen hatte, von selbst weg, indem alsdann die Materie, nebst dem Naturlauf, zur bloßen Erscheinung wird, welche durch den Intellekt bedingt ist, indem sie in dessen Vorstellung allein ihr Daseyn hat. Sonach ist gegen den Materialismus das scheinbare und falsche Rettungsmittel der Spiritualismus, das wirkliche und wahre aber der Idealismus, der dadurch, daß er die objektive Welt in Abhängigkeit von uns setzt, das nöthige Gegengewicht gibt zu der Abhängigkeit, in welche der Naturlauf uns von ihr setzt. Die Welt, aus der ich durch den Tod scheide, war andererseits nur meine Vorstellung. Der Schwerpunkt des Daseyns fällt ins Subjekt zurück. Nicht, wie im Spiritualismus, die Unabhängigkeit des Erkennenden von der Materie, sondern die Abhängigkeit aller Materie von ihm wird nachgewiesen. Freilich ist das nicht so leicht faßlich und bequem zu handhaben, wie der Spiritualismus mit seinen zwei Substanzen; aber chalepa ta kala.

      Allerdings nämlich steht dem subjektiven Ausgangspunkt »die Welt ist meine Vorstellung« vorläufig mit gleicher Berechtigung gegenüber der objektive »die Welt ist Materie«, oder »die Materie allein ist schlechthin« (da sie allein dem Werden und Vergehn nicht unterworfen ist), oder »alles Existirende ist Materie«. Dies ist der Ausgangspunkt des Demokritos, Leukippos und Epikuros. Näher betrachtet aber bleibt dem Ausgehn vom Subjekt ein wirklicher Vorzug: es hat einen völlig berechtigten Schritt voraus. Nämlich das Bewußtseyn allein ist das Unmittelbare: dieses aber überspringen wir, wenn wir gleich zur Materie gehn und sie zum Ausgangspunkt machen. Andererseits müßte es möglich seyn, aus der Materie und den richtig, vollständig und erschöpfend erkannten Eigenschaften derselben (woran uns noch viel fehlt) die Welt zu konstruiren. Denn alles Entstandene ist durch Ursachen wirklich geworden, welche nur vermöge der Grundkräfte der Materie wirken und zusammenkommen konnten: diese aber müssen wenigstens objective vollständig nachweisbar seyn, wenn wir auch subjective nie dahin kommen werden, sie zu erkennen. Immer aber würde einer solchen Erklärung und Konstruktion der Welt nicht nur die Voraussetzung eines Daseyns an sich der Materie (während es in Wahrheit durch das Subjekt bedingt ist) zum Grunde liegen; sondern sie müßte auch noch an dieser Materie alle ihre ursprünglichen Eigenschaften als schlechthin unerklärliche, also als qualitates occultae, gelten und stehn lassen. (Siehe § 26, 27 des ersten Bandes.) Denn die Materie ist nur der Träger dieser Kräfte, wie das Gesetz der Kausalität nur der Ordner ihrer Erscheinungen. Mithin würde eine solche Erklärung der Welt doch immer nur eine relative und bedingte seyn, eigentlich das Werk einer Physik, die sich bei jedem Schritte nach einer Metaphysik sehnte. – Andererseits hat auch der subjektive Ausgangspunkt und Ursatz »die Welt ist meine Vorstellung« sein Inadäquates: theils sofern er einseitig ist, da die Welt doch außerdem noch viel mehr ist (nämlich Ding an sich, Wille), ja, das Vorstellungseyn ihr gewissermaßen accidentell ist; theils aber auch, sofern er bloß das Bedingtseyn des Objekts durch das Subjekt ausspricht, ohne zugleich zu besagen, daß auch das Subjekt als solches durch das Objekt bedingt ist. Denn eben so falsch wie der Satz des rohen Verstandes, »die Welt, das Objekt, wäre doch da, auch wenn es kein Subjekt gäbe«, ist dieser: »das Subjekt wäre doch ein Erkennendes, wenn es auch kein Objekt, d.h. gar keine Vorstellung hätte«. Ein Bewußtseyn ohne Gegenstand ist kein Bewußtseyn. Ein denkendes Subjekt hat Begriffe zu seinem Objekt, ein sinnlich anschauendes hat Objekte mit den seiner Organisation entsprechenden Qualitäten. Berauben wir nun das Subjekt aller nähern Bestimmungen und Formen seines Erkennens; so verschwinden auch am Objekt alle Eigenschaften, und nichts bleibt übrig, als die Materie ohne Form und Qualität, welche in der Erfahrung so wenig vorkommen kann, wie das Subjekt ohne Formen seines Erkennens, jedoch dem nackten Subjekt als solchem gegenüber stehn bleibt, als sein Reflex, der nur mit ihm zugleich verschwinden kann. Wenn auch der Materialismus nichts weiter als diese Materie, etwan Atome, zu postuliren wähnt; so setzt er doch unbewußt nicht nur das Subjekt, sondern auch Raum, Zeit und Kausalität hinzu, die auf speciellen Bestimmungen des Subjekts beruhen.

      Die Welt als Vorstellung, die objektive Welt, hat also gleichsam zwei Kugel-Pole: nämlich das erkennende Subjekt schlechthin, ohne die Formen seines Erkennens, und dann die rohe Materie ohne Form und Qualität. Beide sind durchaus unerkennbar: das Subjekt, weil es das Erkennende ist; die Materie, weil sie ohne Form und Qualität nicht angeschaut werden kann. Dennoch sind Beide die Grundbedingungen aller empirischen Anschauung. So steht der rohen, formlosen, ganz todten (d.i. willenlosen) Materie, die in keiner Erfahrung gegeben, aber in jeder vorausgesetzt wird, als reines Widerspiel gegenüber das erkennende Subjekt, bloß als solches, welches ebenfalls

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