Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Читать онлайн книгу Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer страница 163
Der Grundfehler aller Systeme ist das Verkennen dieser Wahrheit, daß der Intellekt und die Materie Korrelata sind, d.h. Eines nur für das Andere da ist, Beide mit einander stehn und fallen, Eines nur der Reflex des Andern ist, ja, daß sie eigentlich Eines und das Selbe sind, von zwei entgegengesetzten Seiten betrachtet; welches Eine, – was ich hier anticipire, – die Erscheinung des Willens, oder Dinges an sich ist; daß mithin Beide sekundär sind: daher der Ursprung der Welt in keinem von Beiden zu suchen ist. Aber in Folge jenes Verkennens suchten alle Systeme (den Spinozismus etwan ausgenommen) den Ursprung aller Dinge in einem jener Beiden. Sie setzen nämlich entweder einen Intellekt, dêmiourgos, als schlechthin Erstes und nous, lassen demnach in diesem eine Vorstellung der Dinge und der Welt vor der Wirklichkeit derselben vorhergehn: mithin unterscheiden sie die reale Welt von der Welt als Vorstellung; welches falsch ist. Daher tritt jetzt als Das, wodurch Beide unterschieden sind, die Materie auf, als ein Ding an sich. Hieraus entsteht die Verlegenheit, diese Materie, die hylê, herbeizuschaffen, damit sie zur bloßen Vorstellung der Welt hinzukommend, dieser Realität ertheile. Da muß nun entweder jener ursprüngliche Intellekt sie vorfinden: dann ist sie, so gut wie er, ein absolut Erstes, und wir erhalten zwei absolut Erste, den dêmiourgos und die hylê. Oder aber er bringt sie aus nichts hervor; eine Annahme, der unser Verstand sich widersetzt, da er nur Veränderungen an der Materie, nicht aber ein Entstehn oder Vergehn derselben zu fassen fähig ist; welches im Grunde gerade darauf beruht, daß die Materie sein wesentliches Korrelat ist. – Die diesen Systemen entgegengesetzten, welche das andere der beiden Korrelate, also die Materie, zum absolut Ersten machen, setzen eine Materie, die dawäre, ohne vorgestellt zu werden, welches, wie aus allem oben Gesagten genugsam erhellt, ein gerader Widerspruch ist; da wir im Daseyn der Materie stets nur ihr Vorgestellt werden denken. Danach aber entsteht ihnen die Verlegenheit, zu dieser Materie, die allein ihr absolut Erstes ist, den Intellekt hinzuzubringen, der endlich von ihr erfahren soll. Diese Blöße des Materialismus habe ich § 7 des ersten Bandes geschildert. – Bei mir hingegen sind Materie und Intellekt unzertrennliche Korrelata, nur für einander, daher nur relativ, da: die Materie ist die Vorstellung des Intellekts; der Intellekt ist das, in dessen Vorstellung allein die Materie existirt. Beide zusammen machen die Welt als Vorstellung aus, welche eben Kants Erscheinung, mithin ein sekundäres ist. Das Primäre ist das Erscheinende, das Ding an sich selbst, als welches wir nachher den Willen kennen lernen. Dieser ist an sich weder Vorstellendes, noch Vorgestelltes; sondern von seiner Erscheinungsweise völlig verschieden.
Zum nachdrücklichen Schluß dieser so wichtigen, wie schwierigen Betrachtung will ich jetzt jene beiden Abstrakta ein Mal personificirt und im Dialog auftreten lassen, nach dem Vorgang des Prabodha Tschandro Daya: auch kann man damit einen ähnlichen Dialog der Materie mit der Form in des Raimund Lullius Duodecim principia philosophiae, c. 1 et 2, vergleichen.
Das Subjekt.
Ich bin, und außer mir ist nichts. Denn die Welt ist meine Vorstellung.
Die Materie.
Vermessener Wahn! Ich, ich bin: und außer mir ist nichts. Denn die Welt ist meine vorübergehende Form. Du bist ein bloßes Resultat eines Theiles dieser Form und durchaus zufällig.
Die Subjekt.
Welch thörichter Dünkel! Weder du noch deine Form wären vorhanden ohne mich: ihr seid durch mich bedingt. Wer mich wegdenkt und dann glaubt euch noch denken zu können, ist in einer groben Täuschung begriffen: denn euer Daseyn außerhalb meiner Vorstellung ist ein gerader Widerspruch, ein Sideroxylon. Ihr seid heißt eben nur, ihr werdet von mir vorgestellt. Meine Vorstellung ist der Ort eures Daseyns: daher bin ich die erste Bedingung desselben.
Die Materie.
Zum Glück wird die Vermessenheit deiner Behauptung bald auf eine reale Weise widerlegt werden und nicht durch bloße Worte. Noch wenige Augenblicke, und du – bist wirklich nicht mehr, bist mit sammt deiner Großsprecherei ins Nichts versunken, hast, nach Schatten-Weise, vorübergeschwebt und das Schicksal jeder meiner vergänglichen Formen erlitten. Ich aber, ich bleibe, unverletzt und unvermindert, von Jahrtausend zu Jahrtausend, die unendliche Zeit hindurch, und schaue unerschüttert dem Spiel des Wechsels meiner Formen zu.
Das Subjekt.
Diese unendliche Zeit, welche zu durchleben du dich rühmst, ist, wie der unendliche Raum, den du füllst, bloß in meiner Vorstellung vorhanden, ja, ist bloße Form meiner Vorstellung, die ich fertig in mir trage, und in der du dich darstellst, die dich aufnimmt, wodurch du allererst da bist. Die Vernichtung aber, mit der du mir drohest, trifft nicht mich; sonst wärst du mit vernichtet: vielmehr trifft sie bloß das Individuum, welches auf kurze Zeit mein Träger ist und von mir vorgestellt wird, wie alles Andere.
Die Materie.
Und wenn ich dir dies zugestehe und darauf eingehe, dein Daseyn, welches doch an das dieser vergänglichen Individuen unzertrennlich geknüpft ist, als ein für sich bestehendes zu betrachten; so bleibt es dennoch von dem meinigen abhängig. Denn du bist Subjekt nur sofern du ein Objekt hast: und dieses Objekt bin ich. Ich bin dessen Kern und Gehalt, das Bleibende darin, welches es zusammenhält und ohne welches es so unzusammenhängend wäre und so wesenlos verschwebte, wie die Träume und Phantasien deiner Individuen, die selbst ihren Scheingehalt doch noch von mir geborgt haben.
Das Subjekt.
Du thust wohl, mein Daseyn mir deshalb, daß es an die Individuen geknüpft ist, nicht abstreiten zu wollen: denn so unzertrennlich, wie ich an diese, bist du an deine Schwester, die Form, gekettet, und bist noch nie ohne sie erschienen. Dich, wie mich, hat nackt und isolirt noch kein Auge gesehn: denn Beide sind wir nur Abstraktionen. Ein Wesen ist es im Grunde, das sich selbst anschaut und von sich selbst angeschaut wird, dessen Seyn an sich aber weder im Anschauen noch im Angeschaut werden bestehn kann, da diese zwischen uns Beide vertheilt sind.
Beide.
So sind wir denn unzertrennlich verknüpft, als nothwendige Theile eines Ganzen, das uns Beide umfaßt und durch uns besteht. Nur ein Mißverständnis kann uns Beide einander feindlich gegenüber stellen und dahin verleiten, daß Eines des Andern Daseyn bekämpft, mit welchem sein eigenes steht und fällt.
Dieses Beide umfassende Ganze ist die Welt als Vorstellung, oder die Erscheinung. Nach deren Wegnahme bleibt nur noch das rein Metaphysische, das Ding an sich, welches wir im zweiten Buche als den Willen erkennen werden.
2. Zur Lehre von der anschauenden, oder Verstandes-Erkenntniß