Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Um 4 Uhr gelangten wir zwar ohne Unglück, aber ganz erstarrt zu Drenkova an, und eilten in das von der Dampfschifffahrts-Gesellschaft errichtete Gasthaus, wo wir einen gut geheizten Saal, vortreffliche Kost, und ein ziemlich bequemes Lagerfanden. Dieß war seit Pesth der erste Ort, an welchem man sich erholen und erwärmen konnte.
In Drenkova ist nichts als dieses Gasthaus und unweit davon ein Wachtposten. Am Ufer zeigte man uns die Barke, welche im Jahre 1839 mit den Reisenden verunglückte, als sie aufwärts der Donaufälle fuhren. Acht Personen, die in der Kajüte saßen, verloren dabei ihr Leben, und nur jene, die außen waren, wurden gerettet.
28. März 1842.
Früh Morgens bestiegen wir die mit einer Kajüte versehene Barke „Tünte."
Die Donau wird von Felsen und Bergen immer mehr zusammengedrängt, so daß ihre Breite zwischen Drenkova und Fetislav an manchen Stellen nicht über achtzig Klafter beträgt, und sie mit doppelter Eilfertigkeit ihrem nahen Ziele, dem Pontus euxinus zuströmt.
Der Donaufälle wegen, die zwischen Drenkova und Fetislav zu Passiren sind, muß man das Dampfschiff mit einer Barke vertauschen. Die Hinabfahrt des Schiffes würde ohne Gefahr Statt finden, allein die Rückkehr desselben wäre mit großen Schwierigkeiten verbunden. Darum bleiben die Dampfschiffe in Drenkova zurück und man befördert die Reisenden stromabwärts in Barken, und seit dem Unglücksfalle vom Jahre 1839 stromaufwärts in bequemen guten Wägen.
Die Kälte war heute so unleidlich wie gestern, und wenn einer der Reisenden nicht so gefällig gewesen wäre, mir seine Bunda (großer ungarischer Pelz) zu leihen, hätte ich in der kleinen Kajüte sitzen bleiben müssen, und würde die intressantesten Stellen der Donau nicht gesehen haben. So aber hüllte ich mich vom Kopfe bis zum Fuße tüchtig in den Pelz ein, setzte mich außerhalb der Kajüte auf eine Bank und konnte mit voller Muße die herrlich abgeschlossenen Bilder des Stromes, einer Kette von Seen ähnlich, in mein Gedächtniß aufnehmen. Beinahe bis Alt-Orsova blieben diese Ansichten gleich pittoresk.
Eine Stunde unterhalb Drenkova, bei Islas, riefen uns die Schiffer Plötzlich zu: „Der erste Fall!" Gespannt vor Erwartung blickte ich vor. Das Wasser warf kleine Wellen, strömte etwas heftiger und verursachte ein leises Brausen. Wenn man mir es nicht gesagt hätte, daß die Donau hier einen Fall bilde, würde ich es nicht geahnt haben. Ich fand die Klippen und die Gewalt des Stromes zwischen Linz und Krems nicht viel unbedeutender. Freilich hatten wir großen Wasserstand und da ist die Gefahr nicht halb so groß und das Ganze nicht so schaudererregend anzusehen. Die vielen Felsenzacken, die bei niederem Wasserstande überall drohend hervorblicken, und durch die sich der Schiffer mit großer Kunstfertigkeit durchwinden muß, waren unseren Augen verborgen. Wir glitten unbeschädigt darüber, und nach ungefähr zwanzig Minuten hatten wir den ersten Fall im Rücken. Die beiden folgenden Fälle sind noch unbedeutender.
Auf der österreichisch-wallachischen Seite zieht sich längs dem Ufer eine sechs bis acht Stunden lange Straße, die oft von Mauerwerk unterstützt, oft auch den Felsen abgerungen ist. In der Mitte dieses Weges sieht man hoch oben in einer Felsenwand die berühmte Veteranische Höhle, eine der unbezwingbarsten Stellen an der Donau, die es gibt. Sie ist mit etwas Schanzwerk umgeben und ganz geeignet, die Durchfahrt auf dem Strome zu sperren. Sie soll so geräumig seyn, daß 500 Mann Platz darin haben. Schon zu Zeiten der Römer wurde sie als Vertheidigungspunkt der Donau benützt. Dritthalb Stunden abwärts von dieser Höhle sieht man die Trajans-Tafel, welche in den vorspringenden Felsen eingehauen ist.
Auf der türkisch-serbischen Seite erstrecken sich die Felsenmassen so nah und tief in den Strom, daß an den meisten Stellen nicht Raum für einen Fußweg ist. Hier war die berühmte Trajans-Straße. Man sieht weiter nichts mehr davon, als längs des Stromes, auf einer Strecke von vier bis fünf Meilen hin und wieder Löcher in die Felsen gehauen, worin starke Stämme eingelassen waren, auf denen einst Breter lagen, welche die Straße gebildet haben sollen.
Um 11 Uhr Vormittags kamen wir zu Alt-Orsova an, der letzten Stadt Österreichs im Banater oder Wallachischen Militär-Gränzbezirke. Hier mußten wir den übrigen halben Tag bleiben.
Die Stadt nimmt sich ziemlich gut aus, sie hat hübsche, meistens neue Häuser. Besonders groß und schön ist jenes der Dampfschifffahrts-Gesellschaft. Es gehört aber nicht zur Unterbringung der Reisenden, wie zu Drenkova. Hier, wie in Preßburg und Pesth, muß der Reisende abermals die Kosten des Nachtquatiers zahlen; eine Einrichtung, die ich etwas sonderbar finde, da auf diese Art der Reisende doppelt zahlt, nähmlich für seinen Platz auf dem Schiffe und für jenen im Gasthofe.
Es war gerade Sonntag, als wir ankamen, und ich sah viele Leute in die Kirche gehen. Die Bauern sind ziemlich gut und nett gekleidet. Männer und Weiber tragen lange, blautuchene Röcke. Die Weiber haben um die Köpfe große, weiße, leinene Tücher geschlagen, die rückwärts lang hinabhängen und an den Füßen derbe Stiefel; die Männer runde Filzhüte und Sandalen von Baumrinde.
29. März 1842.
Nachdem wir uns in dem guten Gasthofe zum „goldenen Hirschen" vollkommen erholt hatten, bestiegen wir heute Morgen abermals eine neue Barke, ,,den Saturnus," der nur oben gedeckt und von allen Seiten offen ist.
Sobald man diese Barke betritt, ist man schon für unrein, d. h. für halb verpestet angesehen, und darf nicht mehr an das Land, ohne Quarantaine zu halten; auch begleitete uns ein Guardin bis Gallatz.
Gleich unterhalb Alt-Orsova verläßt man Österreichs Grund und Boden gänzlich.
Nach einer halben Stunde kommt man an der Festung Neu-Orsova vorüber, welche auf einer Insel liegt, und eher den Nahmen einer Ruine verdient. Gegenüber liegt das Fort Elisabetha, bestehend aus einem Thurme und mehrerem Mauerwerk, das sich längs des Berges hinanzieht. Dieses Fort liegt an einem der herrlichsten Punkte der Donau.
Nun nähert man sich immer mehr und mehr der gefährlichsten Stelle dieses Stromes, dem eisernen Thore, von den Türken Demir kaju genannt. — Wohl eine halbe Stunde vorher verkündet schon das Rauschen des Wassers den gefürchteten Ort. Viele Felsenriffe durchziehen den Strom und bilden eine Menge Wirbel. Diese gefährliche Strecke legten wir in fünfzehn Minuten zurück. Der große Wasserstand half uns eben so glücklich über das eiserne Thor, wie über die vorhergehenden Fälle.
Ich fand diese Falle tief unter meiner Erwartung und so beinahe Alles, lange nicht den oft so poetisch schönen Beschreibungen entsprechend. Ich schildere Alles, wie ich es finde, wie es meinen Augen erschien, ungeschmückt, aber wahr.
Am Ende des eisernen Thores kömmt man an einem Dorfe vorüber, in dessen Nähe bei niederem Wasserstande einige Pfeiler der Trajans-Brücke zu sehen sind.
Die Gegend fängt an flacher zu werden, besonders am linken Ufer, wo sich die ungeheuere Ebene der Wallachei ausbreitet, und dem Auge nirgends ein Anhaltspunkt geboten wird. Rechts ziehen sich mehrere Staffagen von Hügeln und Bergen hin, deren Hintergrund die feingeformten Linien des Balkan, der durch den Übergang der Russen im Jahre 1829 berühmt ist, schließen. Die Dörfer, deren man höchst selten einige an den Ufern sieht, werden immer erbärmlicher. Sie gleichen mehr Ställen für Vieh, als menschlichen Wohnungen. Das Vieh kampirt im Freien, obwohl das Klima nicht viel milder seyn mag, wie bei uns in Österreich, denn heute so nahe am