Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Die Kälte war so unleidlich, daß man gerne jede Öffnung geschlossen hätte, aber des vielen Tabakrauchens und der Ausdünstung all der armen Leute, besonders der Juden wegen, die einen großen Theil der Fracht im Ungarlande ausmachen und bei der geringsten schlechten Witterung von ihrem gezahlten dritten Platze auf den zweiten eilen, hätte man gerne Thür und Fenster aufgerissen. Es ist gar nicht zu beschreiben, was man Alles auf diesen Schiffen auszustehen hat. — Ungepolsterte Bänke gehören bei Tag zum Sitzen, bei Nacht zum Schlafen. Von einem Waschbecken des Morgens ist keine Spur zu entdecken; und so ging es fort, bis zum dritten Dampfschiff, dem "Zriny'," welches wir unterhalb der Donaufälle bestiegen; da fanden wir wenigstens bequeme gepolsterte Bänke. Allein auf keinem Schiffe, selbst nicht auf dem ,,Ferdinand," mit welchem man schon in das schwarze Meer kommt und der fatalen Seekrankheit anheim fällt, ist eine Absonderung von Männern und Frauen.
Ich sollte doch glauben, daß man für die hohen Preise dieser Fahrt auf etwas Besseres Anspruch machen könnte. Der erste Platz bis Konstantinopel kostet ohne Zehrung und mit Ausnahme der Nachtlager in Preßburg und Pesth 120 fl. C. M., der zweite Platz 85 fl. C.M.
26. März 1842.
Die verflossene Nacht war für uns Reisende keine Nacht der Ruhe, sondern des Lärmens. Niemand konnte die Augen schließen.
Semlin ist ein bedeutender Ladungsplatz; es wurden über 180 Zentner Waaren ab-, und dagegen Steinkohlen, Holz und wieder Waaren aufgeladen. Die zerbrochene Maschine wurde zurecht gemacht, und dieß alles geschah mit einem solchen Lärm und Gepolter, daß man glaubte, das ganze Gebäude müsse über uns zusammenbrechen. Dazu Kälte und Wind, die durch die gebrochene Scheibe ihren beständigen Eingang hielten, und uns die Nacht zu einer wahren Höllenqual machten. Um 6 Uhr Morgens wurden wir endlich flott. Diesem zufälligen Aufenthalte hatten wir das Glück zu danken, Belgrad, welches der Stadt Semlin gegenüber liegt, die erste türkische Festung und Stadt in Serbien, mit 29,000 Einwohnern, sehr gut zu sehen.
Die Lage von Belgrad ist sehr schön. Die Festungswerke ziehen sich vom Ufer der Donau, längs eines Berges stufenweise hinauf. Die Stadt mit ihren schlanken Minareten liegt eine Viertelstunde rückwärts. — Hier sah ich die ersten Moscheen und Minareten. Die Moscheen, welche ich von Bord aus sehen konnte, haben ungefähr die Form eines runden, nicht sehr hohen Gebäudes, und sind mit einer Kuppel gedeckt, an welche sich 1-2 schlanke Minarete, eine Art hoher, runder Säulen schließen. Das höchste unter den Gebäuden ist der Pallast des Fürsten Milosch. Nun wird die Fahrt theilweise sehr interessant und reich an Abwechslung und an schönen, wie durch einen Zauber malerisch vorüber gleitenden Bildern. Die Gebirge beengen den Strom, bis er sich frei und fessellos in der Nähe von Pancsova wieder zu einer Breite von 800 Klaftern ausdehnt.
Pancsova, im Banater Gebiete, am linken Ufer, ist eine Militär-Communität; hier besteht auch die erste Contumaz-Anstalt.
Von dem Innern der Städte und der meisten Orte, die man berührt, ist wenig zu sehen, weil nur auf Augenblicke angehalten wird. Da läuft und drängt sich Alles durch einander, die Glocke läutet plötzlich, die Bieter werden aufgezogen, und wer von Fremden sich um einige Augenblicke verspätet hat, muß bis zur nächsten Station auf dem Schiffe bleiben.
In Neusatz geschah dieß einem Bedienten, der die Effekten seiner Herrschaft nicht gleich auf das Verdeck warf, sondern sie erst in die Kajüte trug. Der Aermste mußte bis Semlin mitfahren, um dann 1½Tag zu Fuße nach Hause zu wandern.
Von Pancsova aus erreichten wir, nach einer zweistündigen, äußerst angenehmen Fahrt, die türkische Festung Semendria, die eine wahrhaft schöne Lage hat. Besonders verleihen ihr die vielen Spitzen und Zacken ihrer, im maurischen Style gebauten Wälle und Thürme, einen eigenhümlichen Reiz. Überhaupt zeichnen sich die türkischen Festungen durch ihre schöne Lage aus.
Die Dörfer aber, und ganz vorzüglich jene am rechten serbischen Ufer, gleichen an Ärmlichkeit jenen, deren ich leider so viele in Galizien sah. Elende Hütten von Lehm mit Stroh gedeckt, und weit und breit kein Baum und Strauch, der sowohl für das Auge des.Reisenden, als auch für den Bewohner selbst sehr wünschenswerth wäre. Der arme Landmann könnte im Schatten seinem müden Körper einige Erholung gönnen, und dem Reisenden bliebe die Nacktheit und Armuth solcher Wohnplätze, die doch jedes fühlende Herz mit Wehmuth erfüllt, ein Bischen verborgen.
An dem linken Ufer, welches zu Ungarn gehört und das Banat heißt, ist es wohl nicht gar so arg, es bleibt aber auch noch gar Manches zu wünschen übrig, und man muß sich um so mehr über diese Armuth wundern, da dieser Landstrich so überreich an Naturprodukten, die Getreidekammer Ungarns genannt wird.
Auf der österreichischen Seite der Donau sind, von 200 zu 200 Schritte, Gränzwachen aufgestellt, welche Einrichtung auch von den andern Regierungen an dem linken Ufer bis an die Mündung dieses Stromes in das schwarze Meer beibehalten wird.
Man würde sich aber sehr irren, wenn man dächte, daß diese Soldaten in Uniform auf ihren Posten ständen. Sie beziehen in ihren erbärmlichen und zerrissenen Kleidern, oft mit nackten Füßen, ihre Stationen auf acht Tage. Ihre Hütten gleichen einem Stalle. Ich trat in einige, um die innere Einrichtung zu sehen, die unmöglich einfacher seyn konnte. In der einen Ecke befindet sich eine Feuerstelle, in der andern ein seyn sollender Ofen von Lehm zusammengestöppelt. Eine unförmliche Öffnung in der Wand, an der Stelle des Glases mit Papier überklebt, bildet des Fenster; eine hölzerne Bank die Einrichtung. Was der Bewohner während dieser Zeit zum Unterhalte des Lebens bedarf, muß er sich mitbringen. Dafür erhält er von der Regierung Grund und Boden.
Auf dem russischen Gebiete haben die Soldaten wenigstens Uniform an.
Immer schöner und reizender wird nun die Reise. Der große mächtige Strom eilt oft brausend und schäumend an hohen Bergen dahin, die ihm kaum einen Ausweg zu gestatten scheinen. Bald bespült er wieder freundlich und ruhig die ihm umgebenden Ufer. Jede Wendung zeigt neue Schönheiten; man weiß nicht, auf welche Seite, man das begierige Auge wenden soll. Und stolz und majestätisch beherrscht ihn das Schiff, das sicher und schnell durch die wildromantischen Gegenden dahineilt.
Gegen 1 Uhr Mittags kamen wir nach Pasiest. Hier ist weiter nichts, als ein großer Vorrath von Steinkohlen für die Dampfschiffe, nebst einigen Hütten. Vom Städtchen selbst ist nichts zu sehen.
Eine Stunde unterhalb Pasiest gewährt der, mitten aus den Fluthen sich erhebende, einzeln stehende Fels Babakay einen imposanten Anblick. Mit ihm vereint sich die am serbischen